Reinhold Knoll
Geld stinkt nicht!
Die Geschäfte des Elon Musk und Donald Trump
vor dem Hintergrund der römischen Geschichte
Essay

Die politische Öffentlichkeit nahm mit einiger Genugtuung und Schadenfreude die Nachricht auf, dass Elon Musk in den letzten Tagen ein paar Milliarden verloren hat. Ebenso ist der Börsenkurs des Elektroautos gefallen. Viele freut das, obwohl die meisten den Grundsatz teilen, dass Geld die Triebkraft aller Dinge ist – nervus rerum.  Das ist allerdings ein weit verbreiteter Irrtum, der heute auch den Akteuren in den USA nicht ganz klar zu sein scheint.

Im alten Italien tauschten Hirten und Bauern Vieh und Hühner, was den Wohlstand des Landes ausmachte. Im Namen dieses Landes ist der Überfluss erhalten geblieben, denn Italien hieß Viteliu – Kälberland. So war das erste lateinische Wort für Geld: pecunia – darin kommt das Vieh – pecu – wieder zum Vorschein.

Obwohl die Römer schon seit langem Kupfermünzen verwendeten, war der Wert des Viehs die Leitwährung und hat bei den Stammesbewohnern stets den wahren Wert definiert. Das galt bei den Umbrern, Sabellern und Oskern. Solange pecunia ans Vieh gebunden war, dominierte eine bäuerlich organisierte Staatswirtschaft – bis in Caesars Tage. 

Ab Caesar wurde das Geld aus seiner Wertrelation zunehmend gelöst, was in der inflationären Entwicklung zu erkennen ist. Die Virtualität von Geld wurde 2000 Jahre später mit Bitcoin noch weit übertroffen. Trump überbot diese imaginäre Bedeutung, indem er einen eigenen Bitcoin zwei Tage vor Amtsantritt als angeblicher Privatmann für sich und auch für seine Gemahlin einrichtete. Die alte Beständigkeit und Willenskraft war nicht mehr gefragt, die anfänglich das Römische Weltreich ausgezeichnet hatten. Man hatte damals noch die bäuerlichen Tugenden beibehalten: parsimonia et duritia – Sparsamkeit und Härte.

So war Cato Censorius, der ältere Cato (um 200 v. Chr.) noch Landwirt gewesen, stieg zum Feldherrn und zu politischen Ämtern auf. Cicero spottete über ihn, dass er noch nach Kuhmist rieche. Pedibus compensari pecuniam – Schnelles Marschieren über weite Strecken ist Geldes wert. Der alte Cato war das Urbild eines Römers: ein rothaariger, blauäugiger Bauer, kräftig, sparsam und Härte gewohnt. So stellte ihn Cicero in der Rede zu L. Flacco dar.

Aber nicht nur pecunia erinnert an die alte Geldwirtschaft, sondern auch die Finanzgebarung. Das ist inzwischen in jedem Punkt Geschichte geworden. Da es weder Konjunktur noch Spekulation gab, reichte es, die Steuern alle fünf Jahre festzusetzen – den Census. Es dauerte lang, bis die Steuer auch den Wohlstand der Elite zu erfassen begann. Der gesellschaftliche Wandel von bäuerlicher Kargheit zur Konsumgesellschaft wurde unter dem Titel der Luxuria besteuert.


Cato, der Sklavenhändler

Allerdings zeitigte die Verdrängung bäuerlicher Tugenden enorme Folgen. Wie die historischen US-Potentaten entpuppte sich derselbe Cato, der soeben noch als Tugendbold galt, ab 170 v. Chr. als Sklavenhalter. Er kaufte billige, ungelernte Sklaven ein, richtete sie ab und verkaufte sie mit erheblichem Gewinn. Im Grunde war er der erste bekannte Kapitalist. 

Sein berühmtes Diktum, das Lateinschüler bis heute lernen müssen: Ceterum censeo Carthaginem esse delendam – im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss, entsprang nicht der Zerstörungswut eines wahnwitzigen Generals, sondern er wollte aus Gründen der Konkurrenz den Öl- und Weinhandel Karthagos zerschlagen. Wie Trump heute die ökonomischen Konkurrenten treffen will, so auch Cato, der seinen Hass mit Interessen verband.


Wohin mit dem Geld?

Der Sieg über Karthago in drei punischen Kriegen brachte Unsummen an Münze nach Rom. Nun war Rom vom Geldfluss überfordert. Über 500 Jahre hatte man keine Idee, wie mit Geld umzugehen ist, man investierte weder in die heimische Agrarindustrie, noch erfand man Fertigungsbetriebe der vorindustriellen Ära. Man hatte bestenfalls die Infrastruktur für militärische Interessen geschaffen – mit Straßen und Brücken. Später war man klüger geworden und so wurde die römische Glasindustrie führend – wie der Gründer der kunsthistorischen Wiener Schule, Alois Riegl, beschrieben hat. 

Weder wurde der Bergbau modernisiert, noch die Schifffahrt gefördert. Investitionskapital hätte es in Hülle und Fülle gegeben. Da Rom den Außenhandel im Unterschied zu Karthago nicht kannte, war alles Geld entweder auf Kante gelegt oder für Wahlen fürs Volk von Rom aus dem Fenster geworfen worden. 

Rom blieb den Fortschritt in der Finanzentwicklung schuldig, erwies sich als schwerfällig und korrupt und hatte nichts übrig für Technik, Wissenschaft und Naturforschung. Trump ist zu dieser austerity gegenüber Wissenschaft und Naturforschung zurückgekehrt. Der politische Schwerpunkt Roms war der Krieg, jede Zahlenoperation hingegen war wie eine Geheimwissenschaft gehandhabt worden, vornehmlich von gebildeten Sklaven. So gab es in Rom Kapitalisten ohne Kapitalismus und man war wahrscheinlich auch stolz darauf, nur geringe Fortschritte erzielt zu haben.  

Die bedeutendste Innovation war der gebrannte Ziegel, der mächtige Gebäude erlaubte, von dem Griechen nur hätten träumen können. Während die Griechen an der Dachkonstruktion scheiterten, die Dächer waren vornehmlich von Holzläden gedeckt worden, kannten die Römer auch den Dachziegel, der jedes Haus vor Witterungen schützte. 

Der wirtschaftliche Erfolg Roms wurde durch Ausplündern und Tributzahlungen erzielt, der Warenimport wurde mit dem erpressten Geld der Provinzen bezahlt. Es war ein teuflischer Kreislauf, denn in den späteren Jahrhunderten nach Augustus und unter den Soldatenkaisern versiegten diese Einnahmequellen und die römische Naturalwirtschaft kehrte zu ihrer vormaligen Bedeutung zurück, womit Grund und Boden sehr kostbar wurden. 

Das ist heute kein unbekanntes Phänomen. Es kennzeichnete die letzte Phase des weströmischen Reiches, nämlich mit dem Verkauf an Grund und Boden wurden nun die Bundesgenossen bezahlt, die Verteidiger des Reiches im Norden und im Nahen Osten. 


Bezahlte Barbaren

Barbaren wurden zu politischen Größen wie Stilicho, Aetius, Ricimer, Odoaker. Mit dem Schmelzen des Staatsschatzes waren die Legionen nicht mehr zu halten und zugleich stieg die Produktion wertloser Münzen. Und bis heute findet man diese Metallassignaten auf Feldern und Äckern. Die berühmten römischen Sesterzen waren – vielleicht wie in naher Zukunft ein Bitcoin – plötzlich total entwertet worden.

Das luxuriöse Rom lebte auf den nahe gelegenen Latifundien. Im Großgrundbesitz sah man den Reichtum gesichert, auch die Macht, die man im Senat mit Nepotismus ausübte. Die Kriegssklaven waren eine billige Arbeitskraft, durch die Geschlechtertrennung noch weit entfernt, ein Proletariat zu gründen. Da war das Geld zum Untier geworden, Sallust nennt es so, nicht mehr gehorsam wie das Kalb am Strick des Metzgers, sondern wild und erbarmungslos. So schrieb Sallust im Brief an Caesar II, §98. Da kannte sich Sallust sehr gut aus, denn er war für seine anrüchigen Geldgeschäfte berüchtigt.


Der Heilige Fiskus

Zu dieser Zeit galt die Staatskasse noch als heiliger Fiscus, da ja auch die Kaiser göttlich waren. War schon Demosthenes von der Wirkung des Geldes beeindruckt, so musste Cicero diesen nervus rerum als Triebfeder für alle Kriege anerkennen, deren Erfolge von unermesslichen Summen abhängig sind – primum nervos belli pecuniam infinitam. 

Später hat der für den habsburgischen Kaiser kämpfende Montecuccoli das bekannte Zitat hinzugefügt: Für den Krieg benötigt man Geld, Geld und Geld. Cicero war dann in mehreren Prozessen, bei denen die Anklage höchste Funktionäre des Imperiums der Abzweigung von Steuergeld beschuldigte, erfolgreich: so im Schauprozess gegen Verres. Und es klingt eine gewisse Resignation durch, dass der Verlust an Steuern den Nerv des politischen Gemeinwesens treffe. 

Nun war eine deutliche Kriminalisierung der Steuereinhebung schon unter Pompeius eingetreten, denn die Steuereintreibung besorgten extra ernannte Zöllner, publicani, die über einen Pachtvertrag ihr gewinnbringendes Gewerbe ausübten. Das wird bald in den USA der Fall sein, sollte die Bürokratiereform à la Elon Musk fortgesetzt werden. 

So war ein System der Erpressung und Nötigung inauguriert worden, die den berühmten Rechtsinstituten Roms einen harten Schlag verlorener Glaubwürdigkeit versetzten. Hieronymus war im 2. Jahrhundert klar: dives aut iniquus aut iniqui heres – der Reiche ist entweder ein Bösewicht oder der Erbe eines Gauners.


Sallust, der Erpresser

Den Höhepunkt bildete ausgerechnet der für seine konservative Gesinnung bekannte Historiker Sallust, der als Prokonsul in der Provinz Neu-Africa ein unvorstellbares Vermögen erpresste und das Vermögen für Gärten am römischen Monte Pincio verwendete. Mit dem Blut afrikanischer Steuerzahler war ein Lustgarten beeindruckender Qualität errichtet worden. 

Gleichzeitig erteilte er Caesar den Rat, wo Reichtum und Ruhm erstrebenswert ist, sollten alle Güter käuflich sein. Konsequent formulierte Apuleius in seinen Metamorphosen: auro soleant adamantinae etiam perfringi fores: Gold geht durch alle Türen. Also folgt daraus die politische Spruchweisheit: plus potest qui plus valet – mehr vermag, wer mehr besitzt! Oder, was Benko nun zu bereuen hat, denn der antike Spruch hat in seinem Fall alle Geltung eingebüßt: res amicos invenit – wer Gold hat, findet auch Freunde. Das war die klare Meinung bei Plautus, dem Komödiendichter, und bei Terenz. 

Darüber machte sich auch Horaz lustig, indem er knapp anmerkte: virtus post nummos: die Silbermünzen sind vor der Tugend. Dieses Zitat musste Luther gekannt haben, da er in den Tischreden Horaz in eine neue Redewendung kleidete: qui non habet in nummis – Wer kein Geld hat, dem hilft auch nicht die Frömmigkeit.

Und aus aktuellen Anlässen ist bei Petronius in der Cena Trimalchionis, cap 53, sehr anschaulich zu lesen, was in der Spätantike Reichtum ausmachte und den Lebensstil der societas ruinierte: der Schreiber hatte für den 26. Juli in die Buchhaltung einzutragen: 500000 Scheffel Weizen in die Magazine verbracht, 500 Ochsen eingefahren,…Am selben Tag 10 Millionen Sesterzen in die Kasse abgeführt, weil sie nicht anders unterzubringen waren….

An diesem Punkt wurde Reichtum der alleinige Sinn, also verlor die reale Welt an Festigkeit und Wirklichkeit. Gerade am Ende der Republik, also gab es die reichsten Römer und das Sprichwort machte die Runde: Bei diesen Glückspilzen wurde selbst Blei zu Gold! – in manu illius plumbum aurum fiebat. Crassus, der mit Caesar und Pompeius das erste Triumvirat bildete, besaß am Beginn seiner Regentschaft rund 7 Millionen Sesterzen, am Ende seiner Karriere aber 170 Millionen. Vielleicht kann man in ähnlicher Weise den Kapitalbesitz von Trump am Ende seiner Amtszeit ermessen? Es gab auch das Gegenteil: Marcus Antonius hatte im 38. Lebensjahr 40 Millionen Sesterzen Schulden, war aber weder von der Last irritiert noch beteuerte er, diesen Fehlbetrag langsam irgendwann abzubezahlen.

