Reinhard Kocznar
Brotlos
Konsumreportage mit Fotostrecke

23.7.24

An diesem Tag war ich Maître de Cuisine (klingt besser als Küchendienst). Angesagt war Croque Monsieur, der französische Schinken-Käse Toast. Einigermaßen aufwändig, ich mache ihn nach Arrigo Ciprianis Rezept von Harry’s Bar in Venedig.

An dem Tag dachte ich, hol dir am Vormittag (da haben sie noch so etwas) einen weißen Wecken vom Supermarkt, im Folgenden MARKT genannt. Unter dem marketinggetriebenen Gesundheitszeug (CO2-neutral, Dinkel, glutenfrei und so weiter) ist normales Brot nur mehr schwer erhältlich. Vielleicht kommt Brot bald aus der Apotheke.

Der MARKT -Wecken ist klein, so wie inzwischen alles Brot dort. Mehr als drei Toasts aus der Mitte gehen sich nicht aus. Ich schneide hinein und sehe – nichts. Die kümmerlichen Exemplare habe ich fotografiert, potemkinsches Brot.

Das Weißbrot, das am ehesten passt gibt es nur beim Bäcker im Sillpark, das Toscanabrot. Also doch ins Auto steigen und in die Stadt fahren, dann war das Problem gelöst. Ich ließ es mir gleich zuschneiden, 9mm, das ergibt 8 Portionen, die ich einfriere. Kostet dasselbe und ist fast italienisches Brot, wie es dafür erforderlich ist.

Frustriert schicke ich am Nachmittag ein Mail an MARKT, bestückt mit 4 aussagefähigen Fotos.

 

Das Mail:

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe heute einen Wecken Weißbrot gekauft, bebilderter Zustandsbericht anbei.
Der Croque Monsieur, den ich damit machen wollte, fiel sozusagen durch den Rost. Möglicherweise haben Sie ein Rezept des seligen Potemkin verwendet, der ja auch mit tollen Fassaden reüssierte, die man nur aus der Ferne sehen durfte. Für mich als Konsument ist es aber gar nicht lustig.
Die Filiale zu nennen erspare ich mir, denn die Leute dort können nichts dafür. Im MARKT sind die kleinen weißen Wecken inzwischen so unansehnlich, dass man sich die erspart, und die kleinen dunklen passen durch ein Knopfloch, kosten aber inzwischen mehr.
Statt dem immer anstrengenderen Marketing-Spam mit Klima, Diversität, Bio, Nachhaltigkeit und so weiter wäre ein Wecken Brot, der unter der Kruste auch noch Brot ist, schon ein großer Fortschritt. Vielleicht sollte man die Marketingabteilung halbieren und das Geld in den Einkauf stecken. Sollte ich etwa Diverse in der Anrede übersehen haben, bitte ich um Nachsicht.
Ob ich eine Bilderstrecke im Internet mache überlege ich noch, beim Broteinkauf nicht mehr.
Beste Grüße…Unterschrift

 

Die Antwort:

Sehr geehrter Herr Kocznar,
vielen Dank, dass Sie sich mit Ihrem Anliegen an das MARKT Kundenservice wenden.
Ihren Hinweis haben wir bereits an das MARKT Qualitätsmanagement weitergegeben. Wir bedauern, dass Sie Grund zur Beanstandung haben und entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten.
Bitte senden Sie uns Fotos oder weitere Informationen
– an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit wurde das Brot erworben
– in welcher Filiale wurde das Brot erworben
Alternativ und wenn noch vorhanden können Sie uns auch ein Foto vom Kassenbon senden.
Mit diesen Informationen kann unsere Qualitätssicherung Ihrer Meldung noch genauer nachgehen und die Charge herausfinden bzw. wann und wie das Brot geliefert und gebacken wurde. So können direkt Maßnahmen getroffen werden.
Als Kostenersatz und kleine Wiedergutmachung senden wir Ihnen gerne einen MARKT Warengutschein, bitte teilen Sie uns dazu Ihre Adressdaten mit.
Für den Versand brauchen wir etwas Zeit, in ca. 1 – 2 Wochen ist der Gutschein dann bei Ihnen.
PS: Bei Rückmeldungen bitte direkt auf dieses E-Mail antworten.
Herzliche Grüße
Ihr MARKT Kundenservice Team

Dass ich die Filiale absichtlich nicht genannt habe, weil deren Personal nichts dafür kann, übergeht das Kundenserviceteam. Es liest nichts und antwortet mit windkanalgetesteten Textbausteinen.
Ein Foto vom Kassenbon? Für eine Fehlinvestition von € 3,99 brauche ich keinen Ersatz und kaufe in Zukunft dort, wo es passt.

Wenn ich im Mail hinunterscrolle, finde ich meine Nachricht, Formatierung wie Absätze entfernt, eine Textwurst in einem Block, aber ohne Fotos und ohne meine vollständig angeführte Adresse. Fotos und Adresse fordern sie im Mail von mir an. Das ist die Hohe Schule der Kommunikation.

Der Firma MARKT geht es im Moment nicht so gut, wie man liest. Kostensparen ist also beim Produkt angesagt. Immerhin hat man mit dem Backen in den Filialen flächendeckend die richtigen Bäckereien aus dem Markt gedrängt.
Schon nach Corona gewann man den Eindruck, dass manche Firma zu viele Leute im Marketing und zu wenige im Verkauf hat.

Unfähigkeit, mit Reklamationen umzugehen ist aber kein Alleinstellungsmerkmal.

Vor einigen Jahren kaufte meine Frau in einem so bekannten wie selbstbewussten Feinkostgeschäft für die, die besser essen, Spinatknödel. Sie zerfielen prompt im Kessel in viele Einzelteile. Meine Frau fotografierte das Ergebnis und sandte es mit einem launigen Kommentar an die Herstellerin. Zwei Wochen vergingen und es antwortete nicht die Marketingabteilung, sondern – allen Ernstes – die Personalabteilung. So eine große und alte Firma hat keine Stelle, welche für eine Reklamation zuständig ist.

Sie hatten sich die Mühe gemacht, den Knödel nachzukochen und lieferten Fotos, dass das funktioniert. Dass auch ihrer Firma einmal etwas danebengehen kann, passte nicht in ihr Selbstbild. Der Personalabteilung hatte niemand gesagt, dass es eine Binsenweisheit ist, die Kunden nicht zu belehren. Man kann den Kunden gegenüber nicht Recht behalten, man kann sie nur vertreiben.

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Reinhard Kocznar

Reinhard Kocznar ist Versicherungsmakler und lebt in Birgitz. Seit 30 Jahren selbständig, während 25 Jahren zweiter Beruf als Leiter eines Softwareentwicklungsteams und Systemadministrator. Als Schriftsteller hat er bisher 7 Bücher veröffentlicht, Krimis, Thriller, Erzählungen und Essays. Literarisch betreibt er den Online-Buchshop: https://books.kocznar.com . Leidenschaftlicher Fotograf, Sportschütze und Motorradfahrer.

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