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Andreas Niedermann
Die Knallbar Diaries
Folge 4
Das Kreuz verrissen, heute morgen.

Lev-André Knallbar, ein nach seinen Angaben sich redlich mühender, aber erfolgloser Autor, landet wider aller Erwartungen und nach zig Ablehnungen von Verlagen einen Mega-Seller (so nach dem Hergang von „Schlafes Bruder“). Titel: Verreckt


Das Kreuz verrissen, heute morgen. In der Schwangerschaftsgymnastik. Keine Ahnung, wie das geschehen konnte. Einige Ladies haben gekichert, andere machten besorgte Gesichter. Ich konnte sie alle beruhigen: Nichts ernstes.

Mein Buckel ist gestählt von all den fuckin’ Jobs, die ich machen musste, als ich noch ein armer Niemand und ein Arschloch war. Jetzt bin ich nur noch ein Arschloch, aber das fällt kaum jemandem auf. Auf Grund meines Bestsellers bin ich auch ohne Schwierigkeiten in diese Kiste mit den Schwangeren gekommen. Recherche, you know, für meinen neuen Roman!

Ich mag Schwangere, seh ihnen gerne zu, wie sie im Turnzeug ihre trägen Glieder verrenken. Sexy. Aber was noch viel wichtiger ist: Sie verströmen Hoffnung. Das Leben geht weiter. Wie ein gedünsteter Blumenkohl mit Butterbröseln.

Ihre Typen sind die typischen Mittelstands-Loser. Unschwer zu erkennen, dass sie bei den Ladies nie mehr was zu melden haben, sobald das Kleine da ist. Sie sitzen an der Wand entlang und unterhalten sich leise. Man hört immer wieder das Wort Kreativität. Die Losung der Loser.

Kreativität ist Nichts. Zumindest nicht diejenige, die sie meinen. Ist alles nur Gequatsche. Das einzige, was wirklich wichtig ist (abgesehen von einem fetten Kontostand), ist Antizipation. Kack auf Kreativität. Voraussicht, das isses! Wie George Foreman, der gegen Gegner boxte, die halb so alt waren wie er. George wusste, welchen Schlag der Junge abfeuern würde, bevor der es wusste. Und schon hatte er den Konter drin.

Aber so schwallen die Typen über Kreativität und antizipieren nicht, dass bald ein Paradigmenwechsel vonstatten geht. Na ja.

Warf meinem Lieblingsbettler heute nur einen Euro in den Becher. Seine Zahnstummel, die er mir beim Zwani vorgestern fast alle hergezeigt hatte, blieben heute bedeckt. Er war beleidigt.

In den nächsten Tagen werde ich ihm einen Huni in seinen schimmligen Pappbecher stopfen. Da werde ich dann Gelegenheit haben, all seine Stummel zu zählen.

Heute morgen wieder mal einkaufen gegangen. Ein Haufen alter Leute in Panik, die dich an der Kasse mit ihren Einkaufswagen anrempeln und versuchen, dich vorwärts zu schieben. Die machen mir Angst. Weil sie nicht wissen, wer ich bin.

Die lesen keine Bücher mehr. Noch schlimmer: Die kaufen keine mehr. Da müsste mal jemand was dagegen tun. Werde mir den Einkauf von Amazon liefern lassen. Die Scheiße tu ich mir nicht mehr an.

Die Geschichte von Hans und dem Schimpansen beschäftigt mich. Hab ein bisschen was notiert. Der Roman ruht. Verleger Moss ruft an und erzählt mir, dass T. sich bei ihm über mich beschwert hat. Er habe noch nie einen solch unsensiblen Menschen wie mich getroffen. Geradezu herzlos.

Tolles Kompliment. Zumindest aus dem Mund von T.

Mein Sohn kommt aus der Schule. Er hat Schwierigkeiten mit dem Englischlehrer. Ich höre ihm zu, bis nichts mehr an Ärger in ihm drin ist. Mir fällt sonst nichts ein. Aber er kriegt das schon gebacken. Schule ist Scheiße. Das war schon zu meiner Zeit so.

Hab meinen Kontostand gecheckt. Ich kann’s kaum glauben, so schön ist der Anblick.

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Andreas Niedermann

Andreas Niedermann, 1956 in Basel geboren. Nach einer Laborantenlehre einige Jahre in Europa unterwegs. Informelle Ausbildung zum Schriftsteller in genau 50 ausgeübten Berufen. U.a. als Steinbrecher, Alphirte, Kranführer, Kinobetreiber, Krafttrainer, Koch und Theatertechniker. Seit 1989 mit Familie in Wien lebend. Gründete 2004 den Songdog Verlag. Publizierte einige Romane, Storybände und Novellen. Zuletzt „Blumberg 2 (Die Wachswalze)“ bei Edition BAES.

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