Stephan Eibel, Schneitter
Korrespondenz, Gedichte

Gesendet: Dienstag, 22. September 2020 um 16:12 Uhr
Von: „elias Schneitter
An: „Stephan Eibel“
Betreff: hurra
hallo stefan,

so gehts.
dauernd wollte ich bei dir vorbeischauen,
mit dir kaffee in deiner
smarten küche trinken,
aber ich schob es hinaus und hinaus oder du warst
in der steiermark
und so sitze ich jetzt in tirol und komm wegen der königin
die nächste zeit nicht nach wien
und das ist eine ziemlich großer schmarrn.
aber wenn ich wieder in wien bin,
dann führt mein zweiter weg zu dir, sofern
du zeit und muse hast.

ja, ich schlage mich hier im vertrottelten tirol herum,
studiere fußball-tabellen
und schreib hin und wieder für zwei blogs
kleine kommentare zum zeitvertreib.

einer davon ist der „schöpfblog“ von alois schöpf,
dem deine gedichte außerordentlich gut gefallen.
nun fragt er mich,
dass ich dich fragen soll, ob du interesse hättest,
hin und wieder
da neue unveröffentlichte gedichte von dir beizusteuern.
ich bin also nur der
bote der guten oder bösen nachricht
elias


Stephan Eibel

jahrelang sagt ich zu mir: dichter
jahrelang dacht ich, ohne jeden tag zu schreiben, geht nicht
nach meinem 2en herzinfarkt, diagnostizierte die ärztin: vollblutkünstler
und sagte: einen dritten überleben sie nicht mehr.
jetzt schreibens ein paar monate nichts mehr!

und ich dachte, niemals und nach vier wochen, spürt ich: geht doch
nach fünf wochen: geht gut
nach sechs, sieben wochen: geht sehr gut
werd nie mehr gedichte schreiben! endlich
wurd zum meistgelesenen lyriker und ward innerhalb von wochen keiner mehr
kein dichter, kein propagandist, kein werbesprecher in eigener angelegenheit!

für den im frühjahr erscheinenden gedichtband „decke weg“ strich ich gleich einmal dreißig gedichte
einer, der zwei herzinfarkte hatte, soll keine werbung für lässigkeit machen!
der gedichtband sollte im herbst erscheinen und ich verschob ihn auf frühjahr
musste ich doch nicht nur streichen, sondern einige gedichte umdichten.
Musste – was heißt, soll ich, was heißt, will ich, was heißt, wird geschehen.

und dann kam der august und ich schrieb drei gedichte
das erste „heilige“ fusst auf den vielen, vielen kirchenbesuchen mit reliquien.
bettina erklärte mir immer kunsthistorische bedeutung und resultat ist da
es ist ein 1, 2, 3, 4 gedicht – 1 ist der titel – zwei ist zeile zwei und drei und
könnt schon aufhören – ………
dieses gedicht wird im neuen gedichtband drinnen sein


Stephan Eibel
heilige

an ihren lippen
sollen wir hängen

vor ihren reliquien
uns bekreuzigen
und knien

wie vor dem
in gold gefassten kopf
vom märtyrer blasius
von sebaste in dubrovnik

——————————————

ein zweites noch – vor zwei wochen geschrieben-
und auch das gedicht hat eine vorgeschichte
eine orf redakteurin lud mich ein für die sendung kulturmontag
ins studio zu kommen und über erich kästner zu sprechen.
ich musste absagen, weil ich nicht von eisenerz nach wien fahren wollte.
kästner, der gscheite, der humanist usw… schrieb ein handwerklich
meisterhaftes gedicht mit der absicht, die industriellen, die geldigen
davon abzuhalten für nazis zu spenden.
diese energie, die er dafür verwendete, dieses bemühen, diese naivität
brachten mich beinah zur vielbemühten palme, auf die ich klettern sollt.
ich verehr ihn und mag ihn, seh ihn aber immer mit anzug, krawatte
und einer ledernen aktentasche.
ein echter meister, aber kein jandl
und nun ist gedicht da:


Stephan Eibel
dabei verehr ich ihn

imma wenn i gaunz allan
im zugabteil sitz
fiass hochglogat
denk i an erich kästner

der mir als gläubiger humanist
an kaffee bringen könnt
oba bitte ohne müch und zucka


gesundheitlich muss ich mich sehr zurückhalten.
kann nicht mehr täglich eingeraucht sein,
was für mich richtig scheisse ist.
bin nun täglich besoffen.
der rausch ist für mich einfach notwendig!
bin seit mai täglich besoffen, aber nicht lallend oder
am boden kriechend.
konsequent trink ich die ersten zwei achtel ganz schnell.
das fährt so ein.
mein lateinprofessor hat mir das gezeigt.
das erste viertel gleich ex.
hier in santorin mit bettina,
trink ich erstes achtel nicht ex.
trink schwere rotweine.
bis bald


Von: Alois Schöpf
Betreff: AW: hurra
Datum: 25. September 2020 um 11:26:54 MESZ
An: „‚elias Schneitter'“
Darf ich das Ganze, inkl. Dir, so in den schoepfblog stellen?
Alois


Gesendet: Freitag, 25. September 2020 um 12:48 Uhr
Von: „elias Schneitter
An: „Stephan Eibel“
Betreff: Fwd: hurra


hallo stephan,

der alois fragt mich, ob er den mailwechsel
mit deinen zwei gedichten für den blog verwenden darf?
bitte um zustimmung oder kurze ablehnung
alles ist okay.
elias


Von: Stephan Eibel
Betreff: Aw: Fwd: hurra
Datum: 25. September 2020 um 13:20:06 MESZ
An: elias Schneitter

sicher:


Stephan Eibel
schatzis verstehts m
i

der dow jones
der nikkei oder da dax
lassn mi keut
muttis niern san perdu
ihre aortenklappe verkoalkt

da goldpreis, da sülwapreis
da müchreis san ma a wurscht
fiarchtn tu i mi
vor der nächstn nocht
wenn mutti nach atem ringt


Stephan Eibel
brillen helfen

manch mensch schob
ein kleines braunes papier
in sein mund
und glaubt es ist brot

Stephan Eibel

Stephan Eibel wurde 1953 in Eisenerz in der Steiermark geboren und lebt seit 1979 als freier Schriftsteller in Wien. Er absolvierte eine kaufmännische Lehre und studierte Soziologie. Zuerst arbeitete er als Lohnverrechner, ab 1976 war er als Leiter der Autorensendereihe „Literatur im Untergrund“ für den niederösterreichischen Rundfunk tätig. Er ist Autor von Lyrik, Erzählungen, Romanen und Theaterstücken, zuletzt erschienen: Sofort verhaften! (Roman, 2008) und Licht aus! (Lyrik, 2012).

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