Reinhold Knoll
Soll es noch Weihnachten geben?
Notizen
Wie kann man Weihnachten, wenn man darunter einen Abschnitt des Faschings versteht, der bekanntlich schon am 11. November beginnt, noch für sinnvoll erachten? Insbesondere, seit die Würdigung der finstersten Tage im Jahr der Handels- und Wirtschaftskammer zu danken ist, die schon vor Jahrzehnten die Idee hatten, tote Monate zu beleben.
Seither wird die Dunkelheit mit Frohsinn bewältigt. Alles wird vergoldet: Nüsse, Tannenzweige, Strohsterne und Kerzen. Selbst Menschen in Not vergisst man nicht! Viele Vereine üben sich in Hilfsbereitschaft. Sie besitzen inzwischen einige Erfahrung, da sie mit der Organisation des sozialen Trinkens Unterstützungen und Förderungen finanzieren.
Karitative Punschstände in den Stadtzentren beweisen, dass jede Alkoholisierung einem guten Zweck dient. Niemand kann sich ernsthaft dieser guten Tat verweigern. Die großzügigsten Spender erkennt man im Stadtbild sofort, so sie ihre Wege von Punschstand zu Punschstand unverdrossen fortsetzen. Vorm Punschstand werden angeblich alle Menschen zu Brüdern – und irgendwo verspricht ein Lautsprecher dann Wir kommen alle, alle in den Himmel…!
Somit ist der jährliche Aufwand zur Konsumsteigerung ein Wirtschaftsfaktor, der nicht mehr zu vernachlässigen ist. Allerdings enthält er den Widerspruch zwischen städtischer Feierlaune und Fernreisen. Die großen Reiseveranstalter sind an der Beibehaltung der Feiertage besonders interessiert. Es ist deren Verdienst, dass der historische Sinn der Feste noch nicht vergessen wurde, obwohl jene, die auf Weihnachten beharren, zur Weihnachtszeit gar nicht anwesend sind.
Daher liegen die großen Interessenvertretungen in dauerhaftem Streit, da die Reiseveranstalter wegen ihrer Kundschaft die sogenannten verlängerten Wochenenden benötigen, während Industriebetrieben kostbare Arbeitszeit verloren geht. Auf politischer Ebene ist jener waghalsige Vorstoß ernst zu nehmen, wenn Arbeitgeberverbände mit Recht behaupten, dass es die meisten Feiertage nur deshalb noch gibt, da einmal eine allgemein vorhandene Glaubensüberzeugung diese Tage zu respektieren wünschte. Nun ist diese konfessionelle Begründung längst weggefallen.
Die ausgeweitete Faschings- oder Karnevalszeit hängt nicht mehr von irgendwelchen Feiertagen ab. Die Feiertage hingegen, einmal aus konfessionellen Gründen eingeführt, haben eine nur mehr marginale Bedeutung in der Gesellschaft, weshalb man viele von ihnen wieder zu Arbeitstagen umgestalten sollte.
Außerdem begründen viele Arbeitgeber die Abschaffung der Feiertage mit dem Hinweis, dass Teile der arbeitenden Bevölkerung mit Migrationshintergrund gemäß ihrer Überzeugung eventuell auch ihre Festtage zu Feiertagen erklärt sehen wollen. Was wird also geschehen, wenn die verschiedensten Konfessionen neue Feiertage fordern und ähnlich behandelt werden wollen wie jene, die einmal Christen waren?
Im Grunde genießen schon heute Agnostiker und Atheisten Feiertage, obwohl sie den Anlass dafür weder kennen noch anerkennen. So wird von mehreren Seiten behauptet, dass es nur dann ein Einvernehmen geben kann, wenn alle Feiertage im Arbeitsjahr gestrichen werden. Diesen politischen Vorstoß lehnen die Veranstalter der Fernreisen weitestgehend ab. Niemand würde über Weihnachten und Neujahr auf die Malediven fliegen, am Arlberg Ski fahren oder sonnige Tage auf Sri Lanka verbringen.
In dieser Debatte sind die Entscheidungen noch nicht gefallen. Vermutlich wird man sich über Arbeitszeitregelungen dahingehend verständigen, dass zwar die Feiertage gestrichen werden, aber genügend Freizeit erhalten bleibt, um die Winter- und Sommerurlaube auf allen Inseln der Erde genießen zu können.
Letztlich kann auch die Bezeichnung Weihnachten fallen gelassen werden, denn dieser Zeitabschnitt ist schon längst als Fasching oder Karneval geläufiger, nicht erst wegen des ominösen und erfundenen 11. 11., sondern bereits wegen Halloween am 31.10. und 1. 11. Allerdings erreicht das soziale Trinken erst im Karneval seine volle soziokulturelle Relevanz.
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Bitte nicht weiter! Abgesehen davon, dass gerade zu dieser Zeit die familiären Streitereien ausufern (eigene Erfahrung seit meiner Kindheit), geht es heute nur mehr um die Schlagzeile „der Handel ist zufrieden“, um Sauereien an den unnötigen Glühwein-Buden und um das Füllen der Kassen von Hotellerie und Gastronoquiiiietsch! Geschäftemacherei statt Besinnlichkeit, Stress statt „Ruhigste Zeit des Jahres“ und rundherum fallen Bomben und schlagen Raketen ein! Schafft zuerst Frieden und Menschlichkeit und dann könnt ihr über Weihnachten reden.