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Reinhard Kocznar
Zweiundneunzig Prozent Linke sind nicht recht.
Essay

Alle schauen auf Orwell und niemand sieht Parkinson.

Die Rede ist von keinem geringeren als Cyril Northcote Parkinson. Dieser formulierte sein bekanntestes Gesetz, nachdem er beobachtet hatte, dass das britische Kolonialministerium unbeirrt weiter wuchs, obwohl die Zahl der Kolonien kontinuierlich abnahm. Er postulierte zudem, dass eine Behörde auch dann noch weiter wächst, wenn ihre Kernaufgaben ganz entfallen sind.

Parkinson artikulierte seine Gesetze in den 1950er Jahren und bezog sie auf die Verwaltung. Wer wäre damals auf die Idee gekommen, dass man sie auf ein gesamtes Unternehmen anwenden kann? Kann sich ein Unternehmen der Beschaulichkeit widmen und weiter existieren, ohne dass Adam Riese zurückschlägt? Wird hier Matthäus Kapitel 6, Vers 26 wahr: „Sehet die Vögel des Himmels. Sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen, euer himmlischer Vater ernährt sie doch“.

Es geht, oder wie die Progressiven sagen würden – es ist machbar, Nachbar! Der Nachbar macht’s möglich, jedenfalls der steuerzahlende Teil derer, die hier leben, und er wird nicht gefragt. Andernfalls sähe es für fremdfinanzierte Beschaulichkeit schlecht aus.

Es gibt eine Berufsgruppe, die vorgemacht hat, dass sie ihrer Kernaufgabe überdrüssig ist, aber unverdrossen weitermacht – der Journalismus. Hatte er sich in den allerersten Anfängen noch mit Information befasst, mit Nachrichten, die säuberlich vom Kommentar – also der persönlichen Ansicht – getrennt publiziert wurden, so ist das erst allmählich und in den letzten zwanzig Jahren völlig abhandengekommen.

„Nur die Klugscheißer haben sich in dieser Zeit beflissentlich schlimmer als Meerschweinchen vermehrt, einen Haufen Junge gemacht, und das schulmeistert und belehrt“, sang Reinhard Mey, und er irrte, als er fortsetzte „es ist noch alles, wie es war“. Es ist schlimmer geworden, und ein Ende ist nicht in Sicht.

Was noch an Nachrichten kommt, entspricht dem Weltbild der erklärenden Zunft, und es wird nicht informiert, sondern mit deren Ansichten gespickt gleich als Kommentar übermittelt.

Ein Beispiel lieferte kürzlich der ORF mit einem ‚kritischen‘ Bericht über die Rentabilität von kleineren Wasserkraftwerken. Ein Vertreter einer NGO wurde mit Kritik an Förderungen zitiert. Inwieweit NGOs Relevanz zukommt, sei dahin gestellt. Bald darauf folgte die Nachricht, dass die EU Wasserkraft als ‚Übergangstechnologie‘ ansieht, denn nach dem Kanon der Grünen ist nur Photovoltaik oder Windrad akzeptabel.

Da sollte jeder gleich noch möglichst viele Landschaftsbilder machen, denn von Tirol wird nichts übrig bleiben unter schwarzen Sonnenschilden, zwischen denen Windräder hervorragen. Dass diese hässlichen Dinger ohne Förderung gar nicht existieren würden, wird übergangen.

Es ist Stimmungsmache, nicht Information.

Der CEO des Springer-Konzerns, Mathias Döpfner, hat das ‚Schreiben für die Kollegen’ Anfang 2019 in einem Beitrag thematisiert, ohne die geringste Reaktion auszulösen.

Das Orientieren an Kollegen ist allerdings keine journalistische Eigenart. Als ich vor vielen Jahren in ein berufsständisches Gremium gewählt wurde, musste ich feststellen, dass sich die Abgeordneten unverzüglich danach ausrichteten, in diesem Gremium Prestige zu erlangen. Die Vertreter verloren die angeblich von ihnen Vertretenen unverzüglich aus den Augen. Dieses Verhalten ist menschlich, dessen ungeachtet kontraproduktiv. Paradoxerweise hält man es durch interne Auszeichnungen am Leben.

Das Schreiben für die Kollegen ging lange durch, auch wenn man der Wahrheit nachhelfen oder sie notfalls gar neu erfinden musste, um den Erwartungen gerecht zu werden. Es dauerte bis Ende 2018, dass die ersten Märchenerzähler als solche entlarvt wurden.

