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Walter Klier
Aus dem Giftschrank des Gutmenschen
Über das Buch "Lob des Normalen"
von Cora Stephan.

Cora Stephan gehört zur erlesenen Schar der deutschen Schriftsteller, die in normaleren Zeiten sich einfach dadurch auszeichneten, daß sie klug waren und gut schreiben konnten und die man deshalb gerne las. Inzwischen sind die Zeiten weniger normal, und so steht dieselbe Cora Stephan im Giftschrank der Gutmenschen.

Das erkennt man unter anderem daran, daß ihr Wikipedia-Eintrag so klingt, als habe ihn jemand mit äußerstem Widerwillen geschrieben, ständig knapp vor dem Einsetzen des Brechdurchfalls, der durch den Anblick von „Rechtsradikalismus“ (d.i. alles, was nicht erklärtermaßen links ist) hervorgerufen wird. Sie schreibt in Medien wie der „Achse des Guten“, einer unverfrorenen Online-Zeitung, in der selbständiges Denken nicht nur möglich, sondern sogar willkommen ist.

Als jemand, der angesichts der neuerdings überall plakativ vorgezeigten Zeitgeist-Moral Zustände kriegt, liest man Cora Stephans neues Buch mit größtem Vergnügen. Der Titel erklärt schon den Inhalt. Mit dem „Lob des Normalen“ hat man ab nun ein Brevier zur Lage der Nation zur Hand, das in der nächsten Zeit wohl griffbereit bleiben muss, um es zu zitieren. Es ist nämlich in hohem Maße zitierbar.

Was wird also da gelobt, was ist das „Normale“? Es sind die „hundsnormalen Spießer, christlich geprägt, verheiratet, ein bis zwei Kinder, Eigenheim, geregeltes Einkommen, verlässliche Steuerzahler. Gutmütige Menschen, die das Abweichende schätzen, das sie sich selbst längst nicht mehr erlauben. […] Die Spießer von heute sind selbstverständlich weltoffen und bunt, tolerant bis zur Selbstaufgabe und haben es sich lange geduldig gefallen lassen, zum Auslaufmodell erklärt zu werden, zum Überbleibsel längst vergangener Zeiten.“

Es sind kurz gesagt alle jene, die sich zum Beispiel immer noch mit Engels- und Eselsgeduld all die pädagogisch bemühten Sendungen auf Ö1 anhören, aus denen in immer kürzeren Abständen und immer ungeduldiger die eine Aufforderung tönt: „Du mußt Dein Leben ändern!“ (vgl. dazu auch Gerald Schmickl, Abholstation Rundfunk, EXTRA der Wiener Zeitung, 20.6.2021).

Was macht der Mensch, wenn er sein Leben nicht ändern will, soweit es sich nicht sowieso mit den Zeitläuften ändert? Er weicht der geistig-seelischen Umklammerung durch die frömmlerischen Medien aus, hört im Radio nur noch Musiksendungen, in denen tatsächlich von Musik die Rede ist, und bezieht seine Nachrichten von der Welt aus Büchern wie diesem. „Warum man ein ganzes Buch über das doch eigentlich Selbstverständliche schreiben muss? Gute Frage. Vielleicht aus einem ganz einfachen Grund: weil man immer mal daran erinnern muss, dass die Normalen fürs Überleben weit wichtiger sind als die Paradiesvögel, auch wenn wir auf sie ungern verzichten.“

Cora Stephan, Lob des Normalen. Vom Glück des Bewährten. FinanzBuch Verlag, München 2021, 238 S

Walter Klier

Walter Klier (* 5. Juli 1955 in Innsbruck) ist ein österreichischer Schriftsteller, Kritiker, Herausgeber, Autor von Berg- und Wanderführern und Maler. Klier war von 1980 bis 1984 Mitherausgeber der satirischen Zeitschrift „Luftballon“ und von 1989 bis 1997 Mitherausgeber der Kulturzeitschrift Gegenwart (Innsbruck). Unter dem Pseudonym Luciana Glaser publizierte er 1990 gemeinsam mit Stefanie Holzer die Erzählung „Winterende“. Publizistisch trat er auch als Literaturkritiker in der Feuilletonbeilage „extra“ der Wiener Zeitung und als Kolumnist der Tiroler Tageszeitung hervor. Zahlreiche Buchveröffentlichungen. Als Maler beschäftigt sich Klier vor allem mit der Berglandschaft, die er sich schon als Autor von Berg- und Wanderführern erschlossen hat.

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