Thomas Nußbaumer bespricht:
Sechstes Symphoniekonzert des
Tiroler Symphonieorchester Innsbruck (TSOI)
unter dem Motto „Herzzerreißend“
Neben Gabriel Faurés Orchestersuite Pelléas et Mélisande (op. 80) und Pjotr Iljitsch Tschaikowskis Fantasie-Ouvertüre Romeo und Julia erklang auch Ludwig van Beethovens Klavierkonzert Nr. 3 in c-Moll (op. 37). Am Pult stand der belarussische Dirigent Vitali Alekseenok, bei Beethoven bezauberte die Wiener Pianistin Mitra Kotte.
Wohl aufgrund der zeitlichen Proportionen des Programms begann das Konzert mit dem solistischen Teil. Beethovens Klavierkonzert Nr. 3, das im April 1803 gemeinsam mit der II. Symphonie und dem Oratorium Christus am Ölberg im Theater an der Wien uraufgeführt wurde, ist das mozartischste von Beethovens Klavierkonzerten, erkennbar sind Anklänge an Mozarts Klavierkonzerte in d-Moll (KV 466) und c-Moll (KV 491).
Kotte Mitra (Klavier) spielt Beethovens Klavierkonzert Nr. 3 © Chó/wefeel.art
Diesem stilistischen Kontext Rechnung tragend legten sowohl die Pianistin als auch das Orchester größten Wert auf klangliche Transparenz, Linearität und Beseeltheit. Mitra Kotte (*1995 in Wien), als Solistin wie auch als Kammermusikerin mehrfache Preisträgerin nationaler und internationaler Wettbewerbe, verfügt über einen kernigen, differenzierten Anschlag und Ausdruckskraft. Durch ihr konsequentes, akzentuiertes Nonlegato-Spiel bei sehr bewusstem Einsatz des Pedals verleiht sie diesem Schlüsselwerk aus Beethovens mittlerer Schaffensepoche ein nahezu hammerklavieristisches Klanggewand.
Ihr Piano und Pianissimo regt auch das von Vitali Alekseenok behutsam geleitete Orchester zu Rücknahme und Rücksicht an. Überzeugend in den dramatischen Verläufen des Kopfsatzes und der verspielten Virtuosität des Finalsatzes konnte die Pianistin besonders dem Mittelsatz, dessen E-Dur leuchtend aus der c-Moll-Landschaft heraustritt, Glanzlichter aufsetzen. In Erinnerung bleibt der Dialog von Fagott und Flöte über den stimmungsvoll grundierenden Akkordzerlegungen am Klavier, ein Abbild dunkler Silhouetten im Mondschein.
Im rein symphonischen Teil nach der Pause überzeugte das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck einmal mehr durch bezwingende Musikalität, anregendes Zusammenwirken der Klangregister und – auch dank dem Dirigenten – Formbewusstsein und dramatischen Aufbau.
Vitali Alekseenok als Gastdirigent am Pult des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck © Chó/wefeel.art
Ähnlich wie zuvor bei Beethoven treten ebenso in Gabriel Faurés lyrischer, weichgezeichneter Orchestersuite über die tragische Liebesgeschichte von Pelléas und Mélisande einzelne Instrumente in den Vordergrund, etwa die Flöte, Oboe, Klarinette oder das Cello und besonders die Harfe. Die Programmatik des Stücks reicht von Mélisandes Entdeckung durch Pelléas über bukolische Szenen (Fileuse, Sicilienne) bis zum verklärenden Trauerkondukt für die verstorbene Mélisande. Das Orchester entfaltete in seiner bildhaften Darstellung gerade in den Mittelsätzen eine realitätsnahe, duftende, von mildem Sonnenlicht bestrahlte Seelenlandschaft. Gabriel Fauré, der dieses Werk 1898 komponiert und 1909 erweitert hat, war kein Impressionist im engeren Sinn, doch diese Musik kommt dem Spirit jener Strömung des Fin de siècle besonders nahe.
Tschaikowskis Fantasie-Ouvertüre Romeo und Julia stand nun am Schluss des Konzerts, in dem das Orchester, bekanntermaßen erprobt in dieser Art von Symphonik, noch einmal alle Register zog. Besonders imponierte – abgesehen von der Darstellung der schroffen Kontraste, die um ein Choralthema und ein Streitthema kreisen und in einer Trauermarsch-Coda eine finale Lösung anbieten – der gelungene Aufbau: Alekseenok wählte die Tempi bestens, das Orchester vermochte differenzierte dynamische Akzente zu setzen und das Klangfarbenpotenzial eines großen Orchesters zu nutzen.
Das Konzert wird heute, am Freitag, den 11. April um 20.00 Uhr im Saal Tirol des Congress Innsbruck wiederholt.
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