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Alois Schöpf
Den Letzten beißen die Hunde.
Apropos

Vor etwa drei Jahren, als der große Run auf die Photovoltaik-Anlagen auch in Österreich begann, bekam man für eine eingespeiste Kilowattstunde ca. 0,50 €. Dies veranlasste naturgemäß viele, auch im Sinne der von der Politik eingeforderten Energiewende eine PV Anlage zu beauftragen. Inzwischen bekommen sie für ihren Strom, wenn es gut geht, noch 0,05 € pro Kilowattstunde: also ein Zehntel! Das kann es wohl nicht sein!

Das europäische Stromnetz ist ein sehr kompliziertes System: Das beginnt schon bei einem Strommarkt, der sich nach dem jeweils aufsteigenden Preis des gerade noch notwendigen Kraftwerks orientiert, und reicht bis zu einer notwendigerweise gleichbleibenden Netzspannung, die nur gehalten werden kann, wenn binnen kürzester Zeit Energie zu- bzw. nicht mehr zugeführt wird. Und dies alles verteilt auf zahllose staatliche und private Stromerzeuger mit verschiedensten Formen der Energie von Gas und Kohle über Atom bis Wind und Sonne.

Trotz dieser komplexen Problemlage kann man der heimischen Politik nicht den Vorwurf ersparen, sich lieber mit Ibiza oder den Intrigen einer EU-Kandidatin zu beschäftigen, statt den Blick über die Grenzen zu riskieren, wo in Bayern und Italien seit Jahrzehnten PV- Anlagen installiert wurden und die Probleme, wie wir sie heute haben, schon länger bekannt sind.

Im Wesentlichen geht es dabei um einen milliardenschweren Ausbau des Stromnetzes und den Bau von Pumpkraftwerken, Wasserstoffanlagen oder anderen Energiespeichersystemen, die in der Lage sind, den Überstrom bei Sonne aufzunehmen und im Winter und bei Schlechtwetter wieder abzugeben.

Dabei kann es aber nicht sein, dass eine verschlafene Politik und mächtige Monopolisten ihre Hände in Unschuld waschen und die Kosten dem umweltbewussten Bürger überlassen, der sich die Frage stellen muss, ob er wieder einmal Opfer eines Marketing-Schmähs der Regierung wurde.

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 07.06.2024

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Robert Muskat

    Dem schließe ich mich vollinhaltlich an! Warum hat unsere Tiroler Landesregierung nicht den Mut, der TIWAG die Verpflichtung zur kostengünstigen Versorgung der Tiroler mit Elektrizität aufzuerlegen und erst nach Erfüllung dieser Verpflichtung mit dem Überschuss Handel zu treiben. Auch das Platzer-Tal gehört in Ruhe gelassen und diese unsägliche „merit order“- Regelung verboten. Kein Geld für Solarlieferanten, aber den Verbrauchern den teuersten Preis verrechnen, so geht’s einfach nicht!

  2. Helmut Schiestl

    Wäre es nicht besser, Strom würde so wie unser Trinkwasser als Gemeingut behandelt, und nicht gehandelt wie eine Ware auf undurchschaubaren Energiebörsen? Der Fehler lag wohl in der neoliberalen Energiewende der neunziger Jahre unter Mitwirkung oder sogar erzwungen von der EU. Wir könnten uns so wohl viele Diskussionen über Naturschutz kontra steigenden Strombedarf sparen, da der Strom da verbraucht wird, wo er erzeugt wird. Auch die immer wieder apokalyptisch in den Raum gestellten Blackout-Szenarios wären da wohl eher verhinderbar, da rechtzeitig aus öffentlicher Hand für die Aufrüstung des Verteilungsnetzes zur Erhaltung des Gleichgewichtes für die Stromversorgung gesorgt wäre. Und der von privaten PV-Anlagen erzeugte Strom ließe sich wohl von den dem öffentlichen Gemeinwohl verpflichteten Stromversorgern auch besser verkaufen.

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