Die neue Wehleidigkeit
Ob lediglich Grippe oder doch mehr. Ob eine Intrige von Bill Gates oder eine Schlamperei der Chinesen. Ob Aushebelung der Demokratie durch den Staat oder doch berechtigte Vorsicht: Was Tirol betrifft, sind all diese Debatten plötzlich äußerst esoterischer Natur. Wenn es nämlich stimmt, dass jeder dritte Arbeitsplatz hierzulande vom Tourismus abhängt, ist real Feuer am Dach. Das heißt: Die Infektionszahlen müssen ohne Wenn und Aber herunter, damit unsere deutschen Nachbarn ihre Reisewarnung aufheben.
Man kann nur hoffen, dass dieser simple logische Zusammenhang endlich auch von jenen begriffen wird, die sich vom bösen Staat, den bösen Politikern und den angeblich regimetreuen Medien in ihrer ganzen Existenz bedroht fühlen, weil sie eine Maske tragen müssen, ob das nun etwas nützt oder nicht. Weil sie Distanz zu ihren Mitmenschen einhalten sollen, ob das nun etwas nützt oder nicht. Und weil ihre honette Meinung, wonach sie all die Corona-Maßnahmen für Unsinn halten, angeblich systematisch unterdrückt wird.
Vom legendären ehemaligen Bundeskanzler der Republik Bruno Kreisky stammt die Empfehlung an einen Redakteur, er möge Geschichte lernen. Diese Empfehlung würde auch heute einigen Zeitgenossen gut anstehen. Dann würden sie vielleicht begreifen, wie lächerlich wenig und Nebensächliches wir leisten müssen, um eine nun wirklich durch den Ausfall der Touristen große Krise abzuwehren.
Im Moment treten mehr und mehr Unzulänglichkeiten ans Tageslicht, Unzulänglichkeiten im Umgang und Auftreten des Bundeskanzlers Kurz mit seinen ebenso gestylten Regierungsmitgliedern.
Im ersten Moment ist es ihm gelungen, sowohl im eigenen Land, als auch innerhalb der EU, durch seine bis ins Detail gestylte „türkise“ Polit-Show zu überzeugen, sogar in Deutschland wurde bald sogar so mancher Ruf nach so einem Kanzler laut. In einer Werbeeinschaltung im Tiroler WEEKEND Journal vor einigen Monaten war sogar zu lesen, er würde den Deutschen schon zeigen, wo es lang geht.
Das war wohl auch bald der Grund, dass eine gewisse Selbstüberschätzung, Arroganz und Überheblichkeit zugenommen hat.
Weiter Ausritte folgten dann durch diverse „ Verbrüderungen „ einerseits mit den Visegrad Ländern „, andererseits als Begründer der „ sparsamen 4 „ .
Auch die Haltung zuletzt in der Flüchtlingskatastrophe von Lesbos und generell in der Asylproblematik, war wohl nicht mit den christlich sozialen Werten seiner ursprünglichen ÖVP im Einklang. Die großartig inszenierte Hilfslieferung seines Innenministers nach Griechenland ist anscheinend bis heute noch nicht in der Krisenregion angekommen und das zeigt besonders drastisch den Event-Charakter der türkisen Politik.
Nunmehr gilt es ganz vorrangig und kompetent die Corona-Krise zu meistern, das lässt sich keinesfalls mit der üblichen Polit-Show lösen, da ist Leadership, professionelles Krisenmanagement und klare Strategie notwendig. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, ist wie bekannt, so ziemlich vieles schief gelaufen und wird auch noch weiterhin vieles schief laufen.
Besonders Nachbar Deutschland und damit auch Bayern, sind ob der Corona Infektionen ihrer Bürger (Ischgl ) nicht mehr wirklich so begeistert. Das zeigt sich an den Reisewarnungen, den sehr wenig ambitionierten Planungen der Zulaufstrecke zum Brenner-Basis-Tunnel und vor allem bei der Lösung bzw. Nicht-Lösung des Transitverkehrs. Da werden doch die Kraftverhältnisse deutlich. Mit 80 Millionen Deutschen Bürgern und davon auch über 13 Millionen Bayern kann man sich als kleines Land nicht so „türkis„ überheblich und arrogant begegnen. Das letzte Treffen von Kanzler Kurz mit Ministerpräsident Söder war doch sehr deutlich und erfolglos.
Sicher gibt es an der EU vieles zu kritisieren, jede Menge nicht gelöster Probleme werden viel zu lange nicht oder nur mangelhaft erledigt. Dazu noch die BREXIT Thematik, also ein großer Berg von Aufgaben hat sich da angehäuft.
Wenn man sich innerhalb der EU profilieren möchte, im Sinne der seinerzeitigen Ambitionen der ÖVP, dann nur mit vernünftigen, zukunftstauglichen und cleveren Beiträgen, viel Überzeugungskraft und nicht mit Konfrontation.