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Sehr geehrte Frau Nationalratsabgeordnete Dr. Stephanie Krisper!

Danke! Sie haben mit dem Ausspruch „Die geh(t)n mir am Oasch!“ für den inneren Frieden der österreichischen Nation Großes geleistet. Leider hat er nicht die Empörung ausgelöst, die auf das Haupt unseres Zillertaler Bauernbuben Josef Geisler mit seinem „Widerwärtigen Luder“ niederging. Sein Bemühen und das Bemühen konservativer Parteifreunde, die verbale Entgleisung etymologisch zu verharmlosen, war erfolglos. Ganz im Gegensatz zu Ihnen, für die sogar Hans Rauscher im „Standard“ ausrückte, wo er Ihre Sentenz durch ein Zitat der Wiener Säulenheiligen Qualtinger und Heller in die Höhen literarisch wertvollen Liedguts hievte.

Damit hat der stets ums Gute bemühte Kollege Rauscher uns allerdings nichts Gutes getan. Lassen wir doch Ihren „Oasch“ Oasch sein, und freuen wir uns darüber, dass Sie, obgleich gebildet, mit akademischem Titel gesegnet, an sich charmant im Auftreten und intellektuell zielsicher argumentierend, den Beweis geliefert haben, dass auch moderne und emanzipierte Frauen zur Spezies des Menschen gehören. Sie haben uns Männern, vor allem den alten und weißen, die wir ob unserer nachhaltigen und offenbar unausrottbaren sexistischen Verworfenheit beinahe schon am Boden zerstört schienen, das weibliche Geschlecht in seiner zeitgeistig edelsten Ausformung wieder näher gebracht. Es besteht also doch noch die Hoffnung, dass es abseits ideologischer Verhärtungen ein Zusammenkommen von Mann und Frau gibt. Zumindest auf der Basis gemeinsamen Fluchens!

Als Menschenrechtsspezialistin sollte Ihnen vor dem Hintergrund Ihrer Wut, von der sich auch die Frau Verfahrensrichterin angesprochen fühlte – als Nachfahrin einer Lehrerdynastie und als stets rechthabender Richterin scheinen ihr Kraftausdrücke aus dem Erfahrungshorizont entschwunden zu sein, weshalb sie denn auch behaupten konnte, so etwas wie Ihr Ausspruch, sehr geehrte Frau Dr. Krisper, sei ihr im ganzen Leben nicht untergekommen – auch noch etwas anderes ein Anliegen sein. Und zwar das Recht, beiseite zu sprechen bzw. wenn Sie so wollen, beiseite zu fluchen, beiseite zu spotten oder zu schimpfen wie es auch ein Josef Geisler getan hat, und dabei nicht gefilmt, aufgenommen oder im Falle nicht abgeschalteter Mikrofone abgeurteilt zu werden, als hätte man eine Rede vor einer qualifizierten Öffentlichkeit gehalten.

Alles sagen zu dürfen – dieses Recht, das ja sinnvollerweise für Abgeordnete gilt und derzeit offenbar überhaupt keine Rolle mehr zu spielen scheint, ist nämlich nicht nur ein Schutz der Meinungsfreiheit vor autoritären Übergriffen von oben. Es verhindert auch, gleichsam unbeabsichtigt, dass nur noch Damen und Herren von unten zu Volksvertretern und Politikern aufrücken, deren geistiges und emotionales Innenleben solchermaßen öd und leer ist, dass ihnen weder Oasch- noch Ludersager über die Lippen kommen. Oder die, was noch viel gefährlicher wäre, derart bis in ihre Grundfesten verlogene Marketingmaschinen sind, dass sie stets am richtigen Platz zur richtigen Zeit die gerade richtigen Phrasen dreschen. Ehrlich gesagt, ich möchte weder von den einen noch von den anderen politisch vertreten oder regiert werden. Ich möchte an der Spitze des Staates Damen und Herren, die wie ich selbst ein Leben lang mit ihren Emotionen und mit dem Ziel, das richtige Maß im Leben zu finden, zu kämpfen haben. Nur von solchen Menschen geht die geringere Gefahr aus, die heute von allen Seiten her droht, nämlich Opfer von Narzisstinnen und Narzissten zu werden, die die Moral zu ihrer billigen Profilierung missbrauchen und denen jede sinnliche Entgrenzung die schlimmere Todsünde zu sein scheint als sie es zu Zeiten intakten kirchlichen Gesinnungsterrors war. Damals gab es immerhin noch die Möglichkeit zu beichten! Und die Möglichkeit, nach der Absolution befreit von Sünde ins Leben zurückzukehren. Die säkularen Priester von Heute verzeihen nichts!

Daher meinen herzlichen Dank und meinen Respekt. Lassen Sie sich noch viele „am Oasch gehen“.

Alois Schöpf

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Rinaldo

    Lieber Herr Schöpf,
    wie befürchtet – ich kanns nicht lassen, mit Bewunderung und Dank für diesen treffenden Artikel, vielleicht haben Sie einige Minuten Zeit, ein wenig zum Schmunzeln: Man(n), besonders der weiß(e)haarige kann, wenn er genauer hinschaut und hinhört, schon seit längerer Zeit feststellen, dass sich die Geschlechter – leider nicht immer zum Vorteil des sogenannten „Schwächeren“ – in ihren Verhaltens- und Ausdrucksweisen immer mehr angleichen.
    Das fängt beim „Vogelzeigen“ an, wenn man sich an eine Geschwindigkeitsbegrenzung hält, bis hin zur zitierten Ausdrucksweise. Sogar der Friseur hat seine Preise für den Herrenhaarschnitt an den für Damen angepasst.
    Wahrscheinlich liegt es auch am „weißen“ Alter, dass man(n) es eher leichter erträgt, von einem Mann als von einer Frau mit „du Oasch“ beschimpft zu werden. Das zumindest früher, oft besonders an Frauen bewunderte Geschick und die Art der Beeinflussung, deren Ausdrucksweise, sowie ihre Fähigkeiten in der Bewältigung von kritischen Situationen verschwinden
    halt zusehends, wie vieles andere, woran man sich wird gewöhnen müssen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Rinaldo

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