Der deutsche Playboy veröffentlichte ein Interview mit dem legendären Komponisten Ennio Morricone, in dem sich Morricone sehr herablassend über Filmschaffende äußert. So bezeichnete er Quentin Tarantino als ‚Kretin’ und seine Filme als ‚Trash’. Auf erste Proteste hin blockte der Burda-Verlag energisch ab und versicherte, das Interview habe in Rom in Morricones Privaträumen stattgefunden. Morricones Antwort ließ nicht auf sich warten, er bestritt, dass er dem deutschen Playboy jemals ein Interview gegeben habe. Am 14.11.2018 hatte der Playboy die Sache endlich selbst verstanden und erklärte, den Journalisten wegen Betrugs anzuzeigen.

Ein mehrfach preisgekrönter Exponent des Journalismus fiel damit auf, Interviews und Märchengeschichten erdichtet zu haben. Der Spiegel-Redakteur Claas Relotius hatte seine Interviews sorgsam mit erfundenen Figuren und ebenso erfundenen Biografien derart konstruiert, dass die entzückten Kollegen ihn in den Himmel lobten und mit Preisen überschütteten. Kleinlaut gab der Konstrukteur die Preise zurück. Das wäre nicht notwendig gewesen: er hatte nur geliefert, was man von ihm erwartet hatte.

500 Journalistenpreise, meinte damals das Fachjournal meedia.de, seien eventuell mehr als genug. Der Anfall von Selbstkritik ging folgenlos vorüber. Die Branche bewies, dass auch Weihrauch abhängig machen kann. Sie bemühte sich, Relotius als den sattsam bekannten Einzelfall hinzustellen. Das klappte aber nicht mehr.

Beim WDR ereignete sich mit der Serie ‚Menschen hautnah’ Ähnliches. Zuschauer hatten erkannt, dass in der Serie, in der Menschen ihr persönliches Schicksal schildern, dreimal dieselbe Person ein anderes Schicksal erzählte. Es stellte sich heraus, dass die Autorin der Serie dieselbe Person bei derselben Komparsenagentur gebucht hatte. Der Sender war ‚enttäuscht‘ und beendete die Zusammenarbeit mit der Autorin.

Wenn man keine passende Geschichte hat, wird eben eine angefertigt, die in das Format passt. ‚Vorsortierung der Wirklichkeit’ nannte das der Medienkritiker Fritz Wolf und weiter: „2003 waren 66 Prozent der dokumentarischen Arbeiten formatiert, inzwischen sind es 75 bis 80 Prozent“.

Im März 2019 trennten sich SZ, Spiegel und Zeit von einem preisgekrönten Autor. Eine Protagonistin war für ein Foto nicht aufzufinden gewesen. Nachforschungen wiesen dem Preisträger ‚schludrigen Umgang mit der Wahrheit’ nach.

Man kann sich fragen, wozu Journalisten gesetzlichen Schutz für Informanten brauchen, wenn diese in nicht geringer Zahl ohnehin erfunden sind. Andererseits ist es in solchen Fällen sogar hilfreich.

Das zahlende Publikum stimmte wenigstens hier ab, und zwar an der Kasse. Die verkauften Auflagen waren im wohlverdienten steilen Sinkflug. Mit Feber 2019 ergab das nur am Beispiel des DuMont Verlages ein Minus von 43,5% in zehn Jahren. Der Verlag zog die Reißleine und kündigte den Verkauf des gesamten Zeitungsgeschäfts an.

Die Redakteure verstehen offenbar nichts vom wirtschaftlichen Aspekt eines Unternehmens, den es ja irgendwo ganz versteckt auch noch geben muss. Der Springer Verlag kündigte damals für das Jahr 2018 das beste wirtschaftliche Ergebnis der Unternehmensgeschichte an.

Der Gewinn stieg um 14 Prozent auf 737,9 Millionen Euro. Die Sparte Classified Media mit ihren Job- und Immobilienportalen erzielte das Wachstum von rund 20 Prozent. Das sind reine Anzeigenportale. Das Geschäft der Nachrichtenmedien, zu der die Zeitungen Bild und Welt gehören, war wie gewohnt rückläufig. Die Nettoumsätze der Zeitungen blieben um 4,8% hinter dem Vorjahreswert, die Nettowerbeumsätze um 7%.

Das Wachstum wurde also ohne Journalisten erzielt, der Verlag hatte sich von ihnen entkoppelt. Dieses Detail fiel ihnen nicht auf. Sie bemerkten nicht, dass der Verlag nicht nur weiterlebte, sondern kräftig wuchs, während sie sich selbst an den Rand geschrieben hatten und das Betriebsergebnis ihre Überflüssigkeit bewies.