Nun war das Wort luxus am Ende der römischen Republik ein Merkmal der Zivilisation geworden. Gleichzeitig war für den gesellschaftlichen Zusammenhalt diese Entwicklung eine Katastrophe. Die Gesellschaft in Rom war gespalten: hier dominierte unfassbarer Luxus, dort herrschte die Not der Proletarier. 

Spekulativ errichtete Zinshäuser brachen zusammen und begruben die Bewohner unter sich. Sie galten als rohe und unverdauliche Masse, so schrieb Ovid in den Metamorphosen: rudes indigestaque moles. Jetzt musste das Kollosseum herhalten, das grausame Vergnügen, dem Juvenal das politische Motto gab zur Beruhigung des Proletariats: Panem et circenses.

Erst jetzt war der Zeitpunkt gekommen, mit dem Geld selbst Geschäfte zu machen. Ein nobler Ritter, obendrein alter römischer Adel, Atticus, nahm für geliehenes Geld 100% Zinsen und selbst Brutus lieh Geld für 48% Zinsen. Da könnten sogar die neuen Oligarchen noch etwas lernen! Da war ein Schlaraffenland in Griffweite, denn der neue Geldadel verbrüderte sich mit der Staatsgewalt. Diese Räuberei schrie wirklich zum Himmel –res clamat ad Dominum. 

Und Lucanus setzte in den Pharsalia fort: ibi fas ubi proxima merces – Wo das meiste Geld, dort ist das Recht. Und das Geld erhielt immer mehr gesellschaftliche Eigenheiten. Die sonderlichste Eigenheit gewann es wohl unter Kaiser Vespasian im 1. Jahrhundert. Er verkaufte nämlich den Urin der Bedürfnisanstalten Roms an die Gerber und Tuchmacher. Da sich sein Sohn Titus darüber mokierte, hielt ihm Vespasian ein Geldstück unter die Nase und fragte ihn: Hat es einen üblen Geruch? Titus verneinte. Und die Antwort des Kaisers ist ein geflügeltes Wort geworden: non olet – es stinkt nicht. Sueton berichtete diese Geschichte.

Später gab es sogar noch einen Kaiser, der sich bewusst vor diesem Sumpf der Macht, der Mächte und des Geldes hütete, ja dem Grundsatz gehorchte, den er selbst aufgestellt hatte: amicus optima vitae possessio – das höchste Gut im Leben ist ein Freund. Der Tod Albrechts II. 1439 wurde wegen seiner würdevollen Treuherzigkeit und Vornehmheit im ganzen Reich betrauert. In Erinnerung blieben die Tugenden der Bescheidenheit und Demut.

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Reinhold Knoll

Reinhold Knoll, geb. in Wien 1941. Gymnasium und Studium der Geschichte und Kunstgeschichte in Wien. A.o. Hörer an der Akademie der Bildenden Künste. Promotion 1968 mit dem Thema „Früh- und Vorgeschichte der christlich-sozialen Partei bis 1907" (gedruckt). 1969 bis 1972 innenpolitischer Redakteur im ORF. 1973 am Institut der Soziologie an der Univ. Wien. Habilitation zur „Österreichischen Geschichte der Soziologie", gedruckt, mit Beiträgen von Helmut Kohlenberger 1988. A.o. Prof. für Soziologie ab 1989; Letzte Publikationen: The Revelation of Art-Religion, New York 2018; Letters to my grandchilden, New York 2021; und Beitrag zu Joseph von Sonnenfels, 2024.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Rainer Haselberger

    Eine bessere Charakterisierung von Trump’s Missachtung der Checks and Balances habe ich noch nicht gehört:
    „So war ein System der Erpressung und Nötigung inauguriert worden, die den berühmten Rechtsinstituten Roms einen harten Schlag verlorener Glaubwürdigkeit versetzten. Hieronymus war im 2. Jahrhundert klar: dives aut iniquus aut iniqui heres – der Reiche ist entweder ein Bösewicht oder der Erbe eines Gauners.“

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