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Alois Schöpf
Mit Wasserpistolen gegen Touristen
Apropos

In Barcelona zielen die Einheimischen mit Wasserpistolen auf die Touristen, weil sie die Nase voll haben von den Leuten, die ihnen die Straßen verstopfen, Selfies vor der Sagrada Familia schießen und die Mietpreise in die Höhe treiben. Die Situation erinnert an Innsbruck, wo die Massen vor dem Goldenen Dachl stehen und glauben, die Ziegel seien aus Gold, obwohl sie nur vergoldet sind.

Der Tourismus lebt bekanntlich von Dingen, die der ganzen Gesellschaft und nicht den Touristikern allein gehören: von der Kultur eines Landes, seinen Kunstdenkmälern, seiner Lebensweise, seiner Natur. Dass es in Tirol nicht ganz so schlimm ist wie in Barcelona, hängt damit zusammen, dass sich hierzulande die Gästeströme nicht in der Stadt verdichten, sondern auf das ganze Land verteilen.

Dementsprechend wird auch nicht in Innsbruck auf die Gäste gezielt, sondern der Zusammenschluss von Skigebieten in kürzester Zeit durch über 100.000 Unterschriften von Leuten beeinsprucht, die oft gar nicht wissen, wo die Landschaft liegt, die intakt bleiben soll. Und dementsprechend betrachtete es noch zu Zeiten von Andreas Braun die Tirol Werbung als Aufgabe, landesintern durch ehrliche Kommunikation für eine positive Tourismusgesinnung zu sorgen.

Darauf hat man in den letzten Jahren verzichtet. Die Rechnung fällt entsprechend bitter aus. Die Tiroler wissen nämlich sehr wohl, dass sie von der touristischen Infrastruktur vom Lift bis zur Alm profitieren. Zugleich jedoch muss die oft irrationale Gegnerschaft zu fast allen neuen touristischen Projekten und zum Transit, der privat exzessiv mitverursacht wird, als ein landestypisches Symptom für Overtourism verstanden werden: die Einheimischen fühlen sich zunehmend von fremden Geldmächten ausgenützt, ohne selbst davon zu profitieren.

Die Diskussion darüber, inwieweit das stimmt, muss dringend wieder aufgenommen werden.

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 13.07.2024

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Manfred Waldner

    Sehr geehrter Herr Schöpf!
    Ich gratuliere Ihnen zu Ihrem Kommentar in der Samstag-TT über den Tourismus! Zu viele Leute, die weder mit dem Tourismus etwas zu tun haben, noch die lokalen Gegebenheiten kennen, spielen sich, bequem zu Hause in ihren Leder-Fauteuils liegend oder in „ideologisch zentrierten Besserwisser-Zirkeln“ diskutierend, als „maßgeblich und in alleinigem Besitz der politischen/wirtschaftlichen Wahrheit“ auf und vergessen dabei nur allzu oft die Situation und Ansichten derer, die dort leben und arbeiten (müssen), denn nicht die Touristiker haben die Einheimischen übersehen, wie in einem Leserbrief (als Antwort auf ihren Kommentar) in der Dienstag-TT geschrieben wurde, sondern eben diese „selbsternannten Eliten“ und realitätsfremden NGOs!
    Mit freundlichen Grüßen

  2. Robert Muskat

    Gut so! Auch in Tirol sollten wir auf die Barrikaden steigen. Nicht nur, dass der Transit uns quält, auch die nicht enden wollende Gier der Touristiker ist absolut einheimischenfeindlich. Wohnungen unerschwinglich, aber jede Menge Freizeitwohnsitze, Ausländer kaufen alles auf, was irgendwie zu holen ist. Als Einheimischer ist man oft nicht gerade willkommen, sogar der VKI klagt schon wegen Vergünstigung von Einheimischen-Tickets! Aber immer noch nicht genug! Schauen wir, wie lange unsere Geduld noch reicht.

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