Print Friendly, PDF & Email

Reinhard Kocznar
Barzahler sind klüger.
Notizen

Alter Wein in neuen Schläuchen, das war gestern. Wenigstens die Verpackungsindustrie hatte etwas davon. Später verkaufte man das Bekannte einfach unter anderem Namen, das erledigte das Marketing. Noch rationeller, so stellte sich heraus, war es, nur mehr die Versionsnummer zu erhöhen. Auch das klappte tadellos.

Der Stein der Weisen wurde aber im Abschaffen gefunden. Derzeit wird vieles abgeschafft. So fällt es kaum auf, dass das Maestro-Bezahlsystem abgeschafft wird. Der Umstand, dass es weltweit funktioniert, darf der Zukunft nicht im Weg stehen. Als Begründung wurde genannt, dass es nicht mehr zeitgemäß ist.

Macht nichts, es gibt Alternativen. Das sind zusätzliche Funktionen auf der Karte oder besser gleich eine zweite. Dass das mit zusätzlichem finanziellem Aufwand verbunden ist, lässt sich leider nicht verhindern.

Das alte System funktionierte weltweit tadellos. Die neuen Debit-Karten lassen sich aber besser in digitale Angebote einbinden. Die sind im Internet auch schon fix und fertig zu bekommen, kaufe jetzt, zahle später.

Die Absicht ist, die Leute zu Kreditkarten zu schubsen. Praktisch jede bietet die Möglichkeit der Teilzahlung an. Sicherheitshalber ist diese Option bei etlichen Karten gleich voreingestellt und muss manuell abgewählt werden. Wer die Teilzahlung freiwillig wählt, dem ist eigentlich nicht zu helfen. Die Kosten gehen gegen 20 Prozent, wie eine Kontoüberziehung.

Das ist die eine Seite der Medaille. Sie hat natürlich auch eine andere. Sie besteht aus der Interchange Fee. Das ist der Sammelbegriff für Gebühren, die pro Transaktion anfallen. Die Schweizer Wettbewerbsbehörde, lese ich, hat sich zwei Kartenfirmen vorgeknöpft. Diese bieten Karten zu geringen bis gar keinen Kosten für Endbenutzer an und langen stattdessen beim Handel zu. Rührend. Wer bezahlt denn am Schluss alles? Schon wieder eine Frage, die ich gelegentlich einem Nobelpreisträger stellen muss.

Dieser Tage muss man die Arbeiterkammer vor den Vorhang bitten. Sie hat eine Supermarktkette dazu gebracht, in allen Filialen wieder Bargeld zu akzeptieren. Ihre schöne neue Welt hatte die sich bargeldlos vorgestellt. Dass bargeldlos unter anderem auch teurer ist, weil es Kosten verursacht, die mit der gekauften Ware nicht das Geringste zu tun haben, stört sie nicht. Diese Kosten sind einkalkuliert und werden von den Endkunden bezahlt. Weil das Geld kein Mascherl hat, berappen auch die Barzahler diese Kosten mit.

Im Internet geistern Videos herum, die manchmal recht witzig sind. Auf einem davon sitzt einer vor der Kamera und hält einen 50-Euro-Schein in der Hand. Er redet aber von der Karte, mit der er den Friseur bezahlt. Dann zieht er die Kosten der Transaktion ab und lässt den Friseur seinerseits etwas anderes bezahlen und so weiter. Am Ende seiner Geschichte sind von den 50 Euro nur mehr 30 da. Den Rest hat die Bank gefressen. Der 50-Euro-Schein in seiner Hand ist aber noch immer 50 Euro wert.

Die Geschichte hat den Vorzug der Schlichtheit, sie ist aber wahr. Geld, das ich mit der Karte ausgebe, erodiert. Ständig schneidet einer mit.

Barzahler leben gesünder titelte die Financial Times bereits im Jahr 2011. Eine Analyse von Supermarktbons in den USA hatte ergeben, dass Lebensmittelkäufer, die mit Kreditkarte einkaufen, mehr Junkfood kaufen als Barzahler.

Die Ergebnisse, schreibt die FTD, wurden im Journal of Consumer Research veröffentlicht. Man hatte nur Ein-Personen-Haushalte untersucht, um sicherzustellen, dass auch gegessen wird, was gekauft wurde. Mit Plastikgeld wurden häufiger Chips und Eiscreme gekauft als mit Bargeld.

Die Bereitschaft zu Impulskäufen ist mit Karte auch höher als mit Bargeld. Die Industrie weiß das längst und mag Karten lieber. So schafft man auch das weltweit klaglos funktionierende Maestro-System ab.

Als der Euro eingeführt wurde, wollten die Italiener einen 1-Euro-Schein. Offenbar denken sie kaufmännischer als der deutschsprachige Teil, die Briten haben ihre Währung sowieso nicht hergegeben. Mit dem Schein wird sorgsamer umgegangen, so haben die Amerikaner noch immer den 1-Dollar-Schein.

Das oben erwähnte Video wurde zweifellos mit Kosten von null produziert, liefert aber an sinnvoller Aussage alles, was zu Bargeld gesagt werden muss. 

Die lückenlose Kontrolle der Kartenbesitzer ist da noch gar nicht angesprochen, und das lückenlose Scheren der Schäflein auch nicht. Wenn alles in das System gezwungen ist, gibt es keine Geldbewegung mehr, die nicht kostenpflichtig ist.

Wieder einmal nichts Neues unter der Sonne – Umverteilung von unten nach oben!

Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.


Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen

Reinhard Kocznar

Reinhard Kocznar ist Versicherungsmakler und lebt in Birgitz. Berufliche Laufbahn: LKW-Fahrer, pragmatisierter Postbeamter, Bankkassier, Geschäftsführer in einem Nachtlokal, dann im Reifenhandel, anschließend Tätigkeit in der Versicherung, zuletzt als Direktor. Seit 30 Jahren selbständig als Versicherungsmakler, während 25 Jahren zweiter Beruf als Leiter eines Softwareentwicklungsteams und Systemadministrator. Als Schriftsteller hat Kocznar bisher 7 Bücher veröffentlicht: Krimis, Thriller, Erzählungen und Essays. Literarisch betreibt er den Online-Buch-Shop: www.hardboiled-krimis.com .

Schreibe einen Kommentar