Thomas Nußbaumer bespricht:
Das achte und letzte Symphoniekonzert
des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck
Das letzte Symphoniekonzert dieser Saison des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck stand zwar unter dem Motto Von Strauss und seinen Sträussen, doch eigentlich lag Bayern im Fokus des unterhaltsamen und hochklassigen Konzertabends – nicht erst nach der Pause mit Richard Strauss’ Tondichtung Ein Heldenleben, sondern zuvor schon, als der bayerische Tubist und Kabarettist Andreas Martin Hofmeir aus seiner Hundsgemeinen Instrumentenkunde vortrug, und im Übrigen durchgehend, denn mit Kevin John Edusei stand der ehemalige Chefdirigent der Münchner Symphoniker am Pult. Doch der Reihe nach.
Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck unter der Leitung von Kevin John Edusei © Chó Wefeel.art
Zur Eröffnung erklang erstmals in Österreich das Orchesterstück The Spark Catchers (Die Funkenfängerinnen) der englischen Komponistin Hannah Kendall (*1984), das den erfolgreichen Aufstand von Londoner Arbeiterinnen gegen gesundheitsgefährdende Zustände in ihrer Zündholzfabrik nach einem Gedicht von Lemn Sissay (*1967) thematisiert.
Der aufrührerische Gestus des rund 10-minütigen, pointierten Stücks, das in Abschnitte wie Sparks and Strikes (Funken und Streiks), The Molten Madness (Der geschmolzene Wahnsinn) usw. unterteilt ist, äußert sich in schroffen Kontrasten zwischen Streicher- und Bläserblöcken, in einer von Unruhe angetriebenen Rhythmik auch des Schlagwerks und in scharfen Dissonanzen.
Der ruhige, galaktisch anmutende Teil Beneath the Stars/In the Silver Sheen (Unter den Sternen/Im silbernen Schein) mag die Schönheit dieser Revolution symbolisieren. Mit dem deutschen Gastdirigenten Kevin John Edusei stand für dieses Stück genau der richtige Experte am Platz, denn er hatte 2017 die Londoner Uraufführung von Kendalls Werk dirigiert.
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Andreas Martin Hofmeir (Tuba) © Chó Wefeel.art
Mit einer Kuriosität ging es weiter, nämlich mit Ralph Vaughan Williams’ Concerto for Bass Tuba and Orchestra (1954), dem ersten Konzertstück für Tuba überhaupt in der Musikgeschichte. Der Solist, Andreas Martin Hans Hofmeir, ist als Gründungsmitglied von LaBrassBanda, Erfinder von Formationen wie Tuba & Harfe, Tuba & Orgel, Tuba & Klavier sowie der Schmid/Hofmeir HochTief GmbH (mit dem Geiger Benjamin Schmid) und Professor für Tuba am Mozarteum eine Ikone seines Faches – und als Kabarettist dem Innsbrucker Publikum spätestens seit dem Neujahrskonzert 2025 bekannt.
Und ehe er, barfuß und in Freizeitkleidung, in die teils schräge, burleske Klangsprache Vaughan Williams’ eintauchte, adelte er noch rasch die Tuba zur Königin der Klangwerkzeuge und beleidigte en passant alle anderen Instrumente, eine Tendenz, die sich im Zugabenteil durch Rezitationen aus seiner Hundsgemeinen Instrumentenkunde, aber auch eine höchst eindrucksvolle Wiedergabe eines Bach’schen Cellosuiten-Satzes im Tuba-Arrangement fortsetzte.
Als Musiker begeistert Hofmeir durch exakte Intonation, seinen warmen, runden Ton und die Fähigkeit, selbst in virtuosen Passagen Melodien frei strömend und organisch zu entfalten. Ralph Vaughan Williams’ Tubakonzert setzt sich in seinem dreisätzigen Werk, dessen Romanza am nachhaltigsten beeindruckt, auf eine subtile, auch skurrile Weise mit deutscher Romantik sowie Deutschland- und England-Klischees auseinander – der Teppich für den Höhepunkt des Abends, Ein Heldenleben von Richard Strauss (1899), war ausgerollt.
Kevin John Edusei am Pult des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck © Chó Wefeel.art
Zu erleben war eine Aufführung auf höchstem Niveau, ein wahres Epos, in dem Der Held, Des Helden Widersacher, seine Gefährtin, sein Kampfplatz (Wallstatt), seine Friedenswerke und seine Transformation (Weltflucht und Vollendung) Darstellung finden.
Kevin John Edusei ist ein exzellenter Dirigent, der das prächtig homogene Orchester sicher, präzis und gestaltend durch die Klangwogen trägt. Selbstverständlich ist Strauss’ Tondichtung nicht monumentaler Heroenkitsch, sondern trägt ironische Züge, zumal der Held in Wahrheit der Komponist selbst ist.
Viele Musikerinnen und Musiker der rund hundertköpfigen Besetzung finden zahlreiche Möglichkeiten auch heldischer Selbstinszenierung vor, besonders die auf Heroismus geeichten Hörner (nach einem Bonmot von R. Strauss), fast alle Holz- und Blechbläser, natürlich die auf der Wallstatt unverzichtbaren Schlagwerker, aber auch die ätherisch aufspielenden Harfenistinnen.
Und im dritten Teil des Werks, wo Des Helden Gefährtin auftritt, gehört die Bühne Annedore Oberborbeck, seit 2013 erste Konzertmeisterin des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck. Sie zelebriert die üppig ausufernden, kapriziösen, vielfach verästelten Soli auf eine nahezu überirdische Weise, beredt und abstrakt zugleich. Hier stimmt jeder Ton, landet jede Phrase punktgenau, ist die Dynamik in jedem Detail stimmig. Man sagt, Strauss habe im dritten Satz seine Frau Pauline de Ahna porträtiert.
Es ist schade, dass die verdienstvolle Annedore Oberborbeck nun ihren Orchesterdienst beendet, aber auch verständlich: Sie wird sich künftig schwerpunktmäßig auf ihre Lehrtätigkeit als Violine-Professorin am Tiroler Landeskonservatorium und weitere Konzerttätigkeit konzentrieren.
In den Ruhestand treten drei weitere Violinisten, die das Tiroler Musikleben seit den achtziger Jahren wesentlich mitgeprägt haben: Reinhard Koll (1. Violine), Walter Maurer (1. Violine) und Toshio Oishi (1. Violine, bis 2017 dritter Konzertmeister).
Das Symphoniekonzert wird heute um 20.00 Uhr im Congress Innsbruck, Saal Tirol, wiederho
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