Werner Schandor
Heimat bist du fünf Geschlechter.
Wann werden sie endlich
in der Bundeshymne berücksichtigt?
Realsatire
Auf Österreichs Meldezettel kann man zwischen fünf Geschlechtern wählen, deren Häufigkeit aber, wenn sie von männlich und weiblich abweichen, aus Datenschutzgründen niemand wissen darf. Wann werden sie endlich in der Bundeshymne berücksichtigt?
Wer nach 2023 einen Meldezettel auszufüllen hatte, wunderte sich darüber, dass auf dem Formular fünf Geschlechtsoptionen zur Auswahl bereitstehen, nämlich: männlich, weiblich, divers, inter und offen. In der steirischen Landeshauptstadt beispielsweise gab es dazu etliche erstaunte Anfragen ans Magistrat Graz, und diese wurden mit der Auskunft beantwortet, dass es sich mitnichten um eine Vorgabe der kommunistisch-grün regierten Stadt handelt, sondern dass der Gesetzgeber allen Gemeinden in Österreich jene Optionen vorschreibt, die in der Rubrik Geschlecht auf dem Meldezettel zu stehen hätten.
Und das sind seit Anfang 2023 die genannten fünf – plus eine weitere, doch dazu später. Ob die gewählte Geschlechtsangabe über den Meldezettel hinaus für alle amtlichen Dokumente der Republik gilt, also auch Reisepass, Identitätsausweis, Führerschein und Co., entzieht sich meiner Kenntnis, wäre aber nur konsequent.
Das Recht auf Beschwerde
Die Geschichte dahinter: 2016 erreichte den Verfassungsgerichtshof die Beschwerde einer intersexuellen Person, dass es unzumutbar für sie sei, dass auf amtlichen Formularen nur die Geschlechtsoptionen männlich und weiblich zur Verfügung stünden. Sie würde sich in keiner der beiden Kategorien wiederfinden.
Dieser Beschwerde wurde – nach deutschem Vorbild aus dem Jahr 2017 – am 15. Juni 2018 Folge geleistet. Das Hohe Gericht entschied, dass intersexuelle Personen ein Recht auf individuelle Geschlechtsidentität und eine ihrer Geschlechtlichkeit entsprechende Eintragung im Personenstandsregister haben.
Der VGH konnte sich aber nicht zur Festlegung durchringen, welche dritte Option dabei zur Verfügung gestellt werden sollte, und ließ die von der beigezogenen Bioethikkommission ins Treffen geführten Bezeichnungen divers, inter und offen für eine spätere Festlegung offen.
Der Justizelefant kreißte
Der Akt wurde danach in der österreichischen Justiz hin und her gewälzt, und nach langem Kreißen gebar der Justizelefant ein Mäuschen: Die salomonische Scheinlösung bestand 2022 darin, dass man sich nicht für eine der drei vom VGH genannten Optionen entschied, sondern bestimmte, dass alle drei Geschlechtsidentitäten jenseits der biologischen Kategorien männlich und weiblich ebenfalls zur Verfügung gestellt werden müssen.
Und so hat man seit 2023 die Wahl zwischen männlich, weiblich, divers, inter und offen, wenn man einen Meldezettel ausfüllt. Da aber so viel Auswahlmöglichkeit tatsächlich kirre in der Birne machen kann, steht (sofern nicht zutreffend) auch noch keine Angabe als sechstes Kästchen zum Ankreuzen zur Verfügung, was das Ganze in die Absurdität abgleiten lässt.
So weit, so lustig
Nicht mitbedacht haben die zahlreich damit befassten Experten und Expertinnen offensichtlich die Frage, wie sich das Ganze auf die Einwohnerstatistik einer Gemeinde auswirkt – vor allem von größeren Städten, denn andernorts wird man vermutlich selten bis nie von den über männlich und weiblich hinausreichenden Möglichkeiten der Selbstdefinition Gebrauch machen. Ich habe mir interessehalber angeschaut, wie es mit den verschiedenen Geschlechtsidentitäten in meiner Heimatstadt Graz ausschaut – und bin dabei auf einen recht verwunderlichen Hinweis gestoßen.
