Reinhard Kocznar
Ärztemangel
Notizen
Es mangelt an Ärzten, ganz besonders an Kassenärzten. Die Verträge der Krankenkassen sind kein Renner mehr. Dieser Umstand ruft die verschiedensten Leute mit Lösungen auf den Plan, die rührend bis dumm sind. Die rührenden lassen wir der Einfachheit halber weg.
Andere beschäftigen sich mit – womit wohl? – Zwang! Dass sie am lautesten vom grünen Gesundheitsminister kommen, wundert nur wenige. Denn Abschaffen und Zwang gehört zur DNA der Grünen.
Ich selbst gehe längst zu Wahlärzten. Der Termin passt, Wartezimmer und Empfang sind freundlich, der Doktor (obwohl es auch Doktorinnen sind, bleibe ich noch einmal wegen der Einfachheit beim Doktor) hat Zeit. Das ist mir wichtig, und Zeit auf einen kurzen Plausch möchte ich erleben. Den bezahle ich mit.
Vor Jahren war ich für eine längere Behandlung beim Zahnarzt. Sie dauerte zwei Stunden. Nicht, dass ich zwei Stunden am Stuhl saß und er gelegentlich vorbeischaute. Er saß vor mir und arbeitete. Ich steckte die Bankomatkarte und zahlte 290 Euro. Passt, dachte ich, das verrechne ich auch.
Von der Kasse erhielt ich 39 Euro zurück. Ich staunte. 39 Euro hätte er für zwei Stunden qualifizierter Arbeit erhalten, brutto natürlich? Cool bzw.eher uncool.
Besuch beim Chirurgen, Nachuntersuchung. Eine halbe Stunde, inklusive kurzem Plausch. Die Honorarnote machte 144 Euro aus, ich erhalte von der Kasse knapp 40 Euro zurück. Diesmal staunte ich schon nicht mehr.
Zwei Sitzungen bei meiner Hautärztin, es war etwas herauszuschneiden und zu untersuchen. Rechnung 300 Euro, diesmal erhielt ich sogar fast 200 zurück. Zu verstehen ist das nicht mehr.
Ich bin weder ein Bewunderer weißer Götter noch gehöre ich zu den eigenartigen Leuten, welche die sogenannte Apparatemedizin verteufeln. Im Gegenteil, ohne die Maschinen, die ich in der Intensivstation kennengelernt habe, wäre ich längst abgetreten. Ich respektiere und schätze qualifizierte Arbeit, ausgeführt von Leuten, die dafür lange studiert und sich einer langen Ausbildung unterzogen haben.
Ich habe einmal eine interessante Bemerkung gehört. Um Arzt zu werden, muss man (oder frau) lange studieren und eine lange Ausbildung absolvieren. Bevor man Rechtsanwalt werden kann, Jus studieren und jahrelang als Konzipient arbeiten. Man kann aber BWL studieren, zu einem Consulter gehen und als 24-jähriger 40-jährigen erklären, was sie in den letzten 20 Jahren falsch gemacht haben. Da muss was dran sein.
Wie auch immer: Dass Ärzte bezahlt werden wollen, verstehe ich. Es geht mir nicht anders. Woran ich nichts verdiene, das mache ich nicht.
Die Kassenhonorare sind also nichts, was einen vom Hocker reißt. Dass jeder Beruf auch einen wirtschaftlichen Aspekt hat, scheinen manche vergessen oder nie gewusst zu haben. Vielleicht wäre es besser, in der Schule statt weltanschaulichem Spam wenigstens rudimentäre wirtschaftliche und finanzielle Kenntnisse zu vermitteln.
Es gäbe eine sehr einfache Methode, den wirtschaftlichen Aspekt von Kassenärzten zu verbessern. Erstaunlicherweise würde er keinen Cent kosten. Mit der Eröffnung einer ärztlichen Ordination muss das Recht verbunden sein, eine Hausapotheke zu führen. Warum soll ein Arzt, der als einziger Medikamente verschreiben darf, diese nicht auch abgeben dürfen? In dünner besiedelten Gebieten wäre das ein erheblicher Anreiz, eine Ordination zu eröffnen.
Als sich eine bedauerlicherweise zu sensible Ärztin durch anonyme Drohungen feiger Fanatiker aus dem Untergrund in den Freitod treiben ließ, titelte die Copy&Paste-Partie, sprich der mutmaßliche Journalismus: schwer verschuldet.
Copy&Paste: Überall war der Agenturtext abkopiert und verwendet worden. 500.000! Davon mögen 100.000 für den nutzlosen Panic-Room verwendet worden sein. Der Rest war für die Ausstattung der neuen Ordination zweifellos notwendig gewesen. Allenfalls ein Psychiater, der nur wenig medizinische Geräte braucht, kommt darunter weg.
So eine Eröffnung ist eine Investition, die wieder hereinkommen muss. Zudem soll Ertrag erwirtschaftet werden. Damit wären wir wieder bei grundlegenden wirtschaftlichen Begriffen, die in der Schule von entsprechend qualifiziertem Personal vermittelt werden müssten. Hier ist von einer Investition die Rede, während das Nachwerfen von Geld in ein gut gemeintes, aber wieder einmal schief gegangenes Projekt wie derzeit die Gemnova, keine Investition ist. Es ist Geldverbrennung.
Im Zuge des EU-Beitritts wurden die Privilegien der Mühlen gekappt. Die hatten ihre festen Reviere. Nach dem Krieg, als tatsächlich Hungersnot herrschte, war der Gebietsschutz verständlich gewesen, er hatte sich Jahrzehnte (zu lange) gehalten. Man hätte bei dieser Gelegenheit auch die Privilegien der Apotheken kappen können und sollte es endlich tun.
Den Aufschrei der Bevorzugten könnte man übergehen. Passieren wird es dennoch nicht. Eine Kammer ist in erster Linie ein selbstreferentielles System.
Dann wäre da noch die Ausbildung. Ob man es geschickter angehen hätte können oder wieder einmal auf gut österreichisch nur halbherzig, um überall Nice Guy zu sein, ist hinterher müßig zu überlegen. Jedenfalls hat sich Österreich verurteilen lassen, für den reichsten Staat Europas kostenlos – unter anderem – Mediziner auszubilden. Die Rede ist von deutschen Studierenden, welche hier die Universitäten fluten. Überflüssig hinzuzufügen, dass es nur die zweite Garnitur ist, denn die Guten erhalten Studienplätze in Deutschland.
Ernsthafte Bemühungen, diesen kostspieligen Unfug abzustellen, sind nicht erkennbar. Man ist schon glücklich, mit der EU einen Handel abgeschlossen zu haben, dass ein Kontingent(!) für Österreicher frei bleibt, um Medizin zu studieren.
Na guat dann net
Man draht si um und geht
Diese Nummer von Joesi Prokopetz wäre bestens geeignet, die überkommene Bundeshymne zu ersetzen.
Zurück zur Bezahlung der Kassenstellen: Die ist armselig. Dabei zahlen Durchschnittsverdiener etwa so viel an die Sozialversicherung ein, wie ihre jeweilige Steuerlast ausmacht. Da wird man wohl genug Geld haben, um das Problem fair und budgetneutral zu lösen.
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s.g. herr kocznar! ihrer bio entnehme ich, dass sie als makler für privatversicherungen tätig sind. da versteh ich gut, dass sie für das privatwirtschaftliche system eintreten. okay. das solidarische system ist nicht das ihre. auch okay. was die wahlärzte betrifft, verrechnen die etwas anders. man könnte überspitzt auch von rosinenpickerei sprechen. aber vor allem: ein grossteil der menschen können sich halt die wahlärzte nicht leisten. okay. die erstattung der wahlärzte, ich geb ihnen recht, ist häufig lächerlich. aber die honorarordnung ist ein komplexes thema. ehrlicherweise müsste man aufzeigen, was die vertragsärzte unterm strich verdienen. keiner nagt am hungertuch. hab noch nie von einem konkurs eines arztes gehört. ärzte sind noch nie zu kurz gekommen. beileibe nicht. und was den sv-beitrag betrifft, der ist nicht gleich kv-beitrag. das nur nebenbei und zum schluss: es gibt in österreich keinen ärztemangel. das ist ein märchen. aber ich weiss: privat ist schön, öffentlich sche…! trotzdem: der vergleich zwischen kv-privat und kv-öffentlich ist immer interessant. aber halt total unterschiedliche systeme und schwer zu vergleichen. so wie die honorierung privat und kasse.
feinen tag