Walter Plasil
Die Schamanin
Notizen
Die Medien freuen sich. Das regt Menschen auf. Eine selbsternannte Schamanin hat ihren Klienten Geld und Wertsachen abgeknöpft. Gemeinheit! Betrug! Die armen Geschädigten, ihnen wurde etwas versprochen, was dann nicht eingetreten ist! Vermutlich deswegen, weil die Schamanin keine echte Schamanin war, sondern nur eine selbsternannte.
Aber halt, wer sagt denn das?
Man hat nichts gelesen darüber, dass sich jemand, der oder die abgezockt wurden, beschwert hat, oder gar Anzeige bei Gericht erstattet hat. Was hätten diese Menschen auch tun sollen? Bei Gericht anzuzeigen, dass sie betrogen worden sind, weil ihnen die selbsternannte Schamanin etwa versprochen habe, sie von einem Fluch zu erlösen, die Erlösung davon aber nicht eingetreten sei.
Damit hätte man automatisch die Selbstanzeige wegen offensichtlicher Dummheit beigeschlossen. Eher kann man davon ausgehen, dass es in dem Fall wenige, bis gar keine Geschädigten gibt. Wer soll geschädigt sein, wenn man verflucht ist, und man sich gegen Gebühr vom Fluch freikauft? Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Also wo liegt das Problem?
Die Kunden der Schamanin waren zufrieden. Wäre das nicht so gewesen, hätten sie ja nicht bezahlt. Hier die Last der Verfluchung und dort die Erlösung davon gegen entsprechendes Honorar.
Was freilich nachdenklich stimmt, ist die Vorstellung, dass es Menschen gibt, die an diesen bescheuerten Hokuspokus glauben und noch dazu bereit sind, viel Geld dafür zu bezahlen. Geschädigt allerdings können nur die sein, deren Verfluchung trotz Versprechen einer Entfluchung bei Bezahlung einer Gebühr nicht eingetreten ist. Die können sich beschweren. Bei der Schamanin, und wenn sie möchten, auch bei Gericht. Aber letzteres hat niemand getan.
Und was die Legitimation der Schamanin betrifft, kann es auch kein Problem geben. In Wahrheit gibt es nur selbsternannte Schamanen. Wer auch sollte sie ordnungsgemäß ernennen? Sind sie doch durch Geister berufen.
Und zudem sind Schamanen in der Wirtschaftskammer unter der Gruppe der Energetiker organisiert. Wer also Schamane oder Schamanin sein möchte, braucht nur zur erklären, dass er oder sie es ab sofort seien. Und wer das dann als Geschäft oder Beruf ausüben möchte, meldet seine Tätigkeit beim Finanzamt und der Wirtschaftskammer an.
Dass die Schamanin letzteres vermutlich nicht getan hat, kann ihr vorgeworfen werden. Mehr aber nicht. Es ist nicht verboten, für seine Tätigkeit Millionen zu verdienen. Aber Steuer zahlen muss sein.
Hier die Kurzbeschreibung der Schamanen aus Wikipedia:
Schamane: spiritueller Spezialist
Legitimation: Berufung durch Geister
Autorität: Charisma und Gabe
Aufgaben/Motivation: Vermittlung zum Transzendenten, Bewahrung der Tradition
Grundlegende Tätigkeit: Nimmt zugunsten der Gemeinschaft oder einzelner Kontakt zu transzendenten Mächten auf.
Entlohnung: früher verbreitet keine Gegenleistung für Dienste am Gemeinwohl, selten für private Aufträge als Heiler oder Wahrsager
Kultus: kulturell überliefert, aber variabel
Verhältnis zur Religion: von der lokalen Religion unabhängig; Einfluss auf den Glauben möglich
Status: unabhängiger, angesehener Berater aufgrund seiner Fähigkeiten
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