Literarische Korrespondenz:
R. Knoll an A. Schöpf
Betrifft:
Schwabenitzky, Hans Preiner und
der „Echte Wiener“
Lieber Herr Schöpf,
aufmerksam las ich Ihren Bericht zu dem Fernsehfilm Ein echter Wiener geht nicht unter.
Da ich mit dem verstorbenen Hans Preiner befreundet war, kann ich Ihre Darstellung gut nachvollziehen und bestätigen. Im Grunde ist es Ihre hervorragende Recherche, die dieses miese Kulturmodell perfekt wiedergibt, das inzwischen bis nach Mitteldeutschland reicht.
Ich kann nur zur Beglaubigung dieser infamen Kulturgewaltigen, die auf den Schultern der Riesen stehen, auf das Theaterstück von Thomas Bernhard Die Berühmten verweisen, in dem in einmaliger Weise beschrieben wird, wie die mediokren Nachahmer über ihre Vorbilder herziehen, an ihnen kein gutes Haar lassen, um damit die eigene Bedeutung hervorzukehren.
Dieses Schicksal erlitt offenbar auch die von Ihnen beschriebene Produktion. Auch dass man den Schauspieler Merkatz auf diese eindimensionale Darstellung reduzierte, grundsätzlich von Null auf Hundert zu kommen, stets in unflätiger Weise schimpfend, um dann sentimental wieder in sich zusammenzuschrumpfen, mag zwar ein Wiener Merkmal sein, das seit Josef Weinheber geläufig ist, aber verweigert sich jenem Wiener Philosophem, das dann auch weltgewandte Klugheit zu zeigen in der Lage ist.
In der Rede des Ottokar von Horneck (König Ottokar) wäre die andere Seite der Medaille zu zeigen gewesen, auf die man im gegenwärtigen Wien als Hort der Lugner´schen Obszönität nicht neugierig ist. Merkatz hat das in einem Gespräch mit mir beim Radmechaniker in Unterach bedauert, dass er hier eine Abstempelung hinnehmen musste, die man dann von ihm immer erwartete.
So hatte er jede Neigung zur Differenzierung zu vermeiden. Also fielen ihm die Wiener Ausflüge ins Fernsehen immer leichter. Und in Wien war man über ihn glücklich, denn er hat das Vulgäre auf den Punkt gebracht. Mehr war ja nie beabsichtigt.
Dass da Schwabenitzky gleichsam einen zeitgenössischen düsteren lieben Augustin kreieren wollte, hatte ich aufgrund von Preiners Hinweisen stets vermutet. Das wird natürlich von dieser obszönen Wiener Gesellschaft beim Schwarzen Kamel in der Bognergasse grundsätzlich abgelehnt. Denn in welcher Suhle könnte sie sich suhlen, wenn nicht im Ordinären, das man zu entdecken und zu Ehren zu bringen meinte. Unter uns gesagt, ist dort auch das Erfolgsrezept von Elfriede Jelinek zu ermitteln.
Eine zum Tag passende Geschichte: Zwei Tage vor seinem Tod telefonierte ich mit Preiner, um ihm mitzuteilen, dass soeben die Krankenkasse seine Ausgaben refundierte. Er lag in Innsbruck im Spital und die Nachricht verursachte wohl sein letztes unnachahmliches Eulenspiegel-Lachen. Daraufhin erhielt ich die Nachricht, dass er während einer Panik-Attacke gestorben sei.
Es lag nun an mir, über seinen Leichnam zu bestimmen. Eine Überführung nach Wien hätte einiges Geld verschlungen. Aus Preiners Erbe war dies nicht zu bezahlen. So bat ich den Tiroler Bestatter, für die Kremation Sorge zu tragen. Diese erfolgte in Innsbruck. Dann organisierte ich die Beisetzung der Urne in Wien. Dank der Hilfe von Kathi Noever waren die Kosten aus dem Verkauf eines Aquarells von Josef Mikl aus Preiners Besitz gedeckt; ebenso ein Gedenkgottesdienst in der Wiener Jesuitenkirche samt anschließendem Empfang.
Es ist eine nötige Beifügung, die ich dem Andenken an Hans Preiner schuldig bin: Dass er Elias Canetti überredete, wieder nach Wien zu kommen, ebenso die Beatles, um einen Beitrag für seine Impulse-Reihe zu machen. Und dass er zum Mentor des Buchs Austrian Mind von William Johnston wurde, gehört auf ein weiteres Blatt.
Liebe Grüße Ihr Reinhold Knoll
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