Günther Aigner / Wolfgang Gattermayr
Schneeprognosen für Gerlos
Eine Abkühlung
Das Skifahren ist in Tirol ein Kulturgut. Und es ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor – vor allem im Zillertal und in seinen Seitentälern. Der Rohstoff für den Skitourismus ist der Schnee. Zu diesem Rohstoff wollen wir uns zwei Aspekte in Gerlos anschauen:
1) Wie rasch schwindet der Schnee im Klimawandel?
2) Was passiert mit dem Gerloser Schnee im „Worst-Case-Szenario“ der Klimaerwärmung bis zum Jahr 2050?
Der Schnee in Gerlos wird seit mehr als 100 Jahren vom Land Tirol gemessen – genauer gesagt: vom Hydrographischen Dienst. Als Erstes schauen wir uns die sogenannten Neuschneesummen an. Was versteht man darunter?
Jeden Tag um 07.00 Uhr früh wird beobachtet, ob Neuschnee gefallen ist. Wenn ja, wird die Neuschneehöhe seit dem Vortag gemessen. Diese tägliche Neuschneehöhe wird über ein ganzes Messjahr summiert – vom 01. September bis zum 31. August des Folgejahres.
Abb. 1: Die Entwicklung der Neuschneesummen pro Messjahr in Gerlos von 1924/25 bis 2021/22. Daten: Amt der Tiroler Landesregierung (Hydrographischer Dienst). Grafik: ZUKUNFT SKISPORT
Im langjährigen Mittel wird eine jährliche Neuschneesumme von etwa 5,1 Meter erhoben. In schneearmen Wintern sind es weniger als 3 Meter, in niederschlagsreichen Wintern mehr als 10 Meter. Die Temperatur der Winter spielt auf einer Seehöhe wie in Gerlos eine eher untergeordnete Rolle. Entscheidender ist, ob die Winter trocken oder niederschlagsreich sind.
Bemerkenswert sind zwei Phänomene:
1. Die schneereiche Periode von 1965 bis 1982, die man in vielen Regionen der Alpen feststellen kann, ist auch in Gerlos manifest.
2. Die aus den jährlichen Neuschneesummen abgeleitete Trendlinie lässt keine Veränderung des Neuschneedargebotes erkennen.
Blicken wir uns die Anzahl der Tage mit natürlicher Schneebedeckung pro Jahr an. Hier finden wir bei einem Mittel von 152 Tagen außergewöhnlich schneesichere Verhältnisse. Die Trendlinie zeigt, dass die Winter in den vergangenen 121 Jahren weder länger noch kürzer geworden sind.
Abb. 2: Die Anzahl der Tage mit natürlicher Schneebedeckung in Gerlos von 1901/02 bis 2021/22. Daten: Amt der Tiroler Landesregierung (Hydrographischer Dienst). Grafik: ZUKUNFT SKISPORT
Und nun kommen wir zur Zukunft:
Wie reagieren die Winter, wenn auf Österreichs Bergen bis zum Jahr 2050 das „Worst-Case-Szenario“ der Klimaerwärmung eintritt? Für diese Einschätzung stehen die ÖKS15-Klimaszenarien zur Verfügung. Ausgehend vom Mittel 1971 bis 2000, wird im Worst Case eine Erwärmung von 1,4 Grad Celsius geschätzt.
Allgemein wird angenommen, dass die Schneegrenze mit jedem Grad Erwärmung um etwa 120 bis 170 Meter ansteigt – im Winter stärker als im Sommer.
Im schlimmsten Szenario würde die winterliche Schneegrenze bis zum Jahr 2050 um gut 200 Meter ansteigen. Dann würden die gegenwärtig in Gerlos vorherrschenden Schneeverhältnisse bis auf knapp 1.500 Meter hinaufwandern. Im Skigebiet „Zillertal Arena“ – mit 85 % der Skipisten oberhalb von 1.500 Meter Seehöhe – wären diese Auswirkungen vermutlich kaum spürbar.
Fazit:
1. Im langjährigen Durchschnitt werden in Gerlos 5,1 Meter Neuschnee gemessen. An 152 Tagen liegt eine natürliche Schneedecke. Gerlos ist damit ein außerordentlich schneesicherer Wintersportort.
2. Innerhalb der vergangenen etwa 100 Jahre haben sich weder die Neuschneesummen noch die Tage mit Schneebedeckung statistisch belegbar verändert.
3. Im Klimaszenario mit der stärksten anzunehmenden Erwärmung würde die Schneegrenze bis zum Jahr 2050 um etwa 200 Meter ansteigen.
Soweit ein kurzer Überblick zum Verhalten der Winter unter dem Eindruck des Klimawandels. Wir würden uns freuen, wenn hier eine lebhafte Diskussion stattfände. Gerade in Tirol ist es wichtig, dass die emotionale Diskussion um den Schnee den sicheren Boden der amtlichen Messdaten nicht verlässt.
Weitere Informationen für Interessierte:
Im YouTube-Kanal „ZUKUNFT SKISPORT research“ finden Sie dieses Thema in einem vierminütigen Videovortrag aufbereitet.
Auf www.zukunft-skisport.at/videos finden Sie einen umfangreichen Foliensatz zum Schnee in Gerlos, in dem alle Quellen offengelegt sind.
Limitationen: Das verwendete Datenmaterial ist nicht homogenisiert und erst seit 1965 einer Plausibilisierung zugeführt worden. Die vor 1965 eingesetzten Schneedaten haben weitgehend den Status von Rohdaten.
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