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Elias Schneitter
Mein Triest
Notizen

Wegen eines Buchprojektes habe ich mich eine Zeit lang eingehender mit der Geschichte Triests und den umliegenden Küstenländern beschäftigt. Für Triest hatte ich schon immer ein Faible. Mehrmals habe ich mich in den letzten Jahrzehnten im „Wien am Meer“ aufgehalten.

In der österreichischen Monarchie hatte die Stadt als Freihafen eine besondere Stellung inne. Wirtschaftlich blühte und gedieh sie. Trotzdem waren die Habsburger, besonders bei den Intellektuellen, nicht beliebt. Die „Irredentisten“, wie sie genannt wurden, wollten raus aus der „Knechtschaft“ und verfolgten das Ziel, sich der italienischen Nation anzuschließen.

Ihr Wunsch wurde nach dem Ersten Weltkrieg erfüllt. Sie kamen zu Italien, waren ab jetzt aber nur noch eine Hafenstadt unter mehreren, ihre einstige Sonderstellung war weg und der sonderbare Faschist Mussolini übernahm die Macht am Stiefel.

In dieser Situation dämmerte den einst revolutionären Intellektuellen, was sie durch diesen Wechsel verloren hatten. Unter den „verhassten“ Habsburgern funktionierten zumindest die Bürokratie, das Bildungswesen und andere öffentliche Einrichtungen, was im neuen Staat immer mehr zu wünschen übrig ließ.

Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm der Linksfaschist Tito kurz die Herrschaft in der Stadt. An einem Sonntag nach der Heiligen Messe trieben seine Partisanen die Kirchengeher hinauf in den Karst nach Basovizza, stießen die wehrlosen Menschen lebend in die Höhlen und Schluchten und schütteten sie mit Erdreich und Geröll zu. So sparte man sich Munition, die knapp war.

Vor diesem historischen Hintergrund hat sich in Triest und Umgebung der „Habsburger-Mythos“ entwickelt, den Claudio Magris so großartig beschrieben hat.

Einmal war ich wieder in Triest. Als Fußballfan wollte ich mir ein Match im Stadion anschauen. Ein Bekannter fuhr mit mir auf seinem Motorrad dorthin, aber wegen der gewaltbereiten Hooligans war im Stadion und auch rundherum Alkoholverbot.

Wir waren früh dran und wollten uns noch einen Schluck genehmigen. Darum brachte mich mein Bekannter in einen kleinen Weingarten mit einem Heurigenlokal à la Vienna: Schweinsbraten, fette Brotaufstriche, Verhackertes, und ich staunte nicht schlecht, als ich an der Rückwand ein mannshohes Ölbild von Kaiser Franz Josef entdeckte.

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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