Der verwunderliche Hinweis
In Graz leben (Stand 1.1.2025) 306.068 Menschen. Davon sind 151.303 Männer und 154.760 Frauen. Und der Rest? – Geschlechter, die nicht männlich oder weiblich sind, werden aus Datenschutzgründen nicht ausgewiesen, heißt es auf der Website der Stadt Graz unter der Statistik.
Es ist interessant, dass eine ohnehin völlig anonymisierte kumulierte Zahl aus Datenschutzgründen nicht angegeben werden kann. Vielleicht besteht der Datenschutz in diesem Fall vor allem darin, die Dummheit der Justiz nicht zu offenbaren. Denn, wenn man folgende einfache Rechnung anstellt:
306.068 (Einwohner von Graz)
minus 151.303 (Männer)
minus 154.760 (Frauen),
dann kommt man zum Ergebnis: 5.
In Worten: Fünf der dreihundertsechstausendachtundsechzig Einwohner von Graz sehen sich weder als Mann noch als Frau. Und für diese fünf Personen gibt es am Meldezettel ganze vier Auswahlmöglichkeiten. Während für die 306.063 anderen die verbleibenden zwei Optionen völlig ausreichen.
Es ist schön, dass die fünf Betroffenen in Graz diese Möglichkeit haben, aber ich sehe förmlich vor mir, wie die Statistiker anlässlich solcher Zahlen veritablen Nervenzusammenbrüchen nahe sind.
Denn wie soll man etwa in einem Säulendiagramm sinnvoll abbilden, dass vier der sechs Kategorien (divers/inter/offen/keine Angabe) um mindestens den Faktor 30.000 kleiner sind als die anderen beiden? Oder wie ein Tortendiagramm abbilden, wo sich der Fuzzi-0,061 %-Anteil von divers/inter/offen/keine Angabe zwischen die beiden 49,43 %- bzw. 50,56 %-Kuchenstücke von männlich und weiblich zwängt? – Dann lieber Datenschutzgründe in Stellung bringen.
Strenger Datenschutz
Der Datenschutz scheint diesbezüglich so streng zu sein, dass die Zahlen der weder männlichen noch weiblichen Einwohner von Graz und anderer Gemeinden nicht einmal an die Statistik Austria weitergereicht werden. Denn dort tauchen die Inter, Divers und Offenen unter den 9,197.213 gemeldeten österreichischen Einwohnern vom 1.1.2025 genau mit Null auf. Zumindest ergibt es null, wenn man die 4,532.880 Männer und die 4,664.333 Frauen von der Gesamtzahl der Einwohner Österreichs abzieht. Da soll sich noch einer auskennen.
Vielleicht wird die in die Amtszeit von Alma Rainbow Zadić fallende ziemlich sinnfreie Diversifizierung der dritten Geschlechtsoption in vier Unterkategorien gesetzlich irgendwann einmal repariert und der Einfachheit halber auf eine dritte (statistisch ebenso irrelevant bleibende) Option eingedampft, sollte in absehbarer Zeit in dieser Frage die Vernunft die Oberhand gewinnen.
Ungeahnte Möglichkeiten
Eine andere schöne Möglichkeit tut sich durch die gegenwärtige offizielle Geschlechtervielfalt aber an anderer Stelle auf. Man könnte nämlich die doch recht holprige Zeile Heimat bis du großer Töchter Söhne im 2012 so fixierten, offiziellen Wortlaut unserer Bundeshymne ersetzen durch Heimat bist du fünf Geschlechter. Das lässt sich viel besser singen, ist grammatikalisch gleich holpertatschig wie die jetzige Fassung (entspricht also dem Sprachgefühl der Abgeordneten) und löst zudem die dringend notwendige Berücksichtigung der Diversen, Inters und Nonbinären in der Hymne ein.
Dass sich Heimat bist du fünf Geschlechter nicht unbedingt auf die Folgezeile Volk begnadet für das Schöne reimt, stimmt natürlich. Aber es wird sich sicher ein Ausschuss oder eine Arbeitsgruppe im Nationalrat einrichten lassen, der oder die sich der Lösung dieses brennenden Problems annimmt.
Zur Not zieht man einfach eine Expertenkommission hinzu, und nach kurzweiliger mehrjähriger Beratung wird sich ganz bestimmt wieder ein originelles Ergebnis in einen Parlamentsbeschluss gießen lassen.
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