Reinhard Kocznar
Die Steuern steigen, die Subventionen sprudeln,
die Kettensäge fehlt.
Essay

Der Finanzschock bringt das soziale Gefüge in Gefahr, befürchtet ein Innsbrucker Stadtpolitiker. Ein Schock? Wie es um die jeweiligen Finanzen steht ist hinlänglich bekannt, was kann da noch schockieren?

Die Steuereinnahmen sind auf einem neuen Rekordhoch angelangt, im ersten Halbjahr stiegen sie um 3,2 Prozent, die Abgabenquote von 44,5 auf 45,3 Prozent des BIP. Die Zeiten, in denen die Fürsten ihren Untertanen den Zehnten (ab)nahmen, sind die reine Gnade dagegen.

Nahezu die Hälfte wird vom Staat einbehalten, das reicht aber noch immer nicht. Abgaben und Steuern werden treffsicherer gemacht, also erhöht, neue Schulden aufgenommen. Sparen sieht anders aus, denn Sparen ist das Zurücklegen von Teilen des Einkommens, keinesfalls besteht es darin, einen kleineren Kredit aufzunehmen als man erlangen könnte.

Das soziale Gefüge? Es handelt sich eher um einen wahllos aufgeschütteten Haufen als ein Gefüge von Leistungen, den keiner mehr überblickt. In Deutschland wollten dieser Tage Forscher das Ausmaß an Sozialleistungen messen, sie scheiterten an der Vielfalt. Es gibt dort mehr als 500 unterschiedliche Sozialleistungen. Aus dem Bericht: Die Sozialgesetzbücher umfassen 3.246 Paragrafen, hinzu kommen Gesetze, welche die Regeln für die Umsetzung beinhalten.

Eine Quantifizierung war wegen dieses Umfangs unmöglich, es geht nur mehr um eine Inventarliste. In Österreich wird es wegen der Ähnlichkeit nicht anders sein. Dem Ruf nach dem Rasenmäher muss gleichwohl eine Absage erteilt werden. Einerseits ist der Rasenmäher (siehe die Notizen von Elias Schneitter) in diesem Blog nicht angesehen, andererseits kürzt er nur. Mit Kürzen wird hier nichts besser, es wächst wieder nach. Die Kettensäge ist angesagt, um Äste abzusägen und die Krone zu lichten – schon wegen der Einsparung unproduktiven Personals bei der Verwaltung dieses Gefüges.

Jedes Jahr steigen die Steuereinnahmen, jedes Jahr übertreffen die Ausgaben die Einnahmen. Folgerichtig steigen auch die Forderungen, die Steuern wieder zu erhöhen. Das ist alternativlos.

Wir können bald keine Gehälter mehr bezahlen, warnte eine Bürgermeisterin und weiter: Das darf nicht passieren. Sie sei lösungsorientiert. Na fein, dann ist sie nicht problemorientiert, um die spiegelbildliche Floskel nicht zu vergessen.
Ihr Landeshauptmann stellt weitere 200 Millionen bereit, lösungsorientiert. Der Königsweg.

Es ist derselbe Ansatz, mit dem beispielsweise unser prominentesterTurmbauer vor der Insolvenz auffiel. Sogenanntes frisches Geld musste her, dort hätten es 300 Millionen sein sollen. Wie man vorher wusste und hinterher klar war, hätte es die Insolvenz nur verteuert, weil die dysfunktionale Struktur dieselbe geblieben wäre. Der Turmbauer war aber nur einer von vielen, die frisches Geld ohne Verzug in verbranntes umwandeln.

In der Wirtschaft saniert man mit dem Haarschnitt, neudeutsch auch haircut genannt. Den Gläubigern werden 70 oder 80 Prozent ihrer Forderungen pulverisiert, im Konkursfall auch 95 oder mehr. Wie die sich dabei fühlen ist allerdings trotz des Zeitalters der Befindlichkeitsdiskussion gegenstandslos.

Der genannte Landeshauptmann stellt weitere 200 Millionen bereit, natürlich nicht aus seiner Privatschatulle, er holt sie vom Finanzminister, der dafür zu Lasten folgender Generationen neue Schulden aufnimmt. Lösungsorientierung bedeutet hier, das Finanzproblem der aktuellen Generation einer späteren aufzuhalsen. Dass die defizitgenerierende Struktur unverändert bleibt, ist dem sozialen Gewissen geschuldet.

Was die genannte Bürgermeisterin sagen hätte müssen: Kappt einige der Gesetze und Verordnungen, die Geld kosten und dafür sorgen, dass wir ständig mehr Leute brauchen, die sie exekutieren müssen

Auch der gebetsmühlenartig beschworene Bürokratieabbau wird ohne die Kettensäge nicht funktionieren und weiterhin Floskel bleiben. Die Kettensäge ist nicht nur in den Gesetzen und Verordnungen unabdingbar, sondern auch beim Zurückstutzen gut gemeinter Errungenschaften. 

