Walter Plasil
Wie umgehen mit den Rechts-Rechten?
Über die Pflichten von Demokraten
Essay
Die Demokratie hat einen offensichtlichen Webfehler. Diese Lücke im Gewebe wird sichtbar, wenn es von agierenden demokratischen Parteien verabsäumt wird, jene Parteien vom Wahlantritt zeitgerecht und juristisch sauber begründet fernzuhalten, die in ihren Aktivitäten und im Programm demokratiegefährdende Absichten erkennen lassen.
Gelingt das nicht, etwa, weil die Abwehr der Demokraten zu zögerlich und am Ende erfolglos ist, entsteht eine Situation, die es politischen Kräften unwidersprochen ermöglicht, mittels gesetzlich gedeckter Methoden zu Mehrheiten zu kommen, mit deren Macht sie dann die Demokratie schwächen oder gar beseitigen können.
Die geltenden demokratischen Regeln, die in der Verfassung und den Gesetzen grundgelegt sind, sind eindeutig. Es ist eben verboten, Aktivitäten zu setzen, um das demokratische Systemgerüst, für das Jahrhunderte lang gekämpft wurde, anzugreifen.
Aktuell droht diese Gefahr nicht von Links. In Europa jedenfalls ist die Lage klar. Also müssen wir uns die Frage stellen: Wie können diese speziellen Rechten, denen man schon einiges an Demokratie-Attacken nachweisen kann, gestoppt werden?
In der Diktion dieser Rechten, die ihre politischen Gegner gerne die Links-Linken nennen, könnte man im Umkehrschluss zurecht von den Rechts-Rechten reden. Unter diesem Titel ist im vorliegenden Text jene inhomogene Wählergruppe gemeint, die sich Parteien gegenüber zustimmend verhält, die am Rechten Rand angesiedelt sind und von sich auch nicht bestreiten, dort beheimatet zu sein. Die FPÖ und die AfD können über weite Strecken als Synonym für die Rechten am rechten Rand oder die Rechts-Rechten gelten.
In vielen Ländern zeigt sich, dass die Rechts-Rechten bei demokratischen Wahlen steigende Zustimmung erfahren.
Die Gründe dafür haarklein darstellen zu wollen, ist hier nicht die Absicht. Aber das Wesentliche muss genannt werden. Wie zeigen sich die Rechts-Rechten in der Öffentlichkeit?
Die markanten Auftritte von Rechts-Rechts in Europa ähneln sich in Form und Inhalt. Sie sind zum Erkennungsmerkmal geworden. So werden politisch Andersdenkende als Leute dargestellt, die im Rang von Volksverrätern stehen. Kritischer Journalismus wird als Lügenpresse tituliert. Von bestimmten Gesetzen und Regeln im demokratischen Sozialstaat wird behauptet, das Volk leide darunter. Unliebsame Gerichtsentscheide werden als Fehlurteile bezeichnet. Gesetzesverstöße von Rechts-Rechten werden hingegen als Einzelfälle verharmlost.
In Auftritt und Programm behaupten die Rechts-Rechten, für die Menschen (gemeint sind da wohl alle!) zu sprechen. Es brauche eine Abkehr von Ideologie und Radikalismus (der Links-Linken). Außerdem müsse der Staatsapparat verschlankt und die Steuern gesenkt werden, damit der Brave und Fleißige mehr Geld in der Tasche hat. Und genau das werde von den Rechten im Stil von Robin Hood in die Wege geleitet.
Die Verursacher, die für alles Böse die Verantwortung tragen, seien die kriminellen Ausländer, die Systemparteien (das sind alle anderen, außer sie selbst), vor allem aber die Links-Linken. Sogar die Sozialdemokraten werden so bezeichnet! Weitere Totengräber des Staates seien die (kritischen) Journalisten, die Medien und die Europäische Union sowieso.
