Reinhold Knoll
Wer hat Angst vorm weißen Mann?
Warum Trump Europa braucht.
Notizen
Das größte Vergnügen des Präsidenten ist es, vom Weißen Haus aus die Europäer in den Zustand von Kaninchen zu versetzen. Mit der Entente cordiale folgt er gern Putins Interessen an der Ukraine und gibt zu verstehen, Europa sei ein teurer Klotz am Bein der USA.
Nun sind die USA eine Weltmacht durch Europas Hilfe. Es waren die vielen Hilfskohorten, die Rom zur Weltmacht verhalfen. Expansion und römisches Kaisertum waren auf dem Rücken der zahllosen nicht-römischen Kohorten gegründet worden.
Der Pionier dieser Militärpolitik war Caesar nach dem Muster des Gallischen Kriegs. Seither zählten Bogenschützen, leichte Infanterie und Reiterei als auxilia zum Bestand der Militärmacht Roms.
Zum Schrecken der Europäer erzählt Trump von seinen Forderungen, die er an seine NATO-Partner stellt. Er behandelt diese Partner wie Tiberius die Cohortes Auxiliares. Wenn wir also Putin nicht in Kiew haben wollen, dann ist es unsere Sache, die Ukraine an willkürlich gezogenen Grenzen zu verteidigen.
Jedem römischen Soldatenkaiser war klar gewesen, dass die Hilfstruppen die Versorgungswege des Imperiums schützen, die Grenzen bewachen, die Reichspolitik ermöglichen, die sich kurz bis England ausdehnte.
Trump lässt keinen Zweifel daran, dass das Schicksal der Ukraine, ja Europas ihn nicht wirklich berührt. Der amerikanische Friedensfürst hat merkwürdige Ansichten über einen Frieden in Europa. Er hat vergessen, dass Europäer den indopazifischen Raum in seinem Interesse stabilisieren; er hat vergessen, dass die USA schon beim ersten Irak-Krieg 1990/91 die Hilfe der europäischen Partner dringend benötigten.
Englische und französische Truppen sicherten den Aufmarsch der Amerikaner schon vor Kriegsbeginn, ermöglichten den Probegalopp eines Star War durch General Schwarzkopf und Deutschland steuerte 16 Milliarden Dollar für Aufrüstung und Waffensysteme bei.
Nach dem Schock des 11. September 2001 sicherten die europäischen Verbündeten die US-Invasion in Afghanistan. Die Kriegshandlungen hatte damals Trump mit dem Abzug der US-Truppen vom Hindukusch ab Februar 2020 einseitig und ohne Information der Verbündeten beendet. Das führte prompt zur Katastrophe von Kabul im Mai 2021. Dieses Chaos hätten die römischen Kommandeure und die Tribune der Hilfskohorten halbwegs bewältigt, da sie die Unfähigkeit ihrer Kriegsherrn kannten.
Der zweite Irak-Krieg hätte ohne die logistische Hilfe und die Kenntnisse der Infrastruktur der europäischen Verbündeten in einem Chaos geendet. Die US-Armee war überfordert und zeigte erhebliche Schwächen. Da wurde sichtbar, dass Präsidenten den Überredungskünsten aus dem Pentagon oder dem Hudson-Institut zu viel Glauben schenken.
Die Doktrin von Herman Kahn war noch in den Köpfen überheblicher US-Politiker – seit Lyndon B. Johnsons Vietnam-Politik. Man hatte die Schlagkraft der US-Armee notorisch überschätzt. Seit Vietnam hätte das alle folgenden Präsidenten stutzig machen müssen. Also war die Zurückhaltung gegenüber militärisch inspirierter Außenpolitik größer bei Carter, Obama und Biden gewesen als bei den republikanischen War Lords.
Trump ist nicht klar, dass die gefahrvolle Lage im indopazifischen Raum erheblich komplizierter wäre, würden nicht britische und französische Militärstützpunkte in der Region die Lage stabil halten. Trump weiß nix von den deutschen U-Booten, die dort kreuzen und auch nichts von der NATO-Luftaufklärung. Er glaubt wohl, dass er alles allein machen muss, er allein Amerika wieder groß machen kann; immerhin nimmt Putin die gleiche Absicht für sein Land in Anspruch.
Für die drohende Auseinandersetzung mit China benötigt Trump Europa mehr als ihm bewusst ist. Ohne das logistische Drehkreuz der Europäer im indopazifischen Raum würden die US-Soldaten kein Essen und keine Uniformen erhalten.
Immer deutlicher begibt sich Trump in die wenig beneidete Rolle des Varus im Teutoburger Wald. Im Jahr 9 war es dann soweit, dass ein ehemaliger römischer Offizier, Arminius, mit einigen ehemaligen cheruskisch-römischen Hilfskohorten die drei Legionen des Varus überfiel und vernichtete. Damit war mehr als ein Fünftel der römischen Armee verloren gegangen. Vare, redde mihi legiones meas… Der Niedergang des weströmischen Reiches war nicht mehr aufzuhalten….
Die Europäer hätten endlich die Gegenrechnung zu präsentieren. Dem Erpresser Trump sollte klar gemacht werden, was und wen er verliert, wenn er Putin mehr Vertrauen schenkt als Europa. Das würde auch manche Europäer zur Umkehr bewegen, Russland nicht mehr mit einem Wallfahrtsort versäumter Chancen und Träume zu verwechseln.
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