Reinhard Kocznar
Geisterreiter
Notizen
Der Landeshauptmann reitet wieder, allerdings als Geisterreiter, zeitgemäß eher als Geisterfahrer. Österreich spielt den Musterschüler, lässt er in den Medien titeln. Den Anlass boten die Finanzausgleichsverhandlungen, ein Begriff, der an sich schon lächerlich ist.
Zum Föderalismus gehört in der Schweiz oder in den USA, dass Bundesstaaten oder Kantone ihre eigenen Steuern erheben und damit auskommen müssen. Eine Gemeinde kann dort pleitegehen und unter Fremdverwaltung geraten, was in den USA auch passiert. In Österreich können Länder und Gemeinden ausgeben, was sie für angemessen halten, der Bund hat das auszugleichen. Unsere angeblich so elegante Verfassung ermöglicht das.
Dieses landesväterliche Grundverständnis ließ ihn in der FMA, der Finanzmarktaufsichtsbehörde, den Musterschüler erkennen. Der Begriff Gold Plating im Sinne von Gesetzesregelungen, die über das Ziel hinausschießen, durfte dabei nicht fehlen.
Sparsame Menschen werden bestraft, erkennt er, weil die maximale Beleihungsquote von 90% einen Eigenmittelbedarf von 20% voraussetzt und der Schuldendienst 40% des Einkommens nicht übersteigen darf.
Sparen (englisch saving, französisch épargner) ist in der Wirtschaftswissenschaft und in der Umgangssprache der Verzicht auf den Verbrauch von Einkommen oder Gütern und Dienstleistungen (Konsumverzicht) zwecks späterer Verwendung. So steht es in der Wikipedia.
Was nicht dabei steht, aber viele wissen, Sparen muss man sich leisten können. Normalverdienern fällt das immer schwerer, schon deshalb, weil durch Steuern und Gebühren an die 40% abkassiert werden. Zeiten, in denen man den Untertanen den Zehnten nahm, waren die reine Gnade gegen die Gegenwart. Einen Kredit aufzunehmen fiel nie unter Sparen.
Dass der LH das aber in seiner Funktion als Finanzreferent gesagt hat, gibt der Sache Gewicht. Häuslbauer können davon lernen.
In seiner Welt wird refinanziert. Vor einiger Zeit fand ich eine Mitteilung, dass Österreich eine fällige Verbindlichkeit durch eine neue mit 50-jähriger Laufzeit refinanziert hat: nahe bei null Prozent. Man hat sich dadurch einiges an Zinsen erspart.
Wir wissen, dass von Steuern Schulen und Brücken gebaut werden, weshalb wir sie auch gern zahlen. Falls irgendwann doch nicht refinanziert, sondern rückgezahlt werden müsste, werden die Zahler nicht wissen, wo diese Schule oder Brücke jemals gestanden haben. Denn dann lebt keiner mehr von uns, weshalb es uns gleichgültig sein kann. Wenn Privatleute hier anders behandelt werden, ist eigentlich der Gleichheitsgrundsatz nicht eingehalten.
So ist auch folgender Grundsatz zu sehen: „Bei der Kreditvergabe muss die Rückzahlungsfähigkeit des Kreditnehmers und nicht die hypothekarische Besicherung des Kredits im Vordergrund stehen.“
An sich klingt das nicht unvernünftig, obwohl die Bank kein Problem hat, wenn bis zur Grenze ihrer Belastbarkeit finanzierte Häuslbauer oder Wohnungskäufer Schwierigkeiten bekommen. So wie das Geld nie weg ist, es hat nur wer anderer, ist es mit dem Haus oder der Wohnung dasselbe. Die hat dann wer anderer, die Bank ist dann bei jemand anderem im Grundbuch.
Nur mit dem Musterschüler hat er sich geirrt, was ja passieren kann. Österreich ist da kein Musterschüler. Die ersten Warnungen wurden vom Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) bereits 2016 an acht Länder, darunter Österreich, ausgesprochen. Im März 2022 wurde der Policy Mix noch immer nur teilweise für angemessen und hinreichend empfunden, was zu einer konkreten Empfehlung geführt hat. Diese ist nun umgesetzt.
Wir sind also nicht allein: As a result of the assessment, in December 2021 the ESRB decided to issue two recommendations (Germany and Austria) and five warnings (Bulgaria, Croatia, Hungary, Slovakia and Liechtenstein) to countries in which the policy was assessed as not fully sufficient … (ESRB, Vulnerabilities in the residential real estate sectors of the EEA countries, February 2022, S 5)
Ein weiteres Problem sind die variablen Zinsen. Dazu die Mitteilung des Internationalen Wirtschaftsprüfungsnetzwerks KPMG: Während in Deutschland nur rund 11% der ausstehenden Wohnbaukredite an private Haushalte variabel verzinst sind, sind es in Österreich 38%. Das Risiko von Zahlungsschwierigkeiten ist damit höher, und ein Rückgang des Werts der zur Besicherung dienenden Immobilien wahrscheinlicher. (KPMG, 2022)
Dass Rückzahlungen teurer werden, dürften inzwischen viele erfahren haben.
Die lange Zeit der Nullzinsen ist zu Ende, sie hat aber ein eigenartiges Bewusstsein geschaffen. Geld kostete nichts. Vor dieser Zeit war ein Bausparvertrag mit 6% Verzinsung günstig und der Markt florierte. Der erforderliche Eigenmittelanteil betrug 30%.
Unser Finanzreferent ist nicht allein mit seinen Wünschen, andere Länderpolitiker waren schon vor ihm da. Darunter auch die Idee, Garantien zu gewähren. Diese Leute hatten aber die Vorgaben nicht genau gelesen, denn da ist die Rede von der Rückzahlungsfähigkeit, nicht von der Besicherung. Natürlich hängen sich Finanzdienstleister mit ihren Wehklagen gleich dran.
Da stellt sich die Frage, wie sieht es anderswo aus?
Im deutschen Handelsblatt sehe ich heute: Sparkassen erleben Einbruch des Immobiliengeschäfts – Das Neugeschäft der privaten Baufinanzierung ist im September um etwa 30 Prozent gesunken. Ähnlich geht es den Volksbanken.
In einem anderen deutschen Bundesland ist von mehr als 50% Rückgang die Rede.
Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.
Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen