Reinhard Kocznar
Zukunftswerkstatt
Notizen
Der Begriff Zukunftswerkstatt geistert seit dem Jahr 2007 durch die Medien, prominent vertreten durch die der Gegenwart immer überdrüssiger werdende Sozialdemokratie. Er hat mich fasziniert, seit ich ihn das erste Mal gehört habe. Er ist – wie ich neidvoll anerkennen muss – schlicht genial, keinesfalls weniger.
Auf den ersten Blick oder auf das erste Hinhören hin vermittelt er das in der kälter werdenden Zeit unabdingbare Gefühl der Sicherheit, ich spürte sofort, dass dort unentwegt und unverzagt emsige Genossen an (auch) meiner Sicherheit arbeiten, dass ich ebenfalls unverzagt der Zukunft entgegen gehen kann und dass ich, wandelte ich auch im finsteren Tal, einst zu einer lichten Aue geführt und dort vom nachgeordneten Sozialministerium mit von der Zukunftswerkstatt entwickelten Methoden geweidet werden würde.
Die Partei ist mein Hirte. Mir würde nichts mangeln. Ein guter Slogan verhindert bekanntlich für Jahrzehnte das Denken. Ich brauche mir daher keine Vorwürfe zu machen, wenn ich die Ahnungen konsequent missachtet und aufsteigende Gedanken beharrlich nicht weiter verfolgt habe.
Rückblickend stelle ich fest, dass mich wohl die Verknüpfung der Begriffe Zukunft und Arbeit so paralysiert hat.
Für die Zukunft war seit je her von Apollon gesorgt worden, der immer schon gute Geschäfte mit der Deutung derselben gemacht hat. Später übernahmen das dann Forschungsinstitute, die sich streng an die Richtlinien des alten Delphi hielten und damit wohl – nach der Landwirtschaft – die risikolosesten Geschäfte machen.
Eine Berufshaftpflichtversicherung für Meinungs- und Zukunftsforscher ist wegen Unterschreiten der Mindestprämie noch nicht angeboten worden.
Den Begriff Arbeit mit ins Spiel zu bringen, war für die Genossen nicht unlogisch. Sie leben ja von seiner Verwaltung und handhaben ihn wie die Katholiken die Monstranz.
Mir als arbeitsscheuem Individuum war er immer ein wenig suspekt, aber seit man alles mit Arbeit erklärt oder adelt, wie z.B. Trauerarbeit (was ist schon Trauer ohne Arbeit, bestenfalls Zwiebelschneiden), Kunstwerkstatt, Fotofabrik und so weiter, gibt er schon mehr her. Dennoch haben mich diese Überlegungen nicht restlos zufrieden gestellt.
Da ich ohnehin glaube, dass die Zukunft nie kommt und wir immer in der Gegenwart leben, habe ich tiefer geschürft. Da war einerseits die Überwindung der ungewissen Zukunft durch die Arbeit der fleißigen Massen, angeleitet von der Partei. Das erscheint sinnvoll, aber es ist nicht handfest genug. Die Erklärung habe ich dann bei jemandem gefunden, der fast schon ein halbes Jahrtausend tot ist. Es ist kein geringerer als Niccolò M.
Niccolò M., dessen Schriften von aufgeklärten Zeitgenossen als machiavellistisch gebrandmarkt werden, hat eine Menge nützlicher Ratschläge gegeben. Er hatte nichts Besseres zu tun, weil man ihn auf Eis gelegt hatte.
Einer dieser Ratschläge bezog sich auf Geld, nämlich auf das Geld des Herrschers. Niccolò M. meinte, dass er nur mit fremdem Geld prassen sollte, mit Geld aus der Kriegsbeute und dergleichen. Mit dem eigenen Geld, den Steuereinnahmen, sollte er sparsam umgehen, weil das undankbare Volk die Geschenke postwendend vergessen und ihn wegen der danach notwendigen höheren Steuern zum Teufel jagen würde.
Da es derzeit keine Kriegsbeute gibt, plündert man einfach die ungeborenen Nachkommen, was über langfristige Kredite leicht möglich ist. Niccolò M. würde vor Neid erblassen, wenn er von dem Trick gewusst hätte. Die Medici hätten ihm für die Lizenz ein Schweinegeld gezahlt.
Den Zweck der Zukunftswerkstatt verstehe ich jetzt. Immerhin muss eines Tages jemand den Zahlern erklären, warum sie für Dinge blechen, die sie nie gewollt und auch nie benutzt haben. Das meiste Geld wurde, so werden sie dann feststellen, nicht für Investitionen, sondern für das Aufrechterhalten eines Systems verbraucht, das sie aus den Geschichtsbüchern kennen.
Der Faktencheck
Dieses schöne Wort gehört allen.
Wenige Jahre nach 2007 fanden die Notenbanker den Stein der Weisen. Wurden früher noch Herrscher oder Regierungen gestürzt, wenn das Gold oder Silber so weit gestreckt war, dass die Münzen wertlos wurden, erfand man das heute so genannte Fiat-Geld.
Man verschiebt die Kommastelle am Konto und das Geld ist da. Die Methode ist zudem umweltfreundlich, kein Baum muss gefällt werden, um Papiergeld zu drucken. Rette einen Wald, verschiebe die Kommastelle, oder zeitgemäß: Save a forest, move the decimal.
Gleichzeitig senkte man die Zinsen auf null oder darunter. Wer etwas zur Seite gelegt hatte, stellte fest, dass Geld auch ohne Inflation wegschmelzen kann. Die Oberklasse freute sich, denn die seit Menschengedenken funktionierende Umverteilung von unten nach oben lief nun ohne Steuerpächter und dergleichen automatisiert und effizient ab.
Firmen sollten somit leicht an Kredite kommen, um viele Arbeitsplätze schaffen und Produkte günstig herstellen zu können. Das Gegenteil von gut ist bekanntlich nicht schlecht, sondern gut gemeint. Kredite an Firmen sind für Banken Arbeit, einfacher ist es, ins Grundbuch zu gehen. So kam es auch, und zwar weltweit.
Da es keine Zinsen mehr gab, floss das Gratisgeld in das sogenannte Betongold. Es gibt aber kein Gold außer Gold. Es ist wie alles andere endlich, was viele inzwischen merken.
Die Inflation ist wieder da und die Zinsen sind es auch. Und das Personal, um damit umzugehen?
Im Jänner hörte ich den Vortrag eines Börsen-Hellsehers. Er berichtete, Berechnungen zufolge falle die Inflation im Sommer auf 5.6 Prozent. Tatsächlich steht sie im Mai 2023 hierzulande bei 9%, in der EU insgesamt bei 6,98 %, in Deutschland bei 6,1%, die Schweiz dagegen ächzt unter 2,16%.
Der weise Zukunftsforscher begann im Jahr 2011 sein Studium, als die Zinsen auf null fielen. Heute belehrt er. Man könnte mit ihm statt über Zinsen auch über das Mare Tranquillitatis reden, von dem manche wissen, dass es ein Landstrich auf dem Mond ist.
Da bleiben nur noch die Geschichtsbücher. Die sind aber auch bald passé. Denn die Kenntnis von Geschichte setzt das Verstehen linearer Texte voraus (Vilém Flusser).
(1) Fiatgeld ist ein Wirtschaftsobjekt ohne inneren Wert, das als Tauschmittel dient. Das Gegenteil von Fiatgeld ist Warengeld, als das z. B. Tabak, Reis, Gold oder Silber dient, das neben dem äußeren Tauschwert auch einen inneren Wert hat, der unabhängig von Regierungserlassen ist, solange damit bezahlt werden darf. Wikipedia
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