Auf einer Motorradtour fanden mein Schwager und ich endlich eines der wenigen Gasthäuser, das die immense Steigerung von Energie- und Lohnkosten noch überlebt hatte. Zwei Männer winkten uns im vollen Gastgarten an ihren Tisch. Es stellte sich heraus, dass es zwei Gemeindepolitiker waren. Soeben hätte man nach langer Suche einen Mitarbeiter für den Kanalbau gefunden, erzählte einer. Der tritt aber nun den Dienst nicht an. Er wird Häftlingsbetreuer, da verdient er ein Vielfaches. Drei Betreuer für jeden Häftling, steuerte der andere bei.

Das war noch nicht alles. Was die Gemeinde in diesem Bereich durch geschicktes Wirtschaften zur Seite legen konnte, darf nicht anderweitig verwendet werden. Ihren Unmut konnten wir nicht übersehen. Zusätzliche Schulden zu machen ist andererseits kein Problem. Bevormundung kann so schön sein.

Eine Gemeinde in Tirol hat anlässlich ihres sehr sinnvollen Sparprogramms vorgesehen, unter anderem aus dem Klimabündnis auszutreten, um nicht zu viele Organisationen mit hauptamtlichen Mitarbeitern, die nur sich selbst verwalten, zu bezahlen.

Wofür das Klimabündnis gut ist, wissen zweifellos nur die dort Beschäftigten. Das sollte auch jede andere Gemeinde tun, denn die Tafeln Klimabündnis, Energieeffiziente Gemeinde oder Gesunde Gemeinde bewirken gar nichts, kosten aber Geld; nicht anders ist es bei den Städtepartnerschaften.

Was allein das Anfertigen von Aufschriften kostet, habe ich vor längerer Zeit erlebt: Wir trafen uns in der Nähe von Salzburg zu einem Meeting bei einem internationalen Kommunikationsexperten. Ich reiste von Innsbruck an, um die Firmenpräsenz im Web umzusetzen. Eine leitende Mitarbeiterin flog extra aus Norddeutschland ein, die Assistentin der Geschäftsleitung reiste aus der Landeshauptstadt an.

Nachdem wir im keimfreien Besprechungsraum eine Weile zusammengestanden waren, traten zwei Mitarbeiter des Gastgebers hinzu und überreichten würdevoll ihre Visitenkarten. Wir nahmen Platz. Die Besprechung hätte nun beginnen sollen. Stattdessen eröffnete die kompetente Leiterin mit dem kargen Statement: Es ist ein Problem aufgetreten, wir können die Firmenpräsenz heute nicht besprechen.

Uns dreien fehlten die Worte. Vermutlich dachte nicht nur ich, dass die Kommunikationsexperten das reichlich spät kommunizierten. Eine renommierte Firma, bekannt für stolze Honorarnoten, ließ drei Leute von weit her zusammenkommen und hatte sich in keiner Weise vorbereitet? Außer Pomp und Gloria in der Selbstdarstellung nichts dahinter? Es war so.

Glücklicherweise hatte die kompetente Dame noch einen Pfeil im Köcher. Es gibt noch ein Problem, setzte sie fort und verteilte einen Entwurf, der zwei Firmenlogos mit einem schwarzen Balken dazwischen zeigte. Das Gewicht des Balkens ist zu schwer, erklärte sie, es trennt die Firmen anstatt sie zu verbinden. Wir erkannten das Problem und diskutierten etwa zwei Stunden lang über die Stärke und die Farbsättigung des Balkens. Keiner der Beteiligten gehörte der Niedriglohnklasse an, das Treffen hat etliche tausend Euro gekostet und lediglich eine Banalität behandelt.

Den Förderungs- und Subventionsdschungel zu lichten, ist unabdingbar. Was beim Streichen unnötiger Jobs dabei eingespart wird, darüber macht man sich näher Gedanken, wenn man öfter derartige Treffen miterlebt hat.

Eine Sparmaßnahme, die Tirol von sich aus setzen kann wäre, den auf die Rundfunkgebühr aufgesetzten Kulturförderungsbeitrag zu streichen, natürlich ohne Kompensation. Es würde inflationsdämpfend und unverzüglich wirken.

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Reinhard Kocznar

Reinhard Kocznar ist Versicherungsmakler und lebt in Birgitz. Seit 30 Jahren selbständig, während 25 Jahren zweiter Beruf als Leiter eines Softwareentwicklungsteams und Systemadministrator. Als Schriftsteller hat er bisher 7 Bücher veröffentlicht, Krimis, Thriller, Erzählungen und Essays. Literarisch betreibt er den Online-Buchshop: https://books.kocznar.com . Leidenschaftlicher Fotograf, Sportschütze und Motorradfahrer.

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