Reinhard Kocznar
Kohle - der nachwachsende Rohstoff
Satire
Gemeint sind hier nachwachsende, also sozusagen sich selbst erneuernde Rohstoffe. Das Gegenteil definiert z.B. Wikipedia als Nichterneuerbare Rohstoffe. Das sind Rohstoffe, bei denen die Geschwindigkeit ihres Verbrauchs die Geschwindigkeit ihrer Regeneration übersteigt.
Als Beispiel für letztere gilt umgangssprachlich die Kohle. Bereits hier muss man genauer hinsehen. Betrachtet man die Kohle, welche Politiker:innen verbrennen, so ist diese Sichtweise mühelos ad absurdum geführt. Die Asche ist noch nicht ausgeräumt, da steht schon wieder Kohle zur Verfügung, mindestens in der doppelten Menge, die gerade noch verbraucht worden war.
Ein früheres Beispiel aus nächster Nähe ist die Sanierung des ehemaligen Stadtcafé, das mittlerweile dem Haus der Musik gewichen ist. Bereits hier lässt sich feststellen, dass die Kohlensorte keine Rolle spielt. Es geschah noch in der Schillingzeit. Die Höhe der Kosten wurde anfangs mit einer Million Schilling berechnet, tatsächlich waren es dann fünfzehn ihrer, als das Café wieder in Betrieb ging.
Die Bauzeit des Mailänder Doms mit fast 600 Jahren war dabei deutlich unterschritten worden, alles spielte sich in der Lebensdauer des österreichischen Schillings ab. Kohle wurde herangeschafft und alles bezahlt. Ein Stadtrat hatte sich hinterher die Sache angesehen, weil Kleingeister die Diskrepanz zwischen Anfang und Ende bemängelt hatten, und kam zum Schluss, dass alles stimmte. Er hatte die aufgelaufenen Rechnungen addiert und die Endsumme als korrekt erkannt.
Phonetisch nahe am Schilling liegt der frühere Finanzminister Schelling. Er sorgte dafür, dass im Jahr 2016 der steuerzahlende Teil der Menschen, die schon länger hier leben, für die 148-Millionen-Pleite des bankrottgegangenen Vermögensberaters Auer von Welsbach aus dem Jahr 2012 geradestehen und Kohle heranschaffen mussten.
Ein Jahr zuvor hatte der OGH die abgestürzte Firma zum Schadenersatz verurteilt. Weil sie pleite war, musste eine nachträgliche Gesetzeskorrektur die Möglichkeit eröffnen, trotz des Urteils öffentliche Kohle beschaffen zu dürfen. Es ging schnell und diskret, andernfalls hätte das Vertrauen der Anleger:innen in wohlklingende Versprechungen gelitten.
Immerhin, das war ein Klacks gegen die kurz vorher verunglückte Hypo Alpe Adria. Die Kohlehalden hatten auch dafür ausgereicht.
Zurück zum Haus der Musik. Es hätte ca. 25 Millionen kosten sollen. Daraus wurden 58 und bald 62 Millionen. Höher hinaus ging es mit der Patscherkofelbahn. Das Projekt begann mit 34 Millionen, es wurden mehr als 80 daraus. Das darf jedoch nicht zu vorschnellen Schlüssen verleiten.
Jedem Häuslbauer kann es passieren, dass er mit Kosten von 500.000 rechnet und letztlich werden es zwei Millionen. Der hat allerdings Pech, denn als nachwachsender Rohstoff gilt nur die Kohle anderer, niemals die eigene, erst recht nicht, wenn die oben genannte Größenordnung eines Auer von Welsbach nicht annähernd erreicht wird.
Am 7. Mai 2022 meldeten Medien, dass die Stadt um 3,4% günstiger baut als Private. Der Bürgermeister hatte das auf die Kommastelle genau herausgefunden. Kein Wunder, dass ihm lockere Sprüche ehrlich auf die Nerven gingen, zumal er die genaue Planung und begleitende Kontrolle erwähnte.
Aus der Sicht des Frühjahrs 2023 kann beim Boznerplatz somit nichts schief gehen. Wer sich fragt, wie es möglich ist, ohne Hochbau mehr als 9 Millionen auf dem kleinen Platz zu verbauen, kennt die Kreativität der Politiker:innen nicht.
Bekanntlich lautet eines der zahlreichen Gesetze Murphys: Man kann nichts narrensicher machen weil Narren so erfinderisch sind. Angesichts des Verlaufs der erwähnten Projekte werden schlussendlich wohl 18 Millionen draus. Zu Murphy: er galt als Optimist.
Die Auswahl ist, wie man einwenden kann, willkürlich. Das geht aber leicht, schwierig würde es werden, eine vollständige Liste zusammenzustellen. Sie würde nicht so schnell enden, weder in der Zeit der Anfertigung noch später im Umfang.
Nie wurde das Geld so vieler für so wenige in so großen Summen ausgegeben. Die Nachbetrachtung zeigt, dass es nichts ausmacht. Das Geld ist ja nie weg, es hat nur wer anderer. Man hört nichts mehr davon, und die Kohlehalden schrumpfen nicht.
Des Bürgermeisters Vergleich öffentlich/privat bedarf einiger Anstrengung, um ihn zu verstehen, aber daran soll es nicht scheitern. Nahe liegt einstweilen aus Murphy’s Gesetzen Shaw’s Principle: Build a system that even a fool can use, and only a fool will want to use it.
In dieser großen Zukunft kann man die Vergangenheit nicht vergessen, meinte schon Bob Marley. Wenn das passiert, dann klemmt die Zukunft. In dieser Lage befindet sich eine Gemeinde, die in diesem Frühjahr vor dem Konkurs steht.
Das kam allerdings nicht von ungefähr, schon ein Jahr früher lauteten die Meldungen so, wie sich die Lage nun darstellt. Bei jährlichen Einnahmen von erfreulichen 15 Millionen stehen wie vor einem Jahr 35 Millionen Schulden an. Schlimme Worte sind gefallen wie kaputt sparen, woran es wohl nicht gelegen sein kann.
Nun hat sich der legendäre Finanzreferent eingeschaltet: Unser Interesse muss es sein, dass die Gläubiger 100 Prozent der Verbindlichkeiten …zurückbekommen. Die Kohlehalde hatte unerwartet nur für ein Angebot von 80 Prozent gereicht. Es wäre unsensibel, darauf hinzuweisen, dass in einem üblichen Konkurs eine Quote von 5 Prozent keine Seltenheit ist, zu zahlen in einem Plan über drei oder fünf Jahre in vierteljährlichen Raten.
Die ernste Lage hat auch die Kammer auf den Plan gerufen. Ein Insolvenzverfahren in … würde das Vertrauen in die öffentliche Hand nachhaltig und über Jahre untergraben. Der Schaden für Land, Gemeinden und Standort ist nicht zu verantworten, erkennt sie warnend.
Der Gleichheitsgrundsatz kann angesichts der Situation schon unter die Räder kommen, denn das müsste für alle drohenden Insolvenzen gelten.
Wir sind längst eine Rettergesellschaft geworden, ständig gibt es irgendwo irgendetwas zu retten. Das erspart andererseits die Unannehmlichkeit der Ursachenfeststellung oder gar von Konsequenzen.
Wozu auch, denn wie Nietzsche spitzfindig bemerkte: Nach der Wirkung glauben wir an andere Ursachen als vor der Wirkung. Da bleiben wir doch lieber beim jeweiligen Endzustand und graben weiterhin Kohle ab.
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