Im Gegenteil, im März 2019 titelten Journalisten groß, dass die Zeitungen eine reine Männerdomäne sei. Es zählt also, wer den Artikel geschrieben hat, und nicht, was drin steht, schon gar nicht, ob er bei den Adressaten ankommt.

Der Journalismus hat völlig aus den Augen verloren, dass er seine Arbeit dem Publikum zum Kauf anbietet. Sie halten sich für Autoritäten, die in einem Amtsblatt Verordnungen verlautbaren.

Das ist der nichtstaatliche Teil, bei dem Adam Riese mitreden darf. Im geschützten Bereich sieht das anders aus.

In einer kürzlich durchgeführten Studie wurden Volontäre der ARD, des Deutschlandradios und ähnlicher Einrichtungen befragt. Hinsichtlich der politischen Präferenzen stellte sich heraus, dass 57,1% grün wählen würden, 23,4% Die Linke und 11,7% die SPD.

Das bedeutet einen bemerkenswerten Anteil von 92,2% für das linke Spektrum. Die Union wäre beim Nachwuchs der ARD auf klägliche 2,65% gekommen.
Im Vergleich hätten sich im Zeitraum der Studie die 18- bis 39jährigen so entschieden: 33% Union, 27% grün, 13% SPD und 9% für Die Linke. Das linke Spektrum erreichte nur mehr 49%. Man kann davon ausgehen, dass hinsichtlich der Anstalten in Österreich ähnliche Ergebnisse zutage treten würden.

Der journalistische Nachwuchs ist von keinem Zweifel angenagt. Eine Stellungnahme lautete so: „Man sieht es einfach, wenn ein Team diverser besetzt ist“, … „Dann ändern sich die Brillen auf ein Thema, dann werden andere Fragen gestellt, und es wird anders diskutiert.”

Anders zweifellos! Ob das Produkt draußen an den Empfängern noch ankommt, ist ein Detail, das in den gebührenfinanzierten Anstalten nicht überbewertet wird.
92,2% erklärt linkes Personal entspricht jedenfalls nicht annähernd der Ausrichtung der zahlenden Bevölkerung. Das ficht dort niemand an. Die Themen kreisen um gewohnte Interessen wie Diversität, die bezieht sich aber ausschließlich auf die eigene Sicht der üblichen Quotenwünsche.

Besonders stolz ist die Studie auf den Bildungsabschluss. 95 Prozent haben studiert, fünf Mal so viele wie in der Gesamtbevölkerung. In einer Zeit, in der man dringend Handwerker sucht, dürfte es sich dabei allerdings um Fächer wie Politikwissenschaft, Publizistik oder Ähnliches handeln.

In diesem Zusammenhang kann die sogenannte ‚Vierte Macht‘ nicht unbeachtet bleiben. Als eine solche verstehen sich ja die ‚Medienschaffenden‘. An sich ist die Einteilung in Legislative, Exekutive und Rechtsprechung bislang nicht die schlechteste Idee gewesen. Verwässert wird das bereits durch Mitglieder der Exekutive, z.B. Minister, die auf Abgeordnetenbänken sitzen und mitbeschließen, was sie später ausführen.

Bei den Medien ist der Anspruch endgültig lächerlich. Ernst nehmen könnte man ihn, wenn die Verkaufszahlen nachweisen würden, dass ihre Produkte vom Publikum in hinreichendem Maß akzeptiert und freiwillig bezahlt werden. Das würde allerdings voraussetzen, dass es keinerlei Presseförderung gibt. Diese ist  die Alimentierung vorgefasster und erwünschter Meinungen.

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Reinhard Kocznar

Reinhard Kocznar ist Versicherungsmakler und lebt in Birgitz. Berufliche Laufbahn: LKW-Fahrer, pragmatisierter Postbeamter, Bankkassier, Geschäftsführer in einem Nachtlokal, dann im Reifenhandel, anschließend Tätigkeit in der Versicherung, zuletzt als Direktor. Seit 30 Jahren selbständig als Versicherungsmakler, während 25 Jahren zweiter Beruf als Leiter eines Softwareentwicklungsteams und Systemadministrator. Als Schriftsteller hat Kocznar bisher 7 Bücher veröffentlicht: Krimis, Thriller, Erzählungen und Essays. Literarisch betreibt er den Online-Buch-Shop: www.hardboiled-krimis.com .

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