Thomas Nußbaumer bespricht:
5. Symphoniekonzert des
Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck
Höchst beeindruckend!

Ein höchst beeindruckendes 5. Symphoniekonzert gab das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck (TSOI) unter der Leitung des hervorragenden belgischen Dirigenten Martijn Dendievel. Vorspiel und Liebestod aus Richard Wagners Tristan und Isolde, Edward Elgars Konzert für Violoncello und Orchester in e-Moll (op. 85) und Johannes Brahms‘ Sinfonie Nr. 2 in D-Dur (op. 73) standen auf dem gut gewählten Programm. Als Solistin in Elgars Cellokonzert trat die junge Salzburgerin Julia Hagen in Erscheinung.

Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck unter der Leitung von Martijn Dendievel © Chó/wefeel.art

Liebesglück und Liebesleid war ein etwas plattes Motto für ein Konzert, das wesentlich mehr Inhalt besaß, als dieses Schlagwort zu vermitteln vermag. Klarerweise mag es auf Vorspiel und Liebestod aus Tristan und Isolde zutreffen, doch weniger auf Elgars Cellokonzert von 1919, sein letztes großes Werk, das eher von dunklen Gedanken an den Tod (auch seiner Frau) und Vergänglichkeit durchwirkt ist, und schon gar nicht auf Brahms’ heitere zweite Symphonie, die 1877 in der Sommerfrische in Pörtschach am Wörthersee entstand.

Dennoch fügten sich die Werke des Programms bestens aneinander und zeigten sowohl Ähnlichkeiten als auch Kontraste. 

Gastdirigent Martijn Dendievel © Chó/wefeel.art

Mit Martijn Dendievel stand ein aufstrebender junger Dirigent von höchster Qualität am Pult, der vom ersten Moment an den Funken der Inspiration auf das Orchester überspringen ließ. Für seinen Gastauftritt ließ er das Orchester in veränderter Aufstellung spielen. Die 2. Violinen saßen (aus der Perspektive des Dirigenten) rechts den 1. Violinen gegenüber, hinter den 2. Violinen spielten die Kontrabässe, die Celli befanden sich schräg vor den Kontrabässen sowie der Harfe. Die Hörner saßen im Bläserblock links vor dem Schlagwerk. Auf diese Weise entstand eine Klangbalance mit derMöglichkeit, manche Melodielinien und Klangkombinationen anders als gewohnt zu hören. Die Anordnung der Celli in diesem Konstrukt ist vielleicht dem Umstand geschuldet, dass der Maestro auch ein ausgebildeter Cellist ist.

[c Julia Hagen spielt Edward Elgars Cellokonzert in e-Moll (op. 85) © Chó/wefeel.art

Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck präsentierte sich von Beginn an von seiner besten Seite. Geheimnisvoll drehte und wendete es, unter der kundigen Führung des Dirigenten, den berühmten Tristan-Akkord und dann das Liebestod-Motiv mit seinen Verwandlungen durch alle Klangregister. Die langsam entwickelten Crescendi der beiden Wagner-Stücke blühten auf und strahlten freischwebend im Fortissimo und alles endete so mysteriös, wie es begonnen hatte.

Doch die eigentlichen Höhepunkte folgten noch. Zunächst stellte sich mit Julia Hagen eine Cellistin vor, deren Markenzeichen laut Selbstbeschreibung Natürlichkeit und Wärme, Vitalität und Mut zum Risiko sind, eine außergewöhnliche Musikerin, die schon in den ersten Takten der markanten, doppelgriffigen Einleitung zu Edward Elgars Cellokonzert in e-Moll Individualität und Willen zur Expression erkennen ließ. 

Die Herausforderung des Werks liegt weniger in den virtuosen Passagen, vor allem im zweiten und vierten Satz, die Julia Hagen souverän und glanzvoll meisterte, als vielmehr in der lang ausatmenden Adagio-Melancholie des Stücks. 

Julia Hagen (Violoncello) und Martijn Dendievel (Dirigent) © Chó/wefeel.art

Da beschäftigt einen zunächst das tieftraurige Thema des Kopfsatzes, von dem Elgar am Sterbebett meinte, er würde es nach seinem Übergang ins Jenseits singen. Dann folgt der von Dunkelheit und aufwühlender Empfindung durchdrungene Lento-Satz, der von der Solistin ebenso wie vom Orchester höchste Konzentration und die Bereitschaft erfordert, ganz an den Rand zu gehen. Julia Hagen, begleitet vom differenziert musizierenden Orchester, bewährte sich auch hierin eindrucksvoll, ihre Interpretation glich einer intensiv erzählten, episch aufbereiteten Geschichte.

Ihre Zugabe – ein aphoristisches, expressives Stück für Violoncello solo von Sofia Gubaidulina – widmete sie jener famosen russischen Komponistin, die gerade am Tag des Konzerts 93-jährig in Appen (Deutschland) verstorben war.

Der künstlerische Glanzpunkt des gesamten Abends war die Aufführung der Sinfonie Nr. 2 von Johannes Brahms, eine Interpretation voller Poesie, romantischer Kraft, Abgeklärtheit, Heiterkeit und klanglicher Transparenz. Der Erfolg dieser hörenswerten Darbietung gehörte auch dem Dirigenten Martijn Dendievel, der mit akkurater Schlagtechnik, präziser Einsatzgebung und gestalterischer Kreativität das Orchester durch das viersätzige, fulminant endende Werk leitete.

Das 5. Symphoniekonzert wird noch einmal heute, am Freitag, den 14. März, um 20.00 Uhr im Congress Innsbruck, Saal Tirol, gegeben.

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Thomas Nußbaumer

Thomas Nußbaumer ( geb.1966 in Hall in Tirol) ist ein österreichischer Musikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Volksmusikforschung / Ethnomusikologie. Nußbaumer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Innsbrucker Sitz der Universität Mozarteum Salzburg, Abteilung für Musikwissenschaft, Abteilungsbereich Musikalische Volkskunde, seit 2010 als Universitätsdozent für Volksmusikforschung. Daneben arbeitet er als freier Kulturjournalist.

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