Elias Schneitter
Neonazis und Holocaust-Leugner

Kürzlich ist ein Briefwechsel zwischen dem von mir geschätzten jüdischen und linken Dichter Erich Fried und dem verurteilten Neonazi und Holocaust-Leugner Michael Kühnen öffentlich gemacht worden. Thomas Wagner hat darüber das Buch „Der Dichter und der Neonazi“ publiziert.

Fried, dessen halbe Familie Opfer des Holocaust wurde, der das Dritte Reich nur durch Flucht überlebte, und Kühnen wurden in den 1980-er Jahren zu einer Talkshow eingeladen, wo der Neonazi und besessene Hitlerverehrer aber in letzter Minute wieder ausgeladen wurde. Man wollte ihm keine breite Öffentlichkeit für seine Wahnideen bieten. Gegen diese Ausladung hat sich Fried ausgesprochen. Er war der Ansicht, dass man sich als Antifaschist moralisch nicht besser fühlen darf als Andersdenkende. Fried hat sich damals auch ganz explizit gegen den damals gängigen Slogan „Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft.“ gewendet.

Nach der Fernsehdiskussion sind die beiden miteinander in Verbindung getreten, in Briefen, Telefonaten, und Fried hat Kühnen auch im Gefängnis besucht, wo Kühnen seine Ansichten über die systematische Ausrottung der Juden darlegte und die „Endlösung“ bestritt.

Fried versuchte auf väterliche Art Kühnen von seiner Ideologie abzubringen: „Michael, deine Auffassungen sind die eines Menschen, der zu wenig Liebe und Wärme gehabt hat.“ Kühnen war diese Gutmenschenpsychologie ein Graus. Bereut hat er nichts. Er blieb seiner Ideologie felsenfest bis zu seinem frühen Tod treu.

Für mich sind Neonazis Menschen, die Andersdenkende als unwert betrachten und vernichten wollen. Wie man gegen diese Wahnsinnigen vorgehen soll, weiß ich nicht. Ausgrenzung? Verbannung? Inhaftierung? Aufklärung? Jedenfalls scheint der Weg, den Erich Fried gewählt hat, nicht zielführend zu sein.

Die entscheidende Frage, die ich einem Holocaust-Leugner stellen würde, lautet: „Was ist, wenn es sich beim Holocaust nicht um eine „Geschichtslüge, sondern um die Wahrheit handelt?“ Ich fürchte, ich kenne die Antwort. Sie würde erst wieder heißen, dass das jüdische, linke, schwule etc. Gesindel vernichtet gehört.

Thomas Wagner, „Der Dichter und der Neonazi“, Klett Cotta 20 21,176 Seiten, ISBN: 978-3-608-98357-9

Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) bis 2023 in Hall, seit 2024 in Kufstein.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Peter+Kraiser

    ……. da fällt mir ein oft zitierter Spruch von meinem Geschichtslehrer ein der lautete: Das einzige was der Mensch aus der Geschichte lernt, ist, dass er nichts daraus lernt.

Schreibe einen Kommentar