Thomas Nußbaumer bespricht:
Das "Tiroler Symphonieorchester Innsbruck"
mit Arnold Schönbergs "A Survivor from Warsaw" und
Ludwig von Beethovens Sinfonie Nr. 9 in d-Moll
im Congress Innsbruck

Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck (TSOI) brachte in seinem zweiten Symphoniekonzert der laufenden Saison in einer bemerkenswerten Kontrastierung zwei Schlüsselwerke der Musikgeschichte zur Aufführung: Arnold Schönbergs A Survivor from Warsaw (Ein Überlebender aus Warschau) und Ludwig von Beethovens Sinfonie Nr. 9 in d-Moll (op. 125). Am Pult stand der deutsche Gastdirigent Gabriel Venzago.

Harald Windisch (Sprecher) und Gabriel Venzago (Dirigent) © Chó/wefeel.art
Harald Windisch (Sprecher) und Gabriel Venzago (Dirigent) © Chó/wefeel.art

Der Kontrast war offensichtlich und blieb im Programmheft unkommentiert, zumal man die beiden Werke in keiner Hinsicht miteinander vergleichen kann. Schönbergs Verarbeitung von Berichten jüdischer Gefangener in Warschau vor ihrem Abtransport ins Konzentrationslager dauert beklemmende sieben Minuten, Beethovens Neunte, ein Symbol für Humanität, Völkerverständigung und überirdische Freude, an die 70 Minuten. 

Gabriel Venzago am Pult des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck © Chó/wefeel.art Gabriel Venzago am Pult des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck © Chó/wefeel.art

Schönberg legte seinem Werk eine Zwölftonreihe zu Grunde und schrieb zur Stimme des berichtenden Sprechers (großartig rezitierend: Harald Windisch) eine fragmentierte, aufgewühlte Musik für Orchester und Männerchor, aus deren instrumentalen Klangfarben nostalgische Momente einer versunkenen, besseren Zeit herüberwehen. Beethoven hingegen schuf ein wuchtiges viersätziges, an Melodien und Rhythmik reiches Monument als Bekenntnis zu Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit, an dessen Ende ein solistisches Quartett und ein großer Chor die Ode an die Freude anstimmen.

In der Besetzung liegt vielleicht ein Grund, Schönbergs wichtiges, leider viel zu selten gespieltes Werk sozusagen als Auftakt zu Beethovens Neunter auf die Bühne zu stellen: Sie musste, um Beethoven zu spielen, nur noch durch Chorsängerinnen und zusätzliches Musikpersonal ergänzt werden. Gastdirigent Gabriel Venzago, designierter Generaldirektor am Staatstheater Mainz und Chefdirigent des Philharmonischen Staatsorchesters Mainz, positionierte das Orchester in der sogenannten deutschen Aufstellung, bei der die ersten Violinen den zweiten gegenübersitzen und die Kontrabässe sich hinter den ersten Violinen befinden. Der Chor stand ganz rechts und das Solistenquartett hinten.

Sängerinnen und Sänger der vereinigten Chöre © Chó/wefeel.art Sängerinnen und Sänger der vereinigten Chöre © Chó/wefeel.art

Aber auch in dieser Aufstellung blieb das TSOI unverkennbar, was Temperament, Musizierfreude und Präzision anbelangt, nicht nur bei der Wiedergabe von Schönbergs Werk. Man erlebte eine klanglich fein abgestufte, in jeder Phase ansprechende und dramaturgisch gut gestaltete Neunte mit ausgewogenen Tempovorgaben. 

Besonders beeindruckend gelangen die Binnensätze – der zwischen molto vivace und presto dahinfliegende zweite Satz und der getragene dritte Satz (Adagio molto e cantabile – Andante moderato). Da wurde einerseits Beethovens rhythmische Raffinesse pointiert dargestellt und andererseits die für sein Spätwerk so typische expressive, lyrische Kantabilität in einem langen Atem ausmusiziert.

Der Schlusssatz bot dann das erwartete Schauspiel, als der großartige Bassist Johannes Maria Wimmer mit den Worten O Freunde, nicht diese Töne! ins Klanggewitter fuhr und das gut abgestimmte Quartett, neben Wimmer bestehend aus Erica Eloff (Sopran), Monika Bohinec (Altistin der Wiener Staatsoper; sie sprang für die erkrankte Camilla Lehmeier ein) und David Fischer (Tenor) die berühmte Ode an die Freude vortrug.

Erica Eloff (Sopran), Monika Bohinec (Alt), David Fischer (Tenor), Johannes Maria Wimmer (Bass) © Chó/wefeel.art Erica Eloff (Sopran), Monika Bohinec (Alt), David Fischer (Tenor), Johannes Maria Wimmer (Bass) © Chó/wefeel.art

Auch der Chor, der in Zusammenarbeit mit dem Chorverband Tirol zusammengestellt worden war, agierte beeindruckend. Man hörte Sängerinnen und Sänger des Chors des Tiroler Landestheaters und Extrachors (Einstudierung: Michel Roberge), des Tiroler Landesjugendchors (Einstudierung: Agnes Schnabl) sowie des Chors Stimmsalz (Einstudierung: Maria Luise Senn-Drewes). 

Die positive Stimmung der Musik übertrug sich auf das Publikum, das den Mitwirkenden mit begeistertem Applaus Respekt zollte.

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Thomas Nußbaumer

Thomas Nußbaumer ( geb.1966 in Hall in Tirol) ist ein österreichischer Musikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Volksmusikforschung / Ethnomusikologie. Nußbaumer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Innsbrucker Sitz der Universität Mozarteum Salzburg, Abteilung für Musikwissenschaft, Abteilungsbereich Musikalische Volkskunde, seit 2010 als Universitätsdozent für Volksmusikforschung. Daneben arbeitet er als freier Kulturjournalist.

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