Thomas Nußbaumer bespricht:
Das 4. Symphoniekonzert des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck
unter der Leitung des estnischen
Gastdirigenten Olari Elts

Im Mittelpunkt des 4. Symphoniekonzerts des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck (TSOI) unter der Leitung des estnischen Gastdirigenten Olari Elts stand die Aufführung der 1996 komponierten Symphony No. 4 Heroes des amerikanischen Minimal Music-Komponisten Philip Glass. Ergänzt wurde das Programm durch den Tanz der Cepheiden des Tiroler Komponisten Martin Ohrwalder, Arvo Pärts Swansong für Orchester und Maurice Ravels Boléro. 

Das Programm bot nicht nur dem Publikum, sondern teilweise auch dem Orchester und seinem Gastdirigenten harte Kost.

Am Beginn stand Martin Ohrwalders Tanz der Cepheiden, eine Komposition, die sich jenen Sternen widmet, deren Helligkeit periodisch schwankt und anhand derer das Alter des Universums mit 13,7 Milliarden Jahren festgelegt werden kann. Martin Ohrwalder, Professor für Jazz-Trompete sowie Fachbereichsleiter für Jazz und improvisierte Musik am Tiroler Landeskonservatorium, schrieb sein knapp vierminütiges Werk 2018 für das Tiroler Kammerorchester InnStrumenti und überarbeitete es nun für das TSOI.

Olari Elts am Pult des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck © Chó/wefeel.art Olari Elts am Pult des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck © Chó/wefeel.art

Seine Musik, die im Programmheft als stark verkürzte Zeitraffer-Reise zu einem dieser Cepheiden beschrieben wird, entbehrt nicht jener Bildhaftigkeit, die man mit Universum und Sphärenklängen assoziiert. Passagen extremer rhythmischer Verdichtungen unter Einsatz all dessen, was ein großes Orchester hergibt, kontrastieren mit nahezu überirdischen Klangflächen, aus denen Vibraphon und Marimba spielerisch hervortreten.

Während das Orchester Ohrwalders gelungenen Star Trek überzeugend und schwungvoll umsetzte, wollte Arvo Pärts Swansong (Schwanengesang) auf den theologischen Philosophen John Henry Newman von 2014, ebenfalls ein kurzes Werk von nur sechs Minuten Zeitdauer, die längste Zeit nicht seine Schwingen entfalten. Zu sehr war der Dirigent bemüht, dem Orchester das Metrum dieser im Idealfall meditativ floatenden Musik zu weisen. Manche Bläserpassagen verrieten auch eine gewisse Unvertrautheit des Orchesters mit diesem Werk, das trotz der Simplizität des Holy Minimalism alles andere als einfach zu interpretieren ist.

Schlussapplaus für das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck © Chó/wefeel.art Schlussapplaus für das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck © Chó/wefeel.art

Ein konträres Bild dazu bot die Wiedergabe von Ravels berühmtem Boléro, wo nacheinander zum ostinaten Rhythmus zunächst einer und dann zweier Kleiner Trommeln Querflöte und zweite Klarinette, Fagott und Es-Klarinette, Oboe d’amore und Querflöte/Trompete usw. das Boléro-Thema bis hin zur totalen Orchesterekstase zelebrieren. In dieser klingenden Instrumentenkunde konnte das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck, das über sehr gute Solistinnen und Solisten verfügt, in allen Lagen glänzen.

Doch die Wiedergabe der sechssätzigen Heroes-Symphonie des Amerikaners Philip Glass, eigentlich eine Ballettmusik, die von David Bowies Heroes (1977) beeinflusst ist und Nummern dieses Popmusik-Albums verarbeitet, erlebte Licht und Schatten. 

Auch hier hatte man teilweise den Eindruck, dass ein Werk dieser Dimension mehr Probenarbeit benötigt als wahrscheinlich vorhanden war und andererseits einen inspirierten Dirigenten, der nicht nur die Musik verwaltet, sondern auch gestaltet. 

Glass‘ Musiksprache ist bekanntlich einerseits von repetitiven Mustern und einer gewissen klanglichen Plakativität geprägt, andererseits aber sehr transparent und rhythmisch äußerst filigran. Wird sie gut gespielt, entsteht der Eindruck eines Soges mit tranceartiger und aufwühlender Wirkung zugleich. Diese Durchschlagskraft entfalteten die beiden ersten Sätze leider nicht, auch nicht der vierte Satz (Sons of the Silent Age), der spannungsmäßig kontinuierlich abfiel, doch insbesondere im dritten Satz (Sense of Doubt) und im Schlusssatz (V2 Schneider) begann das Orchester, seine Flügel zu entfalten und das sehr spezifische Philip-Glass-Feeling aufblühen zu lassen.

Das Konzert wird heute, am Freitag, den 21. Februar, im Congress Innsbruck ab 20 Uhr wiederholt.

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Thomas Nußbaumer

Thomas Nußbaumer ( geb.1966 in Hall in Tirol) ist ein österreichischer Musikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Volksmusikforschung / Ethnomusikologie. Nußbaumer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Innsbrucker Sitz der Universität Mozarteum Salzburg, Abteilung für Musikwissenschaft, Abteilungsbereich Musikalische Volkskunde, seit 2010 als Universitätsdozent für Volksmusikforschung. Daneben arbeitet er als freier Kulturjournalist.

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