Reinhard Kocznar
Heute schon gerettet?
Wie man sich 80 Prozent Rabatt erwirtschaftet.
Ein Ratgeber

Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch, tröstete (sich) Hölderlin. Stefan George hatte dazu den klareren Blick: Wo Rettung ist, ist auch Gefahr.

Gefahr belebt. Man kann aufregende Momente erleben, zum Beispiel als Bergretter, und ist dabei auf der Seite der Guten. Wagemut, Professionalität und der Wille, trotz Gefahren und Strapazen das Ziel zu erreichen, werden zu Recht anerkannt und respektiert. Das lässt den Umstand in den Hintergrund treten, dass Gerettete nicht in der Lage waren, die einfachsten Dinge einzuschätzen, irgendwann nicht wussten, wo sie weitergehen sollen oder nur müde geworden sind und den Deus ex machina anforderten.

Den finanziellen Aspekt beiseitegelassen – bleibt vor allem das Gerettete erkennbar. Es geht auch eine andere Sicht.

Vor kurzem schrieb ich einen Beitrag über einen zu Rettenden, der der Größte sein wollte und zu diesem Zweck quer durch Österreich ein Hotel nach dem anderen aufkaufte. Gemeinsam waren den Hotels die Geschäftsführung an einer Adresse in der Wiener Innenstadt sowie der Umstand, dass sie inzwischen alle pleite sind. Die Rettung erfolgt derzeit im Rahmen einer Sanierung in Eigenverwaltung, womit  über einen Zeitraum von zwei Jahren nur mehr 30% dessen gezahlt werden muss, was anderen geschuldet wird.

Die Berichterstattung beschränkte sich wie üblich darauf, dass die Arbeitsplätze sicher seien, abgesehen von den Copy&Paste Texten der Kreditschützer, die immer dieselben sind.

Ein dekorativer Fall dieser Art hat sich soeben in einem anderen Bundesland ereignet. Zwei Apotheken sind pleite. Das nachzuvollziehen fällt schwer. Ein Geschäftsmodell, das noch sicherer ist, hat nur der ORF. Er weiß heuer genau, wieviel er im kommenden Jahr einnimmt, im Folgenden und so weiter.

Apotheke A weist Passiva von € 3,4 Millionen auf, Aktiva € 232.000, Apotheke B Passiva von € 765.000 und Aktiva von € 50.000. Besitzer ist derselbe. Der Kreditschutzverband (KSV) erklärt die Ursache mit einer Großinvestition, bei der es zu erheblichen Kostenüberschreitungen gekommen sei. Was man sich zu dieser Begründung denkt, bleibt besser ungeschrieben. Die zweite Apotheke wurde zugekauft. Bei einem ertragreichen Betrieb dieser Art dürfte das kein Schnäppchen gewesen sein.

Erschwerend sei hinzugekommen, dass ein Hauptlieferant die Zahlungsziele verkürzt habe. Das ist lustig. Die Kunden der Apotheke bezahlen an Ort und Stelle, die Kassen überweisen den Rest. Dass sie Medikamente schuldig bleibe, ist bislang noch nicht behauptet worden. Wie können dann Zahlungsziele von Lieferanten problematisch sein?

Hilfe ist nahe. Eine Fortführung der Unternehmen ist vorgesehen. Die wirtschaftliche Prognose, ob eine Apotheke mit geschütztem Einzugsbereich fortgeführt werden kann, wird ohne aufwändige Computersimulation mit JA beantwortet werden können.

Vorerst muss das Schicksal der Mitarbeiter bedacht werden. Von der Pleite betroffen seien in Apotheke A neun, in Apotheke B sechs Personen – steht in den Zeitungen.

Betroffen? Wer immer die Apotheken fortführt, tut alles, um die Mitarbeiter zu halten, sie werden überall mit offenen Armen empfangen. Es ist die Fortführung und Sanierung des Unternehmens geplant. Den Gläubigern wird ein 20-prozentiger Sanierungsplan angeboten, sagt Petra Wögerbauer vom KSV1870. Die erfolgreiche Umsetzung des Sanierungsplans und die Zustimmung der Gläubiger sind die Basis, um den Fortbestand des Traditionsunternehmens zu sichern.


Der Reihe nach

Die Gläubiger haben die Wahl zwischen null und 20%. Unschwer zu erraten, wofür sie sich entscheiden werden.
Fortbestand des Traditionsunternehmens? Die abgesteckten Claims mit garantierten Erträgen dürften unverzüglich und problemlos neu zu vergeben sein, der Fortbestand des Traditionsunternehmens bietet keinen erkennbaren Mehrwert.

Umsetzung des Sanierungsplans? Ein nachträglicher Rabatt von 80% auf alles, was offen ist, bei gesichertem Kundenstock und unverzichtbaren Produkten, lässt kein unüberwindbares Hindernis erkennen. Neun ungefährdeten, gleichwohl an prominenter Stelle angeführten Mitarbeitern stehen in einer Apotheke 65 Gläubiger gegenüber, die nun erhebliche Verluste zu realisieren haben, in der zweiten Apotheke sind es 48 Gläubiger.

Bei dieser einseitigen Betrachtung der Betroffenen soll auch der wirtschaftliche Aspekt der Sanierung betrachtet werden. Im Fall A, Passiva 3,4 Millionen, sollen 20% in den kommenden zwei Jahren abgestottert werden. Das ergibt eine Entschuldung von 80%, also von € 2.720.000.

Wenn ich richtig gerechnet habe, belaufen sich die Kosten des Masseverwalters auf€ 40.500, zuzüglich Mehrwertsteuer. Letztere ist aber ein Durchlaufposten und kann außer Betracht bleiben. 2.720.000 loszuwerden kostet somit 40.500, also 1,49% der Erleichterung. Die Gerichtskosten sind nicht hoch und spielen da keine Rolle.

Der Masseverwalter regiert einstweilen, ist aber nicht lästig. Seine Aufgabe ist sicherzustellen, dass der Zahlungsplan eingehalten wird. Er wird keine schlaflosen Nächte haben und den Sanierenden auch keine bereiten.

TINSTAAFL ist die Abkürzung für eine englische Redewendung, there ain’t no such thing as a free lunch, ein kostenloses Mittagessen gibt es nicht. Ausnahmsweise geht es auf Deutsch kürzer: Einer zahlt immer. Hier sind es 113. Noch nie in der Geschichte des Traditionsunternehmens mussten so wenige so vielen dankbar sein.

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Reinhard Kocznar

Reinhard Kocznar ist Versicherungsmakler und lebt in Birgitz. Seit 30 Jahren selbständig, während 25 Jahren zweiter Beruf als Leiter eines Softwareentwicklungsteams und Systemadministrator. Als Schriftsteller hat er bisher 7 Bücher veröffentlicht, Krimis, Thriller, Erzählungen und Essays. Literarisch betreibt er den Online-Buchshop: https://books.kocznar.com . Leidenschaftlicher Fotograf, Sportschütze und Motorradfahrer.

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