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Literarische Korrespondenz:
Klaus Sprenger an Dr. (Name gelöscht)
Betrifft:
Errichtung einer Sterbeverfügung


Sehr geehrte Herr/Frau Dr. (Name gelöscht!)

wir haben bei unserem Telefonat von gestern einen Termin für die Erweiterung meiner Patientenverfügung vereinbart. Diesen Termin möchte ich hiermit stornieren.

Ich hatte Ihrem Vorschlag zur Erweiterung meiner Patientenverfügung zugestimmt, damit ich für die Zeit bis zur Gültigkeit meiner als HAUPTANLIEGEN zuvor gewünschten AUFKLÄRUNG FÜR DIE ERRICHTUNG EINER STERBEVERFÜGUNG auch besser abgesichert bin als mit meiner bisher bestehenden Patientenverfügung, die ohne Arzt- und Notarbestätigung vorliegt, also lediglich als BEACHTLICHE PATIENTENVERFÜGUNG gilt.

Dass Sie prinzipiell “ergebnisoffene” Aufklärungen zur Errichtung von Sterbeverfügungen nach §7 StVfG anbieten, haben Sie mir in der Erstordination, bei der ich Sie wegen meines akuten Infekts aufsuchte, mitgeteilt.

Für diese Sterbeverfügung wollten Sie eine Vorbesprechung haben. Das war mir zwar nicht ganz verständlich, da das Gesetz das nicht vorsieht. Aber wieso nicht? – so mein Gedanke.

Da ich und meine Frau jeweils gegenseitig eine Vorsorgevollmacht vor einem Notar erstellt haben, sehe ich es nicht als notwendig an, nun diese Patientenverfügung bei Ihnen zu diskutieren und etwas dazuschreiben zu lassen. Mir reicht meine jetzige Patientenverfügung, die meine Frau im Fall mit einem Rechtsanwalt durchsetzen könnte.

Als ich bei unserem gestrigen Telefonat (das einer Befundbesprechung diente) nach einem Termin für die im Raum stehende Erweiterung meiner Patientenverfügung und wegen der (eigentlich unnötigen) Vorbesprechung zur Aufklärung im Zusammenhang mit der Errichtung meiner Sterbeverfügung – MEIN HAUPTANLIEGEN – fragte, MACHTEN SIE SO NEBENBEI DIE KLARE, JEDOCH ÜBERRASCHENDE ÄUSSERUNG, DASS BEI MIR EINE STERBEVERFÜGUNG OHNEHIN IN MEINER SITUATION DERZEIT NICHT ZUR DEBATTE STÜNDE.

FÜR MICH STEHT DIE ERRICHTUNG MEINER STERBEVERFÜGUNG JEDENFALLS SEHR WOHL UND ZWAR AKTUELL ZUR DEBATTE.

BEI EINEM ETWAS GRÖßEREN UNFALL/EREIGNIS – da reicht ein Sturz, eine kleine OP oder eine durch extreme Schmerzeskalationen inkl. entsprechender Medikationen bedingte Verschlechterung meines Gesundheitzszustandes – könnte der Fall eintreten, dass ich womöglich nicht mehr zurechnungsfähig bin und nicht mehr selbst um meinen Weg kämpfen könnte. Daher kann und will ich diese Sterbeverfügungsaufklärung nicht dann machen und anschließend noch drei Monate warten, bis ich bei einem Notar noch zurechnungsfähig vorbeischauen und meine Sterbeverfügung erstellen könnte!!!

UND: LAUT PATIENTENVERFÜGUNG LEHNE ICH BEREITS JETZT JEDE WIEDERBELEBUNG UND JEDEN INVASIVEN EINGRIFF UND VIELES MEHR AB.
Und das werde ich auch bei Vorschlägen von Ärzten, wenn ich wach und voll zurechnungsfähig bin und eine Praxis eines Arztes oder eine Klinik besuche, so halten. (Wenn das Sterbeverfügungsgesetz in Tirol – wie bei der Abtreibung – in dem Fall wieder einfach nicht gesetzeskonform umgesetzt und boykottiert wird, werde ich eben in Wien oder anderswo Ärzte finden, denen die korrekte Umsetzung ein Anliegen ist.)

Wenn Sie es als “nicht zur Debatte stehend“ einstufen und das, obwohl wir uns erst bei zwei Ordinationsbesuchen begegnet sind und Sie daher weder meine gesamten Krankheiten (leider muss ich mich als “polymorbid”, wie es so schön heißt, einstufen – es liegen mehrere Erkrankungen vor, die mich massiv seit ca. 14 Jahren und bisher trotz von meiner Seite gesehen intensiver Therapiebemühungen beeinträchtigen) noch meine Leidenssituation, Leidens- und Lebensgeschichte kennen können, benötige ich sicher keinen – vermutlich einseitigen – Kommentar zu meiner Patientenverfügung.

Eigentlich ginge es ja um eine neutrale Beschreibung Ihrerseits, ob ich das, was ich fix-fertig und sehr wohlüberlegt für den Fall der Unfähigkeit mich zu äußern verfügt habe, auch richtig einschätze, verstehe und dass ich zurechnungsfähig bin.

Zur Erinnerung: Sie sagten mir bei unserer Erstordination wegen eines akuten Infekts vor ca. einer Woche, dass Sie prinzipiell „ergebnisoffene” Aufklärungsgespräche für die Errichtung von Sterbeverfügungen erstellen und an einer “Informationsrunde” von Ärztekammer, Notariatskammer und Apothekerkammer teilnahmen, informiert sind und sich da in eine Ärzteliste eintragen ließen. Was alle Ärzte ablehnten, war eine offizielle Ärzteliste zu erstellen, um zu vermeiden, dass es zu Demos vor Ordinationen, Beschmierungen u.ä. kommen könnte.

