So geht es nicht weiter!

Ja, Frau Köstinger! Fleischkonzerne wie Tönnies gibt es bei uns nicht! Zumindest nicht in dieser Größe. Das Problem selbst existiert aber sehr wohl! Fast als unser aller Problem. Leider auch als meines! Weil wir auf unserem Schnitzel bestehen. Aber nicht wissen wollen, wie es hergestellt wird. Schon das ist blanker Zynismus im Hinblick auf ein lebendes, fühlendes und wahrscheinlich mit Bewusstsein ausgestattetes Lebewesen. Unter welch tierquälerischen Verhältnissen es aufwächst – interessiert uns nicht. Wie es geschlachtet wird – interessiert uns nicht. Wer es schlachtet – interessiert uns nicht. Hauptsache unsere hedonistische Gier nach Fleisch wird hygienisch unbedenklich und billig befriedigt!

Aber „Tönnies“ ist nicht nur ein persönliches Problem. Tönnies erzwingt neben dem Tierschutz vor allem im Hinblick auf die Arbeits- und Wohnverhältnisse von siebentausend Beschäftigten die Frage: Wozu gibt es eigentlich Gewerkschaften? Und wozu gibt es eine Sozialdemokratie, ursprünglich als Arbeiterpartei gegründet? Und wozu gibt es Unternehmerverbände, die sich noch lange antiquierte Kapitalismuskritik gefallen lassen müssen, wenn sie sich nicht von Betrieben distanzieren, die durch Massenunterkünfte und ausbeuterische Leiharbeiter-Werkverträge an moderne Sklaverei erinnern?

Man muss der Corona-Pandemie geradezu dankbar sein, dass durch sie zumindest solche Eiterbeulen aufplatzen!

Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Klaus Marchesani

    Sehr geehrter Herr Schöpf!
    Ihre Meinung in „Apropos“ am 27.6.2020 zu den Fleischkonzernen ist eine Meisterleistung für Qualitätsjournalismus, dem ich voll und ganz zustimme. Ich wollte Sie höflich fragen, ob ich Ihren Artikel der von mir abonnierten Tageszeitung „Die Presse“ zukommen lassen kann. Als in Wien lebender Innsbrucker lese ich auch immer wieder die Tiroler Tageszeitung, um über mein Heimatland am Laufenden zu sein.
    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Klaus Marchesani

  2. Otto Praxmarer

    Lieber Herr Schöpf,
    gratuliere zu diesem perfekten Artikel bezüglich Tönnies usw., wobei
    sie die Probleme genauestens getroffen haben, die nicht oft genug erwähnt
    werden können. Danke !

    mit freundlichen Grüßen

    Otto Praxmarer

  3. Alois Schöpf

    Sehr geehrter Herr Schöpf!
    Wieder einmal ein großes DANKE für Ihr „Apropos“ auf Seite 4 der TT vom 27.06.2020 im Zusammenhang mit dem Fleischkonzern TÖNNIES!!!!
    Für mich als Tierfreundin vor allem über Ihre Bemerkungen zur tierquälerischen Haltung der armen Schlachttiere.
    Aber auch über Ihre Meinung zur (de facto nicht vorhandenen) Rolle der Gewerkschaften und der Sozialdemokratie als auch der Unternehmensvertreter.
    Freundliche Grüße!
    Mag. Johanna ROTTER

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