Literarische Korrespondenz:
Helmuth Schönauer an Alois Schöpf
Betrifft:
„Es ist einmal so Sitte…“
Apropos vom 13.01.2025

Der deutschen Außenministerin wird in Syrien der Handschlag verweigert. Das offizielle syrische TV verpixelt sie außerdem am Stehfoto für die Annalen.

Die deutsch-grüne Außenministerin verbraucht im Jahr über 130.000,- EUR Schminke für ihr Gesicht, damit sie bei Auftritten medial gut rüberkommt. Da ist es kein Wunder, dass sich revolutionäre Männer in Syrien, die noch den Bürgerkriegsstaub in den Haaren haben, nicht zu nah an dieses professionelle Außenministerin-Gesicht heranwagen.

Das Weglassen des Händedrucks könnte vielleicht aber auch darauf hindeuten, dass man der deutschen Politikerin im Gegensatz zu ihrem französischen Kollegen keine Handschlagqualität zutraut. Schließlich haben manche noch im Ohr, dass sie feministische Außenpolitik in alle Weltgegenden hinauszutragen versprach.

Unsereins, in den 1950er Jahren diplomatisch erzogen, als es besser war, sich als Österreicher auszuweisen denn als Deutscher, hat noch den Befehl im Ohr: Schön Handi geben! Und zwar allen! (Du kannst dir ja still etwas anderes denken dabei.) Vielleicht sollte man bei Händedrücken im diplomatischen Ambiente ebenfalls davon ausgehen, dass sich die Handbedrückten innerlich etwas anderes hinzudenken. Die deutschen Minister haben nämlich bei Auslandsauftritten das Problem, dass sie selbst nicht wissen, wie sie ihre Rolle anlegen sollen. Einerseits wollen sie freundlich sein, sie haben ja aus der Geschichte gelernt, andererseits wollen sie ununterbrochen Autos verkaufen, wo immer sie auch hinkommen.

Im unsäglich dumm angelegten Afghanistaneinsatz kann man übrigens anhand der Ministerauftritte ablesen, wie unausgegoren die ganze deutsche Außenpolitik angelegt ist.

1.
Der Entwicklungsminister Niebel (FDP) nimmt 2012 noch schnell einen afghanischen Teppich mit in den Regierungsflieger, weil er Angst hat, seine deutschen Truppen könnten bald überrannt werden. Und dann wäre der Teppich nicht mehr aus dem Land hinaus zu kriegen.

2.
Der schöne Verteidigungsminister Guttenberg (CSU) setzt 2010 aristokratische Maßstäbe für ästhetische Kriegsbilder. Nicht nur, dass er das Wort Krieg medial aufbereitet, stellt er zusammen mit seiner bildhübschen Frau eine ganze Fotostrecke über die Landung bei Wind in Kabul ins Netz. So auffrischend windig kann Krieg sein, wenn man ihn werbewirksam fotografiert.

3.
Verteidigungsministerin Von der Leyen (CDU) ist 2016 schon zum fünften Mal in Afghanistan zu Besuch. Mittlerweile geht ihr Flughafen-Look mit wehendem Haar und eng-geschnürter Schussweste viral. Fachleute glauben an der Schnürung der Weste ablesen zu können, wie der Zustand der deutschen Truppe wirklich ist.

4.
Dem schönen Außenminister Maas (SPD) gehen 2021 wegen Corona in Europa die Laufstege für seine Slim-Maas-Anzüge aus, weshalb er Afghanistan zu einem sicheren Auftritt nützt. Freilich sagt ihm dabei niemand, wie nah die Taliban schon am Flughafen stehen. Völlig selbstverliebt in sein Dress erfährt er bei der Landung in Deutschland, dass soeben Kabul eingenommen wurde.

Wahrscheinlich sind diese Außenminister-Anekdoten den syrischen Revolutionären durch den Kopf gegangen, als sich die deutsche Außenministerin mit nahöstlichem Makeup in Damaskus einfindet. Ein paar geben artig Handi, ein paar andere eben nicht. So will man vermeiden, dass man falsch gedeutet wird.

Denn eines sollte uns klar sein: Wenn deutsche Minister irgendwo auf der Welt landen, erzeugt das nicht überall Freude, Entwicklungshilfe hin oder her. Es geht denen nämlich immer nur um Autos, wiewohl sie Demokratie dazu sagen.

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Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

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