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Erich Ledersberger
Facebook und die öffentlich-rechtlichen Sender

Vor einigen Tagen empörte sich der Redakteur eines (deutschen) öffentlich-rechtlichen Senders über Facebook. Der Konzern zensuriere Nachrichten in Australien. Dort herrschte gerade Streit zwischen Facebook und der Regierung. Ein geplantes Gesetz stieß dem profitorientierten Konzern sauer auf: Medienhäuser wie Facebook und Google sollten in Zukunft per Gesetz für „Meldungsausschnitte bezahlen, die die Internetgiganten von deren Internetseiten abgreifen“.

Daraufhin sperrte Facebook in Australien kurzerhand Nachrichten, auch von öffentlich-rechtlichen Sendern wie ZDF und ARD. Das sei Zensur, jammerte der Reporter in sein öffentlich-rechtliches Mikrofon.

Geht’s noch?

Facebook und Twitter sind berüchtigt dafür, immer wieder Falschmeldungen und Hass-Postings ihrer Mitglieder zu publizieren. Der Wahrheitsgehalt ist ihnen dabei ziemlich gleichgültig, Hauptsache, die Teilnehmerzahl steigt. Je mehr Mitglieder, desto höher die Werbeeinnahmen!

Und wer macht gratis für dieses Unternehmen Werbung? Richtig: die öffentlich-rechtlichen Sender.

Vom ORF über ZDF und ARD samt Regionalabteilungen: Alle werben seit Jahren dafür, ihnen auf Facebook zu folgen. Das nennt sich zumindest Schleichwerbung und ist in Deutschland und Österreich verboten. Würde man den normalen Werbetarif berechnen, kämen dabei viele Millionen Euro in die Kassen, immerhin kostet eine Sekunde Werbung im deutschen Fernsehen zwischen 200 und 1.000 Euro. Der ORF hält sich bezüglich seiner Werbekosten an das Amtsgeheimnis.

Die Empörung von Regierungen, Zeitungen und seriösen Nachrichtensendern über die Zensur durch Facebook ist so groß wie unverständlich. Wer daheim einen Tiger füttert, darf sich nicht wundern, wenn er eines Tages von ihm gefressen wird.

Ein Zahnarzt wehrte sich gegen so viel Einfalt und verklagte 2019 die öffentlich-rechtlichen Sender Bayrischer Rundfunk und Südwest-Rundfunk. Er wollte sich die ständige Gratiswerbung, die schließlich mit seinen Rundfunk-Gebühren finanziert wurden, nicht mehr gefallen lassen. „Was ist, wenn jemand gar nicht Facebook nutzt oder nutzen will?“, lautet seine Frage. „So wird er oder sie doch dazu gezwungen, sich bei Facebook zu registrieren und deren Kunde zu werden.“ Die Monopolstellung der US-Konzerne werde so weiter gestärkt – auf Kosten kleinerer Anbieter.

Die öffentlich-rechtlichen Sender betonen ihre Unschuld und verweisen auf ihre Informationspflicht. Warum sie diese auf multinationalen, privaten Plattformen erfüllen müssen, haben sie nicht erklärt. Gerichtlich wurde in der Sache noch nichts entschieden, immerhin wird beim Bayrischen Rundfunk seit einiger Zeit nur mehr um „Sprachnachrichten“ an den Sender gebeten, statt wie vorher um „WhatsApp Sprachnachrichten“.

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Erich Ledersberger

Erich Ledersberger, geboren 1951 in Wien, mehrere Studienrichtungen begonnen, eine – Wirtschaftspädagogik – abgeschlossen. Einige Jahre Lehrer und Mit-Herausgeber einer pädagogischen Taschenbuchreihe, dann über verschiedene berufliche und örtliche Umwege (Bonn und Berlin) die Rückkehr nach Österreich und hier wieder als Lehrer arbeitend. Währenddessen als Autor tätig, etwa mit Satiren für deutsche und Schweizer Rundfunk- und Fernsehanstalten, Hörspielen und Theaterstücken. Mehrere Buchveröffentlichungen, 2014 „Ich bin so viele“, 2017 „Als mein Ich verschwand“, Kurzgeschichten, 2018 „Maria fährt.“, Erzählung, 2019 „Fünf Sieben Fünf“, 34 Haiku und 2023 „Kakanien – Band 1“ eine Zeitgeschichte in Kolumnen von 2000 bis 2006. Er betreibt seit 2000 den Blog www.kakanien.eu

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