Reinhold Knoll
Kein Weg aus der Knechtschaft
Zu den Hypothesen von Friedrich August Hayek
anlässlich der Angelobung Donald Trumps
zum 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten
Essay
Die Hypothese von Friedrich August Hayek aus dem Jahr 1944 ist falsch! Er hatte behauptet, Kapitalismus und liberale Demokratie seien wie kommunizierende Gefäße: das eine nicht ohne das andere.
Dafür setzte es den Nobelpreis im Fachbereich Ökonomie. Der Optimismus war so groß, dass man prompt den Kernsätzen Hayeks Glauben schenkte. Hätte es rechtzeitig eine freie Wirtschaft im freien Staat gegeben, wäre alles im Lot geblieben. Kein Faschismus, kein Hitler, kein Stalinismus hätten gedeihen können, wären Marktwirtschaft und liberale Verfassung rechtzeitig zur Stelle gewesen.
Der Erste Weltkrieg hatte dafür gesorgt, dass dem nicht so war. Lenin tauchte plötzlich als Staatsgründer auf, Bela Kún in Ungarn, Kurt Eisner in München; Kemal Atatürk beendete die osmanische Struktur der Türkei 1923, zuvor hatte Mussolini nach dem Marsch auf Rom 1922 die politische Macht errungen. Die Serie der politischen Destabilisierung in Europa ergänzte Jozef Pilsudski 1926 in Polen.
Diese Schwächung begünstigte die zunehmende Begeisterung für den Totalitarismus in Europa. Nun besagte die Hypothese Hayeks: wären Rechtsstaat, Demokratie und Marktwirtschaft miteinander verbunden gewesen, hätte es nie so weit kommen können, dass Europa in den Zweiten Weltkrieg taumelt.
So wurde ein sozioökonomisches Glaubensbekenntnis formuliert, das die Zeit nach 1945 dominierte und zugleich die Bildung der westlichen Welt beeinflusste. Die Führungsmacht und zugleich die Verkörperung des Hayek´schen Erfolgsrezepts wurden dabei die USA, wohin auch die Nachfolger der Wiener ökonomischen Schule emigriert waren.
Die Hayek´sche Wirtschaftsform war allerdings nie in der Lage, Freiheit oder Frieden zu institutionalisieren, da man ein ganz anderes Ziel erreichen wollte: Gewinn und Wohlstand, was bei Hayek nie als Problem angesehen wurde, waren doch in der ökonomischen Theorie Gewinn und Wohlstand ganz andere Kategorien, die mit politischen Kriterien von Freiheit und Frieden nicht übereinstimmen mussten.
Allerdings war die ökonomische Entwicklung nach 1945 im Westen enorm erfolgreich. Als Erfolgsrezept entpuppte sich der Markt als geheimnisvolle Kraft, die durch die Faktoren von Angebot und Nachfrage immer größere Bedeutung erhielt. Der zur Gottheit erhobene Markt, dessen göttliche Kraft alles zu regeln schien, war der Motor im Wirtschaftssystem, das sich zugleich wie die Erfüllung des demokratischen Ideals anfühlte.
In dieser Täuschung war es sogar gelungen, die austromarxistische Wirtschaftsdemokratie, wie sie Karl Renner in seinem Konzept der Konsumgenossenschaften verstanden hatte, in einem domestizierten Kapitalismus wieder zu entdecken. In der österreichischen Wirtschaftsgeschichte war es die Grundlage des Erfolgs: denn die Sozial- und Wirtschaftspartner waren die demokratisch legitimierten Faktoren, die in ihrer Paritätischen Kommission für Löhne und Preise stets einen Ausgleich zu erzielen hatten – bei gleichzeitiger Beachtung der Marktgesetze.
Dieses sozioökonomische Märchen kam an sein Ende, als neue Weltmächte und die Globalisierung die Industriegesellschaften nachhaltig zu verändern begannen. Das hatte Karl Polanyi 1944 bereits als Great Transformation bezeichnet. Damit hatte er den Prozess gemeint, in dem sich mit dem freien Spiel der Kräfte die liberale Marktwirtschaft gegenüber der Gesellschaft zusehends emanzipiert. Mit dem neuen Kapitalismus windet sich die Ökonomie aus ihrer gesellschaftlichen Verantwortung heraus und die bislang westlichen Industriegesellschaften erleiden die Zerstörung ihrer eigenen sozialen Grundlagen, ja lösen die historisch-politische Substanz derselben auf.
Nun ist die Folge dieser als Globalisierung bezeichneten Strukturveränderungen bekannt. Es ist die Oligarchisierung, die zwar noch den Unterschied von Ost und West erkennen lässt, aber im zunehmend autoritären politischen Zuschnitt die Institutionen der Politik zu dominieren beginnt. Es bleiben zwar demokratische Modalitäten erhalten, doch sie bestätigen jeweils den Kurs zur neuen Politik und zu den neuen Oligopolen weltweit.
Somit bricht die Hypothese Hayeks vom kommunizierenden Gefäß in sich zusammen und hinterlässt eine ungezügelte Wirtschaftsentwicklung als Stütze eines autoritär strukturierten Staats. Allerdings ist der individuelle Lebenszusammenhang nicht mehr in der Form vorhanden, wie er noch vor 50 Jahren gegeben schien. Hätte man damals noch den individuellen Widerstand erwarten können, wie es die oppositionellen Kräfte in Putins Russland bis heute mutig vorzeigen, so sind etwaige Widerstände im Westen nahezu unwahrscheinlich. Wir hetzen dem jährlichen Wirtschaftswachstum hinterher und sind überzeugt, dass dafür die ökonomischen Instanzen der Demokratie überfordert sind.
Inzwischen scheinen wir die Kriterien von jährlichem Wachstum und Wohlstand in der aus der Mode geratenen Demokratie nicht mehr erreichen zu können. Das bezeichnen wir inzwischen als Krise. Daher misstraut ein Drittel der europäischen Bevölkerung dem traditionellen sozioökonomischen Modell. Im Rechtspopulismus ist man überzeugt, die Chancen zur Bereicherung im autoritären Führungsstil oder die Wohlstandssicherung durch eine Festung Europa zu realisieren.
Die Paten und Vorbilder dieses Erfolgsmodells sind Oligarchen, in Russland beispielsweise Wagit Alekperow und Roman Abramowitsch, die die Kriegswirtschaft Putins ermöglichen, in China Zhan Jindong und Lu Guanqui, die stets den Wunschvorstellungen von Xi entsprechen müssen, in den USA Bill Gates oder Elon Musk, die nun in die politischen Zielvorstellungen von Donald Trump integriert wurden. Ab nun ist der Weg in die Knechtschaft vorgezeichnet…
Friedrich August Hayek: Der Weg zur Knechtschaft. Lau Verlag. Olzog Edition. 2024. 41,10 Euro
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