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Alois Schöpf
Noch schnell verreisen, bevor es zu spät ist.
Apropos

Der LKW-Transit über den Brenner ist 2023 um 3,2 Prozent zurückgegangen, wohingegen der PKW-Verkehr um 4,4 Prozent zugenommen hat. Wenn man heute um 06.00 Uhr in der Früh losfährt, um den schlimmsten Staus etwa nach Salzburg zu entgehen, von wo die Tauernautobahn nach Süden abzweigt, wälzt sich bereits ein Blechwurm ohne Ende durch das deutsche Eck.

Und wenn man dazu auch noch die aufgrund billiger Pauschalangebote restlos überfüllten Eisenbahnzüge und Abflughallen der Flughäfen hinzu denkt, kann man nur noch zynisch feststellen: menschengemachte Klimaerwärmung und Umweltschutz sind den meisten Zeitgenossen, wenn es um ihr reales Leben geht, vollkommen egal. 

Ja, gerade die Mitglieder der älteren Generation laufen in Scharen vor ihrem nahenden Ende davon und durchqueren mit einer Hektik die Lande, dass nur noch der Ausdruck bleibt: Hinter mir die Sintflut!

Als Reaktion auf diesen kollektiven Nomadismus beschweren sich Einheimische über Overtourismus und schwenken Plakate, auf denen sie jene heimschicken, die sie vor ein paar Jahren freundlich willkommen geheißen haben. Städte verlangen Eintritt und Campingplatzbetreiber vergraulen ihre alten Gäste, weil sie von den neuen das Doppelte verlangen können. Und ein Liegestuhl am Strand bringt es heute schon bald auf den halben Zimmerpreis von gestern.

Wäre es nicht, abseits jedes moralischen Zeigefingers und jeder Verzichtspredigt Zeit, über diesen Teufelskreis nachzudenken? Nicht nur der Umwelt und der Bereisten zuliebe, sondern auch uns selbst zuliebe. Es gibt inzwischen nämlich nicht wenige, die lieber zuhause bleiben, weil es, speziell in Tirol, auch hier schön ist und es einiges zu entdecken gibt. 

Vor allem aber, weil viele nach nüchterner Analyse vergangener Urlaube feststellen mussten, dass sie sich für ihr Geld genau jenen Stress eingehandelt haben, den sie loswerden wollten.

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 24.08.2024

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. c. h. huber

    ich verwahre mich gegen die unterstellung, wir älteren menschen würden vor dem tod davonlaufen, bzw. davonreisen wollen. könnte es nicht eher so sein, dass wir in jüngeren jahren weder geld noch zeit hatten, um gegenden zu besuchen, die nicht gleich um die ecke lagen und es durch unsere arbeit geschafft haben, das jetzt zu tun. sehr viele alte menschen fahren mit zügen und in sonstigen öffis und in gruppen. überhaupt sind pauschal-verdächtigungen absolut verzichtbar, sage ich, man kann auf vielfältige weise zum umweltschutz beitragen – jeder und jede kehre vor der eigenen türe. wobei manche vergessen haben, wo sie in früheren jahren bereits gewesen sind – jaja, mit voller hose ist gut stinken.

    1. Reinhard Kocznar

      Wenn er noch einmal mit dem Begriff ‚alt‘ kommt, empfehle ich ihm dringend, seine Geriatrieabteilung zuzusperren.

  2. Johanna Rotter

    Sehr geehrter Herr Schöpf!
    Wieder haben Sie mit Ihrer Kolumne „Apropos“, diesmal in der TT-Ausgabe vom 24.08.2024, „Schnell verreisen, bevor es zu spät ist“ voll „ins Schwarze“ meiner Auffassungen getroffen.
    Als Jahrgang 1947 gehöre ich wirklich schon zur „älteren Generation“ – aber ich kann und will jene AltersgenossInnen nicht verstehen, die sich so benehmen, als ob sie das Wort „Umweltschutz und/oder Klimaschutz“ nicht kennen. Die noch Älteren, zum Großteil nicht mehr Lebenden, hatten bei diesem Thema immer die Ausrede parat, dass sie es gewesen seien, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Republik wieder aufgebaut hätten und sie sich aus diesem Grund nicht einschränken lassen wollen.
    Ein Argument, dem ich mich nie anschließen konnte………
    Aber auch viele der nach mir Geborenen kümmern sich – LEIDER – viel zu wenig um die Folgen der Umweltsünden und tun möglichst alles, um diese noch zu verstärken. Für mich stellt sich hier immer wieder die Frage nach deren Intelligenz!
    Doch wird der Anteil der jüngeren Menschen (so bis ca. 40), die sich bemühen, ihren Lebensstil zu ändern, meinen Erfahrungen nach größer. Vielleicht auch, weil sie wissen, dass Ihnen die Klimaerhitzung samt katastrophalen Folgen „auf den Kopf fallen“ wird, obwohl sie etwas ausbaden müssen, das die Generationen vor ihnen verbrochen (im wahrsten Sinn des Wortes) haben.
    Freundliche Grüße und vielen Dank im Voraus!

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