Literarische Korrespondenz:
Reinhard Kocznar an Alois Schöpf
Betrifft:
Endspiel am Tiroler Landestheater

Das Dramma giocoso fängt schon damit an, dass die wichtigsten männlichen Hauptrollen (Bass/Tenor) zwei honorige Herren spielen, die von Hochkultur, Kulturmanagement und dem Theater- und Konzertbetrieb nicht die geringste Ahnung haben… Also sprach Alois Schöpf. (https://schoepfblog.at/alois-schopf-das-fass-ist-voll/)

Das mag sein. Für jemand, der von Kultur keine Ahnung hat (wie z.B. ich) stellt sich das einfacher dar, es geht lediglich um die Frage: Ist die für die oberste Leitung vorgesehene Person qualifiziert.

Worum geht es? Ein ideologisch gefestigter ehemaliger Bürgermeister bestellt eine ideologisch nahestehende Frau als Intendantin des größten Theaters des Landes. Binnen Kürze spielt die Intendantin das Haus leer. Der Bürgermeister hat seine Ideologie durchgesetzt, das Publikum mit den Füßen abgestimmt. Die Sache ist klar, glasklar.

Hier gibt es, zumindest nachdem der Fehlschlag nicht mehr kleingeredet werden kann, nur eines zu tun: Die unfähige Leiterin zu feuern. Nicht zu tun ist alles andere, als da wären Komitees und so weiter.

Im Finanzbereich gibt es die Fit & Proper Tests. Zuständig ist die Aufsichtsbehörde, der Zweck ist, festzustellen, ob die betreffende Person die notwendige Qualifikation und persönliche Integrität für eine Führungsposition besitzt. Da geht es um Fachwissen und Fähigkeit, nicht um Visionen. Sie passieren vor allem vor der Bestellung der Führungsperson.

So ein Prüfungsgremium ist somit keinesfalls eine Art künstlerischer Gault-Millau, wie in diesem Forum schon angeregt wurde, also etwas, das nie funktionieren würde. Ein solcher Gault-Millau wäre den Vorlieben, Launen und Eitelkeiten der sich selbst ernennenden und ergänzenden sogenannten Fachleute ausgesetzt und alles andere als objektiv.

Es wäre auch künstlerischen Moden unterworfen, die völlig der Beliebigkeit unterliegen. McLuhan hat das kurz und treffend definiert: Kunst ist alles, solange man damit durchkommt. Es sind keine harten Kriterien.

So unwahrscheinlich es ist, dass derart ein Leiter einer Filiale mit zwei Mitarbeitern als CEO einer Bank bestellt wird, so unmöglich könnte auf diese Art die Leiterin einer Kleinbühne im Outback mit einer Handvoll Mitwirkenden den Chefposten eines großen Betriebes wie des Landestheaters in einer ganz anderen Dimension ergattern.

Für jemand, der nichts vom Theaterbetrieb versteht, ist es angemessen, künstlerische Aspekte beiseite zu lassen. Unübersehbar ist aber der Exodus des Publikums, womit die Frage der Eignung beantwortet ist. Völlig hilflos sind hingegen die nun angedachten oder bereits ergriffenen Maßnahmen mit Mediation und unterstützenden Kommissionen.

Im Weltkrieg kam in England die Idee solcher Gremien in der Politik  auf, als im zweiten Kriegsjahr die schlimmste Bedrohung überstanden war. Churchill erteilte diesem Ansinnen eine Absage. Er wolle kein Gremium dulden, in dem honorige Personen zu allem ihre Meinung äußern, aber keine Weisungen erteilen durften und daher nirgends Verantwortung trügen.

Man darf in Rechnung stellen, dass es sich hier um einen Betrieb handelt, der jährlich mit 30 Millionen aus den Taschen des steuerzahlenden Teils der Bevölkerung subventioniert wird, um (über)leben zu können. Wenn die Einschränkung des Betriebs (weniger Spieltage…) bleibt oder weitergeht, wäre allerdings auch ein positiver Effekt zu erwarten: es braucht weniger Subventionen.

Der erste Schritt scheint getan zu sein. Der Besprechung der ersten Oper der Spielzeit  ist zu entnehmen, dass kein Orchester mehr erforderlich ist. Ähnlich dem Wetterbericht mit gemessener und gefühlter Temperatur ist auch ausführlich erklärt, wie das Werk aufzunehmen ist und die Publikumssubstitution (leere Sitzplatzreihen mit Claqueuren aus Südtirol füllen oder Klangspuren aus Schwaz einstreuen) ist eingeleitet. Sollte das nicht helfen, kann man den kaufmännischen Leiter und sein Personal auch einsparen. In einem leergespielten Haus braucht es ihn nicht.
Soweit der satirische Aspekt.

PS: Alois schreibt mir dazu…so einen Riesendampfer muss dann auch wer Kundiger übernehmen. Das ist richtig, muss aber nicht sofort sein. Wie Hermann Josef Abs, seinerzeit Generaldirektor der Deutschen Bank, einmal zu Journalisten sagte: Wenn die Herren, die uns heute in den Mantel helfen, ab morgen die Geschäfte weiterführen, bemerkt man das frühestens in einem halben Jahr.

Jeder Betrieb und zweifellos auch das Landestheater, ist organisatorisch so aufgestellt, dass er eine Weile weiter funktioniert. Das reicht. Umgekehrt ist hier Schadensbegrenzung das Wichtigste. In dieser Zeit kann der kaufmännische Leiter ungestört daran gehen, die finanziellen Folgen zu beschränken.

PPS: Die in einem Kommentar erhoffte Begeisterung des angestammten Publikums durch Klangspuren-Gehör-Trainierte aus Schwaz ist Pädagogik. Das wäre Overkill. Innsbruck verfügt bereits über eine Pädagogische Hochschule, die zweifellos für pädagogische Aufgaben besser qualifiziert ist.

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Reinhard Kocznar

Reinhard Kocznar ist Versicherungsmakler und lebt in Birgitz. Seit 30 Jahren selbständig, während 25 Jahren zweiter Beruf als Leiter eines Softwareentwicklungsteams und Systemadministrator. Als Schriftsteller hat er bisher 7 Bücher veröffentlicht, Krimis, Thriller, Erzählungen und Essays. Literarisch betreibt er den Online-Buchshop: https://books.kocznar.com . Leidenschaftlicher Fotograf, Sportschütze und Motorradfahrer.

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