Reinhard Kocznar
Die Überflieger
Großmannssucht, Förderungen und 80% Rabatt
Ein Wirtschaftsmärchen
Es war einmal, vor nicht langer Zeit, in einem Ort in Tirol, in dem auch der Fremdenverkehr florierte. Ohne Ballermann, hauptsächlich Wanderer und Bergsteiger. Ein Investor kam. Er verlangte, ein Hotel zu bauen, das alle anderen dort in den Schatten stellen musste.
Widerstand regte sich, was nur verständlich war. New Kid in Town, unübersehbar und auch etwas überdimensioniert. New Kid wusste, was zu tun ist. Das Hallenbad war längst zu sanieren, das Geld fehlte, schon der Betrieb war zu teuer. Also versprach man vier Millionen für das Hallenbad, die der Ort nie aufgebracht hätte. Aber Zahlen sprechen nie ausreichend für sich, man muss immer etwas nachhelfen.
Der Ort hatte einen rührigen Bürgermeister, der auch gut kommunizieren konnte. In einer intensiven Telefonaktion schaffte er in einer Volksbefragung eine sagenhafte Zustimmung. Das Projekt wurde genehmigt. Der Bürgermeister machte bald darauf einen sensationellen Karrieresprung.
Freunde aus dem Ort erzählten mir davon: Wir glaubten kein Wort von dieser Geschichte. In diesen Tagen habe ich ihnen eine Zeitungsmeldung geschickt, im Antwortmail sah ich sie schmunzeln.
Die wirtschaftliche Lage des Investors sei angespannt, war da zu lesen. Er sucht nun seinerseits Investoren und verhandelt mit den Banken. Die letzte Bilanz stammt aus dem Jahr 2021. Verspätete Bilanzen sind kein Merkmal bestimmter auffälliger Tycoons. An sich sollten sie aber das erste Warnzeichen sein.
Öffentliche Fördermittel wurden im großen Stil kassiert, österreichweit. Ein anderes Bundesland soll auf 70% der Forderungen verzichten, man müsse eine gemeinsame Lösung finden. Der Bericht erwähnt den fortlaufenden Verkauf von Gutscheinen, die im Ernstfall wertlos sind. Das ist kein Problem, man habe eine Fortbestandsprognose erstellt. Ja dann.
Szenenwechsel
Da ich beruflich oft mit Insolvenzen zu tun hatte, schaue ich gern die einschlägigen Meldungen an. Ein weiterer stolzer Name fiel mir auf, nobel Französisch mit englischem Anhängsel, ein beachtlicher Klotz von Hotelgebäude mit auffälliger Architektur. Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung. Das bedeutet: eine Quote von 20%, wenn das Sanierungsverfahren klappt und die Raten abgestottert werden.
Die Kaskade von Insolvenzen folgte in den nächsten Tagen und hält bis heute noch an. Reihenweise fallen in dem Ort die verschiedensten Firmen um, die eine Gemeinsamkeit haben: den Betreiber.
Kritik an Förderung steht in einem Zeitungsartikel. Sie wirkt berechtigt, besonders, wenn die übliche Floskel Leuchtturmprojekt verwendet wurde. Die Kaskade ist übrigens längst über ganz Österreich geschwappt, man kommt bei den Namen und Orten fast nicht mehr mit: Noble Namen, ansehnliche Häuser.
Bei der Suche nach dem Mastermind wird man schnell fündig, in den zahlreichen Webseiten fehlt keine der bekannten Floskeln über die hehren Ziele der Sache wie Nachhaltigkeit, Innovation und so weiter. Seit der Gründung vor einigen Jahren strebt er an, der größte Ferienanbieter zu werden. Das ist auch nicht neu. Nur: wo der Nutzen für andere an diesem Umstand liegt, erschließt sich nicht.
Wachstum kostet Geld, das leiht man sich aus. Gelegentlich hat man einen Rückschlag, wie in diesen Tagen. Zeitungen berichten darüber. Die einheitlichen Texte der Kreditschützer werden abgedruckt, auf den Buchstaben dieselben Texte. Informationsgehalt null.
Nun müsse man entschulden, liest man, auch um die Arbeitsplätze zu retten. Dieses Argument entschuldet, pardon, entschuldigt alles! Sanierungsverfahren, hier ohne Eigenverwaltung, ist noch besser als mit. Eine Quote von 20%, wenn es aufgeht, bedeutet immerhin einen nachträglichen Rabatt auf alles, was offen ist, in der Höhe von 80%.
Die Banken müssen einem nicht leidtun, sie sollten sich mit auf Pump finanziertem Wachstum auskennen. Die Lieferanten und Handwerker trifft es aber hart: 80% ihrer Forderungen sind weg, mindestens!
Besonders ärgerlich ist das mit den Förderungen. Wozu muss jemand gefördert werden, weil jemand der Größte sein will? Dass er nichts anderes im Sinn hatte und noch hat, wozu ihm das Sanierungsverfahren hilft, war mit einem Intelligenzquotienten von 60 zu erkennen.
Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.
Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen
