Walter Plasil
Stolpersteine verboten!
Was ist da los in Innsbruck?
Notizen

In Zeiten historischen Gedenkens werden Reden geschwungen, nachdenkliche Beiträge geschrieben und Veranstaltungen abgehalten. Es wird der Zeit gedacht, in der die Nazis gewütet haben, was unzähligen Menschen das Leben gekostet hat.

Das ist gut so, birgt aber die Gefahr in sich, dass am Ende all dieser Reden und Veranstaltungen das Thema wieder schnell in Vergessenheit gerät.

Aktuell gibt es in Innsbrucks Gedenkformen die Zeitpunkte

Das sind kleine Messingscheiben mit 70 mm Durchmesser, die auf verzinkten Laternenmasten mit Metallspannband (wie die Zeitungsentnahmetaschen) befestigt sind. Wie viele es von diesen Scheibchen gibt, ist nicht ermittelbar. Am Scheibchen steht ganz klein ein Name, und man kann einen QR-Code abnehmen.

Die Kosten dafür betrugen 100.000,-€. Montage und Wartung mussten die IKB übernehmen. Als Anmerkung dazu stelle ich die Frage, wer aus dem Kreis der Leser dieser Zeilen so ein Ding jemals zu Gesicht bekommen hat, und wer davon den QR-Code aufs Handy geladen hat.

Dann gibt es noch die Gedenk-Potentiale

Das sind jährlich ein Mal stattfindende Gedenkprojekte. Man kann sich dazu mit einer Idee bewerben, die dann mit 20.000,- € gefördert wird.

Mahnmal Lager Reichenau

Seit Jahren wird an einer würdigen Gedenkstätte für die Insassen des Lagers gearbeitet. Das noch nicht umgesetzte Projekt soll 1.278.000,-€ kosten. Der Baubeginn soll dieser Tage erfolgen.


Stolpersteine

Einer Gruppe von Leuten, die beantragt hatten, auch in Innsbruck Stolpersteine verlegen zu dürfen, wurde bedeutet, Stolpersteine seien überholt, und deswegen würden sie nicht genehmigt.

Das klingt verwunderlich, wo doch seit Jahrzehnten und immer noch laufend in 32 europäischen Ländern solche Stolpersteine mit großem Erfolg und viel Beachtung verlegt werden. 2023 etwa wurde in Nürnberg der 100.000-ste Stolperstein versetzt. Dieses Erfolgsprojekt wird auch in 7 österreichischen Bundesländern für gut befunden. In Salzburg gibt es beispielsweise 452, in Niederösterreich 171 und in der Steiermark über 100 Stolpersteine.
Selbst in Tirol gibt es mittlerweile etliche. Axams-3, Birgitz-1, Zell/Ziller-2, Wattens-7, Götzens-1, Leisach-1. In Innsbruck hingegen-0.

Stolpersteine kosten die Stadt Innsbruck nichts. Sie werden über Spenden finanziert. Auch die Instandhaltung wird von privaten Stolpersteinvereinen garantiert. Die anderen, der aktuell in Innsbruck stattfindenden Gedenkformen sind hingegen kostenintensiv.

Stolpersteine sind ganzjährig funktionierende kleine Hinweise, die auffallen und im Gedächtnis bleiben. Andere Gedenkformen geraten nach kurzem medialen Rummel wieder schnell in Vergessenheit.

Einem Nachkommen des in Mauthausen ermordeten Innsbrucker Polizisten Luis Lechner wurde seitens der Bundespolizeidirektion Innsbruck die Verlegung eines Stolpersteins auf dem Grund der Polizeidirektion verwehrt. Es gäbe ohnehin im Haus eine Tafel mit Namen zum Gedenken, wurde ihm beschieden.

Dr. Harald Büchele wird es seit Jahren verwehrt, einen (bereits angefertigten) Stolperstein zum Gedenken an den früher in seinem Wohnhaus beheimateten NS-Opfers Alfred Graubart verlegen zu dürfen.Bei Büchele liegt der Stolperstein zu Hause am Fensterbrett. Er übernahm wegen der hier verbotenen Situation vor wenigen Tagen die Patenschaft eines neu versetzten Stolpersteins in Salzburg. Die Aktion fand medial Beachtung. 

Man registrierte in Salzburg verwundert die Rückständigkeit und Ignoranz der Administration von Innsbruck, die dazu führt, dass man eine der wirksamsten und finanziell effizientesten Gedenkformen einfach ungenutzt lässt.

Ein Neustart im Denken und Gedenken ist also in Innsbruck dringend notwend.

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Walter Plasil

Walter Plasil, Jahrgang 1946, geboren in München, aufgewachsen in Wien, seit 1971 in Innsbruck. Führte viele Jahre das INGENIEURBÜRO WALTER PLASIL für Technische Gebäudeausrüstung und Energieplanung und war als Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger tätig. Walter Plasil: „Ich war immer ein Vielschreiber und habe nun, nachdem meine bisherige Tätigkeit dem Ende zugeht, Zeit und Lust dazu, auch zu veröffentlichen. Mein neuer Beruf daher: „Literat.“

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Helmut Schiestl

    Ich war kürzlich in Salzburg und bin dort über einige der dort verlegten Stolpersteine „gestolpert“, nicht jetzt im Sinne von stolpern und hinfallen, sondern eben zur Aufmerksamkeit auf das am Boden eingelassene kleine Messingtäfelchen. Mir ist dabei allerdings aufgefallen, dass die Schrift darauf zum Teil schon sehr verblasst war, so dass man sie kaum noch lesen konnte. Und ich dachte mir schon ein wenig ironisch dabei: Sind das nun Täfelchen des Vergessens statt des Gedenkens? Irgendwann werden die darauf geschriebenen Namen der Opfer einfach nicht mehr lesbar sein, wie die Schriften auf oft jahrhundertealten Grabsteinen. Und so gesehen gefallen mir die wenigen bisher in Innsbruck aufgestellten Säulchen mit den Namen der Opfer der Shoa eigentlich besser, auch wenn sie und ihre Wartung mit Kosten verbunden sind.

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