In der mir nun bekannten Situation sehe ich Sie nicht als neutral, sondern als voreingenommen an, wenn Sie sagen, dass für mich eine Sterbeverfügung derzeit nicht in Frage komme und nicht aktuell sei.

Sehr gewagt in mehrerer Hinsicht, nicht zuletzt auch ethisch! Hier verweise ich auf das Sterbeverfügungsgesetz (StVfG vom 31.12.2021, § 6, und v.a. Aufklärung nach § 7, und weiters den entsprechenden Erläuterungen dazu).

Sie scheinen nur den § 6 Abs.(3), Zi. 1. (“…eine unheilbare, zum Tode führende Krankheit (§ 120 Z 1 (ASVG)”) als Voraussetzung für meinen Entschluss eine Sterbeverfügung zu errichten, zu kennen und lehnen § 6 (3) Zi.2. als Palliativmediziner ab.

Weiters scheinen Sie die Erläuterungen zu § 6 nicht zu kennen, die beinhalten, dass Sie nur feststellen müssen, ob eine schwere dauerhafte Erkrankung mit anhaltenden Symptomen vorliegt, die meine gesamte Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen, wobei dieser Leidenszustand aus meiner Sicht nicht anders
abzuwenden ist. Wobei sich Letzteres nur nach dem subjektiven Empfinden der sterbewilligen Person richtet!

Und: Ich zitiere aus den „Erläuterungen-Besonderer Teil“ der Regierungsvorlage zum StVfG vom 18.11.2021: ”Die aufklärende ärztliche Person kann sich daher darauf beschränken, nach Darlegung der Behandlungs- und Handlungsalternativen (§6 Abs.(3) Z 1. als auch Z 2.) die Glaubwürdigkeit einer dahingehenden Erklärung der sterbewilligen Person zu beurteilen.“

Nach dem oben Ausgeführten kann ich Sie nur als einseitig beratend einschätzen. Was Sie mir hier anboten ist KEINE ERGEBNISOFFENE AUFKLÄRUNG nach § 6 + § 7 im Sinne des StVfG vom 31.12.2021.

Dieses Vorgehen scheint ja die Boykottlinie der Tiroler Ärztekammer und womöglich noch mehr der Palliativmediziner zu sein, die auch keine Ärzteliste öffentlich machen wollen – zum Nachteil der Patienten.

Wenn ich Sie nun frage, ob Sie, so wie es die Ärztekammer will, dort nachfragen, welcher Arzt sonst noch außer Ihnen Sterbeverfügungen gemäß § 7 StVfG anbietet, und Sie tun das, muss ich wieder mit einseitig orientierten Ärzten rechnen – so vermute ich.

Ich melde mich nächste Woche wegen der aktuellen Krankheitsbehandlung inkl. Medikation und Diagnose unabhängig von der “ Sterbeverfügungssache“ bei Ihnen, da für mich da noch einiges offen ist.

Mit freundlichen Grüßen und bitte den Termin 12.30 Uhr bereits jetzt stornieren!
Klaus Sprenger

PS: Nach diesem Mail an den Arzt kam es noch zu einem sehr kontroversen Telefonat, bei dem der Arzt mir Aggressivität vorwarf, weil ich mich konkret auf das Sterbeverfügungsgesetz (StVfG vom 31.12.2021) inkl. Paragraphennennungen als Argument berief. Das Telefonat endete heftig/abrupt – von beiden Seiten!

Anschließend teilte ich dem Arzt noch per Mail mit, dass ich die Arzt-Patientbeziehung als beendet erachte, ich sein Verhalten als unethisch empfinde und dass ich fordere, dass alle ihm von mir übergebenen Befunde, die nicht von ihm selbst erhoben wurden, aus seinen Systemen zu entfernen sind. Dies wurde zugesagt.


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Klaus Sprenger

Klaus Sprenger, 1953 geboren als Sohn einer Landarztfamilie in Schruns/ Vorarlberg. Studium der Psychologie und Pädagogik, Psychotherapeut und klientenzentrierter Psychotherapeut und Supervisor. "Es lebt in mir der Versuch mit starken Dauerschmerzen bei noch meist klarem Kopf zu leben."

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Beatrix Leberth

    Eine ziemlich ähnliche Erfahrung habe ich leider auch mit einem burgenländischen Palliativarzt gemacht. Der sich anfangs telefonisch höchst interessiert, hilfsbereit und verständnisvoll profiliert hat und sogar eine längere Autofahrt auf sich genommen hat, um mich zuhause zu treffen. Bei diesem zweistündigen Gespräch hat sich allerdings herausgestellt, dass er mich nur von einer Änderung meiner Patientenverfügung und den Vorzügen einer palliativärztlichen Behandlung überzeugen wollte. Als ich beides abgelehnt habe, hat er die Ausstellung der benötigten Bestätigung abgelehnt.
    Das war im Februar. Im März wurde mir nach intensiver Suche von einem Psychiater endlich die erste der beiden benötigten Bestätigungen (auf Grund § 7 Sterbeverfügungsgesetz) anhand meiner fachärztlichen Befunde und nach 2 professionellen Tests meiner Entscheidungsfähigkeit problemlos ausgestellt.
    Und die erforderliche 12wöchige Wartefrist für die notarielle Erstellung der Sterbeverfügung ist demnächst erfüllt.
    Aber ich suche immer noch verzweifelt und erfolglos nach einem Arzt, der bereit ist, mir die erforderliche palliativärztliche Bestätigung auszustellen.
    Eine psychisch sehr belastende Situation, ich bin erschöpft, deprimiert und verzweifelt.

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