Dann werden noch die Schwachen in der Gesellschaft attackiert, die staatliche Hilfe zum Überleben brauchen. Die werden pauschal zu arbeitsunwilligen Sozialschmarotzern herabgewürdigt, die auf Kosten der fleißigen Österreicher leben.
Menschen mit Empathie für Arme, für Geflüchtete oder Menschen, die für ein stabiles Sozialsystem eintreten, werden Gutmenschen genannt und es wird ihnen Naivität unterstellt.
Anmerkung: Wer andere als Gutmenschen herabwürdigt, wäre demnach selbst ein Bösmensch. Alles, was aus dem Ausland kommt, also auch von der EU, ist des Teufels. Der Blick über den Tellerrand führt bei den Rechts-Rechten dazu, dass sie sich in einer Festung verbarrikadieren möchten.
Demokraten differenzieren gerne.
Vielleicht ist das ein Fehler, wenn man zu viel Angst davor hat, zu undifferenziert gegen Rechts-Rechte vorzugehen.
Manche sagen dann, es sei doch das Recht jedes Menschen, zu denken, was er (sie) mag. Außerdem bestehe Meinungsfreiheit. Es sei auch nicht verboten, sich in politischen Organisationen zusammenzuschließen. Schließlich sind es am Ende nur die Parteien, die den Staat tragen. Und die Rechts-Rechten seien Parteien, wie die andern auch.
Warum soll man also – die entsprechenden Mehrheiten vorausgesetzt – die Rechtsrechten nicht auch regieren lassen? Vielleicht werden sie dadurch entzaubert. Das sei die einzige Möglichkeit zu demonstrieren, dass diese Leute die Weisheit auch nicht mit dem Löffel gefressen haben. Und die Rechts-Rechten selbst, die bestreiten ohnehin all die Vorwürfe, von denen zuvor die Rede war. Sie sagen, so sind wir nicht, und bringen Einzelbeispiele dafür.
Ja, man muss in bestimmten Punkten differenzieren. Die Reinform der Rechts-Rechten kommt bei Themen und Meinungen von Einzelpersonen ebenso selten vor, wie jene bei den Links-Linken. Den jeweiligen kompletten Urtyp, dargestellt von bestimmten Menschen, wird es kaum geben.
Aber was hier mit Rechts-Rechts gemeint ist, ist ein eher Rechts-Rechts oder ein sehr starkes Rechts-Rechts. Die Beschreibung eines (eher) rechten Archetyps mit Anfälligkeit zum Rechtsradikalismus könnte man auch so fassen:
eher Bierzelt statt Kulturbuntheit
eher Provinzialismus statt Internationalismus
eher ländlich als städtisch
eher Nationalist als Kosmopolit
eher Glauben statt Wissenschaft
eher Vater-Mutter-Kind als Geschlechter- und Beziehungsvielfalt
eher Retro statt Modernität
eher Hetero statt Gender und Geschlechtervielfalt
eher Meinungsmonopol statt Meinungsvielfalt und Kompromiss
eher ein starker politischer Führer als die mühsame Demokratie
Gefahren
Alle Rechtsaußen-Parteien sind an ihren Mustern zu erkennen. Und die sind alles andere als harmlos. Als wichtigste Punkte bei der Umsetzung ihres Strebens zur Macht verfolgen sie ein eigentlich durchschaubares Konzept. Man kennt es auch aus der jüngeren Zeitgeschichte.
Zuerst die kritische Presse, den kritischen Journalismus in Misskredit bringen, dann versuchen, die Kritiker loszuwerden, um beides selbst zu übernehmen. (Kauf von Zeitungen, Privatsender)
Mit Fakenews die Öffentlichkeit verunsichern, um den Leuten einzureden, dass hier Ordnung gemacht werden muss. Ausländer raus und arbeitsscheue Individuen, die von den Braven und Fleißigen finanziert werden, vom Sozialsystem ausschließen. (Siehe Bierzeltauftritte)
Ist das Terrain aufbereitet, folgen Versuche, politische Macht über das Innenressort (Polizei) und das Verteidigungsministerium (Militär) zu erlangen.
