Literarische Korrespondenz:
Ronald Weinberger an Werner Schandor
Betrifft:
Das neue Buch
„Die Sterne sehen heut‘ sehr anders aus“
Sehr geehrter Herr Schandor!
Ich gebe es zu: Alleine schon des Titels des neuen Buches wegen („Die Sterne sehen heut‘ sehr anders aus“) hat Herr Schandor bei mir, einem vormaligen Astronomen der Uni Innsbruck, einen Stern – pardon, Stein – im Brett. Ich kannte/kenne mich aus mit Sternen, als Gelegenheitsschriftsteller zudem einigermaßen mit dem Niveau samt Agenda des heutigen Deutsch, vor allem dem der Medien, sowie dem ideologisch kontaminierten Deutsch von heimischen Unis halbwegs ebenso, wobei letzteres bei mir stets mit einem Runzeln meiner längst sehr hohen Stirn verbunden ist.
Meiner länglichen Einleitung ultrakurzer Sinn: Ich stimme Ihnen zu, Herr Schandor. Vollauf. Was die Gendersprache, insbesondere auch die an Universitäten betrifft.
Ich warte als ehemaliger (Natur)wissenschaftler geradezu darauf, dass – um nicht laufend von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern lesen zu müssen oder mit einschlägigen Sternderln & Co malträtiert zu werden – manche Universitäts-Hochobere, ähnlich wie sie es mit dem bisweilen falschen Ausdruck Studierende tun, aus den eben Genannten sodann Wissenschaftende (die bei uns im österreichischen Westen vorherrschende Schreib- und Sprechweise Wissenschaftler dürfte dergleichen angenehmerweise blockieren) basteln.
Nun fühle ich mich abschließend aber auch gehalten, etwas Kritik an Ihren Ausführungen zu üben, Herr Schandor. Ihnen sozusagen dafür keine 5 Sterne verleihen zu wollen.
Erstere, die Ausführungen nämlich, sind nämlich meines Erachtens viel zu ausführlich geraten. Sie reiten Ihr Anliegen damit partiell zuschanden, meine ich. Weshalb?
Andere mögen es als witzig bis tiefsinnig taxieren, dass Sie in diesem Zusammenhang die Schuhplattelhopserei ins Spiel bringen. Ist ja durchaus originell. Aber musste dies denn derart exzessiv ausgebreitet ausgeplattelt werden? Wurde mir bald zu platt, da zu lang. Gedanklich tun mir meine Pfoten und Hax’n alleine schon bei der Vorstellung dieser andauernden Plattlerschläge weh.
Sei’s wie’s sei: Ich danke Ihnen für Ihren Artikel. Möge er zumindest bis in das Innsbrucker Uni-Rektorat vordringen!
Ihr Ronald Weinberger
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die schuhplattler-hopserei beim gehen des herrn schandor kann ja nur eine satire sein. ist dir das ansonsten nicht fremde metier in diesem falle entgangen, lieber sternenkundiger? oder hopse ich falsch vor mich hin?
Lieber Herr Weinberger,
ich muss Ihnen recht geben. Als ich meinen eigenen Text „Heute schon schuhgeplattelt“ im Layout vom schoepfblog las, dachte ich: „Au, viel zu lang! Ich hätte ihn um ein Drittel kürzen müssen.“ Auf Papier funktioniert er, ich schwör‘s. Aber online – zu lang herumgeplattelt, da haben Sie leider recht.
Bei einer kleinen Sache, die Sie erwähnt haben, möchte ich aber etwas einwenden. Ich habe anscheinend das Wort „Studierende“ verwendet, das Sie stört bzw. das Sie als „bisweilen falschen Ausdruck“ bezeichnen. Und ich kenne natürlich die Vorbehalte: Ein Studierender sei, durch das Partizip Präsens ausgedrückt, jemand, der etwas aktiv in diesem Moment ausübt. So wie ein Reisender aktiv am Reisen ist oder ein Ertrinkender am Ertrinken. Ein Studierender könne also nicht auf eine Party gehen, weil er dann kein Studierender, sondern ein Feiernder sei.
Klingt überzeugend. Stimmt aber nicht in jedem Fall. Die „Studierenden“ gab es dem Vernehmen nach bereits im 19. Jahrhundert als Variante für die Bezeichnung Studenten. Es handelt sich also nicht um einen jener üblen Neologismen, die neuerdings zum Behufe ersonnen werden, dem generischen Maskulinum an den Kragen zu gehen, wie die „Mitarbeitenden“ oder die „Zufußgehenden“. Auch einen „Schriftstellenden“ wollte mir eine Studentin in einer Arbeit mal unterjubeln.
Die Studierenden dagegen sind meines Erachtens als Eindeutschung der Studenten zu sehen, die ihrer lateinischen Ursprungsform nach ja auch nichts anderes als Studeriche und Studerinnen im lateinischen Partizip Präsens Aktiv sind: studere – studentes. (Bitte mich zu korrigieren, falls mir meine Lateinerinnerung ans PPA ein Schnippchen schlägt.)
Es geht aber noch weiter. Auch im Deutschen gibt es mit dem Partizip Präsens gebildete Funktions- bzw. Berufsbezeichnungen, die nicht auf ein aktives Tun in der Gegenwart verweisen. Wolfgang Eder beispielsweise war wohl auch in seinen Urlauben und selbst als Schlafender immer Vorstandsvorsitzender der VOEST AG (und nie „Vorsitzer“). Jetzt ist er in Pension und Ex-Vorsitzender. Das würde nach der strengen Logik, die manche im Zusammenhang mit dem Partizip Präsens als Argument vorbringen, gar nicht gehen. Und es wäre auch unmöglich, dass Gregor Samsa, nachdem er an jenem Morgen, an dem ihn Kafka verewigt hat, aus unruhigem Schlaf erwachte, ein Handelsreisender gewesen sein soll. Er war ja ein Käfernder.
Was lernen wir daraus? Die Sprache hat wunderbarerweise Spielräume, die man weder durch Leitfäden noch durch allzu strikte Auslegungen der Grammatik zuschütten und planieren sollte. Sie selbst lässt immer wieder mal fünf gerade sein. Und das ist schön so.
Ein Sie Grüßender
Werner Schandor