Reinhold Knoll
Europa soll zerstört werden.
Gedankensplitter

Erstmals nach mehr als hundert Tagen im Amt schrieb Donald Trump einen richtigen Satz: Putin ist verrückt! 

Dass dieses Urteil in den USA nicht wirklich wahrgenommen wird, verdankt sich dem Umstand, dass es zur Tradition der republikanischen Partei gehört, der Idealvorstellung von einem autarken Amerika zu folgen. Von der Zollpolitik bis zur erschwerten Einreise in einen der Bundesstaaten zählen alle diese politischen Maßnahmen ganz konkret zum festen Bestand der republikanischen Parteigeschichte, mit dem Rest der Welt nichts zu tun haben zu wollen.

Sollte man in der deutschen Übersetzung von Woodrow Wilsons Buch Neue Freiheit nachlesen, das pünktlich 1914 erschienen war, ist man über Trump etwas weniger erstaunt als zuvor. Das Ideal lautete auch damals: America first.

Wäre der deutsche Militärattaché in den USA um 1916 kein solcher Idiot gewesen, er hieß Franz von Papen, war der spätere Reichskanzler und Vizekanzler von Hitlers Gnaden, wären die USA nicht in den Ersten Weltkrieg eingetreten. Da Papen seinen Polster für den Mittagsschlaf im Amt im Safe aufbewahrte, ließ er diesen häufig offen. Unter dem Polster aber lagen die nachrichtendienstlichen Unterlagen, in denen die Angriffspläne Mexicos gegen die USA aufbewahrt waren, die zum Teil auch vom Deutschen Reich provoziert wurden.

Dazu zählte auch der Funkverkehr des deutschen Generalstabs, wonach ernsthaft erwogen wurde, Mexico zum Krieg gegen die USA zu bewegen. Natürlich befürchtete man in Berlin den Eintritt der USA in den Krieg. Da der britische Nachrichtendienst diese Pläne entdeckte, wahrscheinlich hatte Papen wieder einmal geschlafen, wurden sie dem US-Präsidenten zugespielt, der nicht anders konnte, als widerwillig 1917 den Krieg zu erklären.

Das Eintreffen der US-amerikanischen Truppen in Europa hat den Krieg entschieden, denn alle Kriegsparteien waren erschöpft, bewegungslos, in der Sprache des Box-Sports: Stehend k.o.!

Diese Dummheit generierte weitere Dummheiten, deren Höhepunkt die feindselige Knebelung Deutschlands nach 1918 war, die Zerstörung des osmanischen Reichs und Österreich-Ungarns. Dank Lenin blieb allein Russland von diesen Siegerplänen verschont.

So blieb nur Russland als Konkursmasse des zaristisch-sowjetischen Regimes in vollem Umfang erhalten, war weiterhin ein Reich im alten Sinn und muss deshalb hundert Jahre später Putins politische Fieberphantasien verwirklichen. Putin will ja nur diese ehemalige Russische Staatenwelt wiederherstellen – mit Georgien, mit Aserbeidschan und Armenien, mit der Ukraine. Das ist ja nicht schwer zu verstehen!

Als Wilson sah, welchen Wahnsinn der Pariser Vorortefriede heraufbeschwor, reiste er aus Paris ab. Erfolgreicher war er allerdings mit seinem Programm des Abbaus der Bürokratie in den USA, man könnte sagen: weniger Staat, mehr privat. Das passte zum Programm der Republikaner, obgleich Wilson zur demokratischen Partei zählte.

Trumps und der Republikaner Plan, die USA nach Möglichkeit aus der traditionellen Verbundenheit mit Europa zu lösen, bedauern die Demokraten. Nun erleben sie, wie die nordatlantische Gemeinschaft zerbricht. Das hätte sich nicht einmal Wilson so gewünscht.

So bewahrheitet sich, was der tschechische Historiker Frantisek Palacky um 1848 prophezeit hatte: Wer den österreichischen Kaiserstaat zerstört, bewirkt, dass ihn sich entweder die Preußen oder die Russen aneignen. Beides ist so gekommen.

Nun müssen wir allerdings beobachten, dass Putin wie Trump als zweieiige politische Zwillinge gemeinsame Sache zu machen scheinen. Deren Ziel ist: die Zerstörung Europas. 

Es ist Geschmackssache, den Verdächtigungen zu glauben, die Trump im Dienst russischer Dienste sehen, auch Elon Musk. Es ist aber Tatsache, dass es den Europäern an den Kragen gehen soll. Furchtbar ist dabei die infektiöse Dummheit der Rechts-Parteien, in Putin einen Alexander den Großen zu sehen, der auf weißem Schimmel die russische Version in der Maske des Hellenismus nach Europa bringen will, wie Alexander seinen Hellenismus in den Orient brachte – bis nach Indien.

Es ist zu hoffen, dass Trump weiterhin und öfter viele richtige Sätze von sich gibt. Vielleicht gelingt es ihm, solches dann auch über sich selbst zu sagen – quasi als Geständnis.

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Reinhold Knoll

Reinhold Knoll, geb. in Wien 1941. Gymnasium und Studium der Geschichte und Kunstgeschichte in Wien. A.o. Hörer an der Akademie der Bildenden Künste. Promotion 1968 mit dem Thema „Früh- und Vorgeschichte der christlich-sozialen Partei bis 1907" (gedruckt). 1969 bis 1972 innenpolitischer Redakteur im ORF. 1973 am Institut der Soziologie an der Univ. Wien. Habilitation zur „Österreichischen Geschichte der Soziologie", gedruckt, mit Beiträgen von Helmut Kohlenberger 1988. A.o. Prof. für Soziologie ab 1989; Letzte Publikationen: The Revelation of Art-Religion, New York 2018; Letters to my grandchilden, New York 2021; und Beitrag zu Joseph von Sonnenfels, 2024.

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