Als nächstes ist die Justiz an der Reihe. Sobald es möglich wird, werden auch die Gesetze Zug um Zug so geändert, so dass Demokratie geschwächt, Führerfiguren eingesetzt werden und Politjustiz ermöglicht wird.
Es folgen Aktivitäten, damit Andersdenkende mit unterschiedlichen Methoden zum Schweigen gebracht werden. Ziel ist die Erreichung der umfassenden Meinungshoheit.
Kampf gegen „Rechts-Rechts“
Es ist also die Frage, was zu tun wäre, um dabei nicht als Zuseher zu enden, wenn diese Art von Rechten zu parlamentarischen Mehrheiten kommen. Wahrscheinlich hilft nur, reden mit anderen, argumentieren, überall, immer wieder, im Freundes- und Bekanntenkreis und in der Öffentlichkeit. Auch demonstrieren und sich nicht zu gut dafür zu sein, auf die Straße zu gehen.
Den Erzählungen der Rechts-Rechten mit Fakten begegnen. Immer und immer wieder. Fake-News aufdecken, immer und immer wieder.
Dann müssen wir den Nichtwählern die Konsequenzen ihres Tuns mehr vor Augen führen. Man trifft immer wieder auf Menschen, die über die herrschenden Zustände jammern, erkennen aber nicht, dass für diese Zustände eigentlich die Rechten Parteien verantwortlich sind. Zur Wahl gehen diese Leute aber nicht. Stattdessen reden sie den immer gleichen Unsinn. Nämlich den, dass man ja als Einzelner ohnehin nichts ändern könne und die Politiker alle korrupt seien.
Demokraten müssen darauf hinweisen, dass es eben weltweit kein System gibt, das von Rechts-Rechten geführt wird, und in dem zugleich Bürger alle demokratischen Rechte und Freiheiten genießen. Rechts-Rechts und eine liberale, soziale Demokratie sind eben Gegensatzpaare.
Längst ist stetige Gegenwehr unumgänglich. Verteidigung der freien Meinungsäußerung, des freien Journalismus, der freien Presse und der freien öffentlichen Medien ist zur demokratischen Pflicht geworden. Das ist harte Arbeit, aber sie lohnt sich.
Es geht auch darum die Parteien der Linken und der Bürgerlichen bei den Aktivitäten der Abwehr der Rechtslastigkeit zu unterstützen und als Person im eigenen Umfeld, im Hinblick auf die immer dringender werdende Verteidigung der Demokratie Verantwortung zu übernehmen.
Das alles ist und wird mühsam bleiben, denn die Institutionen, die eine Massenverbreitung haben (Medien, Presse) machen dabei nur schaumgebremst, wenn überhaupt mit. Man ist versucht zu sagen, jeder muss halt in seinem Umfeld ständig daran arbeiten, Unsinn zu bekämpfen.
Die Parteien allein, die nicht in die rechte Ecke gehören, und die damit große Mühe haben, das rechte Geschwafel zu entkleiden, können sich nicht ausreichend Gehör verschaffen, vielleicht, weil sie am Medienklavier zu unmusikalisch spielen.
Als kritischer Bürger, der eben auch die Aufgabe hat, die geltenden Grundsätze des Staates zu wahren und zu schützen, ist man zudem gut beraten, etwas genauer hinzusehen und hinzuhören. Alles, was man da von rechts vernimmt, muss ernst genommen werden. Wer meint, dass das dann später nicht so wörtlich genommen werden wird, der oder die irrt.
Es macht nachdenklich, wenn große Teile einer Partei (AfD) zum Beispiel von deutschen Verfassungsschützern als gesichert rechtsextrem bezeichnet werden. Man hat das zwar festgestellt, aber danach geschieht offenbar nichts. Wer versteht das noch?
Was gar nicht geht: Intellektuell hochnotpeinlich ist die Anbiederung an die Rechts-Rechten oder das Kleinreden von deren Gefährlichkeit.
Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.
Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen
