Literarische Korrespondenz:
N. N. (Name der Redaktion bekannt) an schoepfblog
Betrifft:
Wie man sich rund um das Tiroler Landestheater
gegenseitig beim beruflichen Fortkommen hilft.
Geschätzter Herr Schöpf,
ich verfolge die Berichte über die Streitigkeiten am Tiroler Landestheater interessiert. Ihr Kommentar in der Tiroler Tageszeitung hat mir besonders zugesagt. Deshalb möchte ich Sie auf die zentrale Rolle von Irene Girkinger in fragwürdigen Besetzungsverfahren in den Theatern in Nord- und Südtirol und in Salzburg hinweisen. Es überrascht mich, dass diese Vorgänge in der Zeitung nirgends auftauchen. Man liest vom Brucknerhaus in Linz und vom Theater in der Josefstadt. Vor unserer Nase passiert Ähnliches.
Immer wieder stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien künstlerische Führungspersönlichkeiten ausgewählt werden. Handelt es sich um echte Begabung und Leistung oder um intransparente Absprachen und Netzwerke?
Im Falle der Intendantin des Tiroler Landestheaters scheint die Antwort klar: Letzteres dominiert. Was in Südtirol begann, wird in Tirol und Salzburg weitergeführt. Die jüngste Ernennung ihres Gatten Alexander Kratzer als Leiter des Schauspielhauses Salzburg unterstreicht dies nur noch.
Irene Girkinger ist die Schlüsselperson in den intransparenten Machenschaften rund um wichtige Führungsentscheidungen in Tiroler und Salzburger Theatern.
Südtirol
Bereits im Jahr 2021 berichtete die Südtiroler Tageszeitung über kritische Vorgänge im Zusammenhang mit Irene Girkinger, der damaligen Intendantin der Vereinigten Bühnen Bozen. Besonders auffällig: Obwohl sie ihren Vertrag nicht verlängerte, saß sie als beratendes Mitglied in der Kommission, die ihren Nachfolger wählen sollte.
Das ist in der Theaterwelt ein sehr ungewöhnlicher und fragwürdiger Vorgang. Es erweckte den Eindruck, dass sie Einfluss auf ihre Nachfolge nehmen wollte. Die enge Verflechtung der Kommissionsmitglieder mit Girkinger verstärkte den Eindruck eines Erbhofs und warf berechtigte Fragen zur Fairness auf.
Eine Schlüsselrolle spielte Bettina Bruinier, die damals noch am Staatstheater Saarbrücken tätig war und immer wieder von Girkinger als Regisseurin engagiert wurde. Bruinier leitete die Kommission in Bozen, die schließlich Rudolf Frey zum Intendanten machte. Kurz danach erhielt Bruinier über Girkinger eine Führungsposition in Innsbruck.
Was sagen Sie zu dieser auffälligen Personalverflechtung? Besonders brisant: Sowohl Bruinier als auch Frey waren später an der Auswahlkommission beteiligt, die Girkingers Ehemann Alexander Kratzer in Salzburg zum Intendanten machte. Dieses enge Netzwerk von persönlichen Beziehungen und beruflichen Abhängigkeiten nährt den Verdacht auf Vetternwirtschaft.
Salzburg
Heuer stand die Findungskommission des Schauspielhauses Salzburg, die Girkingers Gatten Alexander Kratzer bestellt hat, wieder unter Einfluss der Intendantin aus Innsbruck. Der Prozess ist intransparent und lässt Zweifel an einem fairen Verfahren aufkommen.
Die Zusammensetzung der Findungskommission, die über die Bestellung von Alexander Kratzer entschied, wurde nicht offiziell bekanntgegeben. In ersten Berichten (siehe Hintergrundinformationen) war von fünf Mitgliedern in der Kommission die Rede. Erst durch eigenhändige Recherchen wurden vier Namen von Mitgliedern bekannt: Rudolf Frey (Vorsitzender), Bettina Bruinier (Schauspieldirektorin, Tiroler Landestheater), Hannah Lioba Egenolf (Leiterin Dramaturgie, Theater am Werk) und Angela Glechner (Künstlerische Leitung & Geschäftsführung, Szene Salzburg).
Erneut tauchen Bettina Bruinier und Rudolf Frey auf, die beide enge berufliche und persönliche Verbindungen zu Irene Girkinger haben und in ihrer Schuld bzw. Abhängigkeit stehen. Besonders problematisch ist die mittlerweile berufliche Abhängigkeit von Bettina Bruinier, seit 2023 Leiterin des Schauspiels am Tiroler Landestheater. Sie ist damit direkt Girkinger unterstellt und daher in einem engen Abhängigkeitsverhältnis zu ihr.
Auch Rudolf Frey, der mehrfach von Girkinger engagiert wurde und später ihre Nachfolge als Intendant der Vereinigten Bühnen Bozen antrat, steht in enger Verbindung zu Girkinger. Der Name Hannah Lioba Egenolfs taucht in beiden Findungskommissionen als Mitglied auf.
Zusätzlich ist es erwähnenswert, dass Alexander Kratzer in der letzten sowie in der aktuellen Saison erneut mit Regieaufträgen am Tiroler Landestheater betraut wurde. Trotz der frühzeitigen Hinweise auf diese Problematik scheint sich die Rolle von Girkinger und ihrem engsten Kreis nicht verändert zu haben. Es wird weiterhin darauf geachtet, Aufträge und Positionen für das eigene Netzwerk zu schaffen.
Diese Entwicklungen in der Theaterlandschaft sind für mich sehr bedauerlich, da sie die Vielfalt erheblich beeinträchtigen. Die künstlerische Diversität, die einst ein Markenzeichen dieser Szene war, wird zunehmend eingeschränkt.
Besonders dramatisch ist, dass das Prinzip der Chancengleichheit bei der Vergabe von Leitungspositionen immer mehr ins Hintertreffen gerät. Es scheint, als würden entscheidende Positionen und Aufträge immer wieder an die gleichen Personen oder Gruppen vergeben, wodurch der Zugang für neue Talente und innovative Ideen blockiert wird.
Dieses System erinnert stark an die klassische Freunderlwirtschaft. Durch diese Praxis wird der kreative Austausch behindert, und es entsteht eine stagnierende Struktur, die jegliche frischen Impulse erstickt. Die Theaterlandschaft droht dadurch ihre Vielfalt, ihren Reichtum an Perspektiven und ihre Innovationskraft zu verlieren, was für die Zukunft der Branche äußerst schädlich ist. Welches Licht dies auf die geleistete und künftige Kulturpolitik wirft, überlasse ich Ihnen.
Mit freundlichen Grüßen,
ein kulturbegeisterter Tiroler
Hintergrundinformationen:
Bericht Ausschreibung Bozen:
https://www.nachtkritik.de/meldungen/bozen-intendantin-verlaesst-die-vereinigten-buehnen
Bericht Neue Südtiroler Tageszeitung:
https://www.tageszeitung.it/2021/03/13/einmal-provinz-und-zurueck/
Berichte Nachbesetzung Salzburger Schauspielhaus:
https://salzburg.orf.at/stories/3261250/
https://salzburg.orf.at/stories/3254294/
Ausschreibung künstlerischer Leiter Schauspielhaus Salzburg:
https://www.schauspielhaus-salzburg.at/wp-content/uploads/2024/04/Ausschreibung_final.pdf
Inszenierungen von Alexander Kratzer in Bozen in der Intendanzzeit Girkinger:
2022-2023: Blasmusikpop
2018-2019: Sunny Boys, Der Regebogenfisch
2017-2018: Wir. Heute! Morgen! Europa. Minderheiten und Autonomien im europäischen Kontext
2016-2017: antimortina
2015-2016: Oh, wie schön ist Panama, Bombenjahre
2014-2015: Michael Kohlhaas
2013-2014: Option. Spuren der Erinnerung
2012-2013: Der Koffer
Inszenierungen von Alexander Kratzer in Innsbruck in der Intendanzzeit Girkinger:
2024-2025: Codename Brooklyn
2023-2024: Als Wappenadler bin ich eine Schildkröte
Inszenierungen von Bettina Bruinier in Bozen der Intendanzzeit Girkinger:
2020-2021: Gott
2016-2017: Geächtet
2014-2015: Anatevka. Fiddler on the Roof
2012-2013: Das weite Land, Ballhaus. Tanz durch ein Jahrhundert
Inszenierungen von Rudolf Frey in Bozen der Intendanzzeit Girkinger:
2022-2023: Richard O’Brien’s The Rocky Horror Show
2021-2022: Dante: Dreams
2020-2021: Was träumen wir
2019-2020: Radetzkymarsch
2018-2019: Liliom, Sunset Boulevard
2016-2017: West Side Story
2015-2016: Der Revisor
Inszenierungen von Rudolf Frey in Innsbruck in der Intendanzzeit Girkinger:
2023-2024: Sunset Boulevard
Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.
Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen