Reinhold Knoll
Welcher Weltmacht gehört in Zukunft
der Hinterhof Europa?
Nachtrag zu den Wahlen in den USA
Notizen

Das Wunschbild Europas ist kaputt: Trump wurde gewählt. Die Medien verkündeten den Wahlsieg wie ein überraschendes Todesurteil. Das Obszöne in Trump siegt über die Libertinage des Westens. Das ist das groteske Ergebnis der Wahl.

So gern würde man sich jetzt einigeln, wäre man ein Igel der Politik geblieben. Pech: Für die Stacheln gegen Tyrannei und Unfreiheit hatten in Europa seit jeher die USA hergehalten. Also sollen jetzt die Europäer für sich selbst sorgen, obwohl wir doch zur Unmündigkeit erzogen wurden. Zwar herrscht überall Klimaerwärmung, aber in der Politik ist Eiszeit – auch im Welthandel. Und wieder können sich die Brüssel-Europäer nicht entscheiden: Sollen Sie die USA wieder hassen wie damals zur Zeit des Vietnam-Kriegs, oder bleiben die USA trotz Trump der Maßstab für Orientierung und öffentliche Moral?

Die Brüssel-Europäer hätten sicherlich anders als die Amerikaner gewählt: also wie Amen im Gebet Kamala Harris. Obwohl diese politische Blauäugigkeit in Europa eher schwindet – denkt man an Marie Le Pen, Giorgia Meloni, Viktor Orban, Geert Wilders, Robert Fico, Sara Wagenknecht und Alice Weidel.

Mit der Wahl kehrt eine politische Halbwelt mit klarer Mehrheit ins Weiße Haus, ins Kapitol und in den Senat ein. Und schnell wird Trump den Europäern alle Arten politischer und ökologischer Rosinen austreiben: Zölle statt Freihandel, Ausstieg aus allen Gremien der Ökologie und Natur-Reparatur. Erdöl wird wieder billiger. Welche Rolle die NATO spielen soll, ist noch nicht entschieden.

Trump wird ebenbürtige und gleichartige Gesprächspartner bevorzugen, auf sie hören und mit ihnen Kompromisse schließen. Es werden darunter keine West-Europäer sein. Auf Trump´s Augenhöhe der Macht sind: Putin und nicht Olaf Scholz oder Emmanuel Macron, Xi und nicht Lula da Silva, Benjamin Netanyahu und nicht Mohamed El-Baradei.

Wenig erstaunlich wäre, sollte Trump im nächsten Jahr versuchen, ebenfalls dem Bund der BRICS-Staaten anzugehören. Diese entsprechen weit mehr seinen Vorstellungen als alle schwachen Demokratien zusammen. Er hat schon früher die Europäer durchschaut, die sich noch immer einen Onkel aus Amerika wünschen, der alles bezahlt und naiv genug ist, die politischen Ausfallshaftungen zu übernehmen.

Trump wird man schon jetzt nicht nachsagen können, seine Beurteilung der Weltlage sei von keinerlei Wissen getrübt. Trump besitzt den sicheren Instinkt, wer mächtig ist und wer nicht. Dieses Einmaleins beherrscht er. Da kommt sogar Elon Musk angetanzt, brüllte auch brav seinen Urschrei ins Mikophon und darf hierauf auf das Trump´sche Familienphoto. Da war erstmals die neue Hierarchie der Macht zu sehen.

Also werden die Zeiten härter. Als Mann fürs Grobe werden die Spezialisten für Diversität, sexuelle Freizügigkeit und Emanzipation nichts zu lachen haben. Für die kommenden Jahre ist dieser Fasching und Mummenschanz vorbei. Das Raunen macht die Runde: man wird mehr arbeiten müssen. Das hört man in Europa mit ernster Sorge.
In Europa kann man nur hoffen, dass Trump und Putin unter den gütigen Augen von Xi nicht ein Herz und eine Seele werden. War nämlich Europa bislang das Produkt der Pax Americana, könnte Trump wegen Putins lang gehegter Träume Europa der Pax Russica zuordnen.

Spekulationen? Wenn es der Eitelkeit des Präsidenten dient? Zitternd hoffen wir, dass alles nicht so eintritt, was die ersten Gedanken von Trump es erraten lassen. Noch baden wir uns im Hochmut wie die griechischen Stadtstaaten nach 147 in der Spätantike, nach der Okkupation die Gescheitesten im römischen Imperium zu sein – auch wir sind überzeugt, die USA können auf den europäischen Geist nicht verzichten. Und ob – kann man nur schreiben.

Trump hat nicht die gleichen Probleme wie wir in Europa, ob ein Kind zwei Mütter haben kann? Ob die Geschlechtsneutralität bei Symbolen oder Piktogrammen in öffentlichen Gebäuden gewährleistet ist, ob es in Schulen auch ein diverses WC gibt?

Uns ärgert, dass sich Donald Trump einfach darüber hinwegsetzt, wo er doch vermutlich nicht einmal halb so gescheit ist wie der Vorstand eines deutschen Automobilkonzerns! Er kann reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist – ohne Binnen-I, Sternchen oder Doppelnennungen. Und kein Vorwurf ist zu hören.

Donald Trump ist zum neuen politischen Realitätsprinzip geworden. Mehr unwillig als willentlich gab man ihm in den USA den Vorzug – eine Schande für die Wahlkampfleitung der Demokraten! Und wir?

Wir sind in Europa ernsthaft böse darüber, weil wir nach dieser Wahl sogar die Rolle eines Spielballs in der Weltpolitik verloren haben….

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Reinhold Knoll

Reinhold Knoll, geb. in Wien 1941. Gymnasium und Studium der Geschichte und Kunstgeschichte in Wien. A.o. Hörer an der Akademie der Bildenden Künste. Promotion 1968 mit dem Thema „Früh- und Vorgeschichte der christlich-sozialen Partei bis 1907" (gedruckt). 1969 bis 1972 innenpolitischer Redakteur im ORF. 1973 am Institut der Soziologie an der Univ. Wien. Habilitation zur „Österreichischen Geschichte der Soziologie", gedruckt, mit Beiträgen von Helmut Kohlenberger 1988. A.o. Prof. für Soziologie ab 1989; Letzte Publikationen: The Revelation of Art-Religion, New York 2018; Letters to my grandchilden, New York 2021; und Beitrag zu Joseph von Sonnenfels, 2024.

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