Literarische Korrespondenz:
Helmuth Schönauer an c.h. huber
Betrifft:
Schweizer Verkehrskäse bzw.
Parallelaktion im Wipp- und Zillertal

Liebe c.h. huber!

Auf die Schweiz ist Verlass. Ihre Bürger stimmen an manchen Wochenenden so unkonventionell ab, dass sie oft selbst überrascht sind. Ihren Schweizer Verkehrskäse als Referendum vorzulegen, ist ein bemerkenswertes Unterfangen. Sollen die Löcher im System gestopft und die Verkehrsadern aufgeweitet werden? Man stelle sich eine solche Frage einmal in Tirol vor.

Aus dem Referendum können wir zweierlei lernen.
Nämlich, wie immer es ausgegangen ist, es wird Auswirkungen auf uns Nachbarn haben.
Und zweitens: Der Argumentationskatalog pro und kontra schlägt auch bei uns voll auf.

1.
Anlässlich meines Artikels über die Verkehrs-Parallele zwischen Wipp- und Zillertal wurde der sarkastische Vergleich konnotiert, wonach man bei uns den Bruch des eines Beines mit einem geplanten Bruch des zweiten Beins korrigieren will. Oder: Wenn ein Tal kaputt ist, soll es auch das andere sein. Daraufhin wurde ich in deiner Zuschrift gebeten, doch bitte Lösungsvorschläge zu machen.

wunderbar wärs, hättest du eine lösung dieser und anderer verkehrsprobleme, lieber helmuth. dann verdientest du den nobelpreis!

2.
Im Sinne einer literarischen Korrespondenz lautet meine Reaktion:

– Für die Gegenwart gibt es nur das komplette Herunterfahren jeglicher verkehrstechnischer Ausbaumaßnahmen.
– Was wir in zehn Jahren tun müssen, wissen wir nicht, und es weiß niemand.
– Aus dem Schweizer Argumentationskatalog könnte man aus Gründen der Aufklärung eine Art Adventkalender des Verkehrskollapses zusammenstellen.
– 24 Tage lang würde dabei ein Türchen aufgehen und einen Vorschlag preisgeben.

Da im ganzen Land Planungsbüros bereit stehen, wäre es für das Land ein Leichtes, kluge Maßnahmen zur Diskussion zu stellen, statt gleich etwas Irres zu beschließen wie den unsäglichen Scheiteltunnel am Fernpass.

Meine zwei Favoriten:


a) Die Autobahnbrücken wurden seinerzeit für eine LKW-Tonnage von gut zwanzig Tonnen gebaut. Dafür wurde auch die Bewilligung ausgestellt. Später hat man diese Tonnage mindestens verdoppelt und die Lebensdauer der Brücken dadurch im exponentiellen Umfang verkürzt. Man müsste jetzt nur wieder die ursprünglichen Bewilligungen heranziehen, anstatt die Brücken der gängigen Tonnage anzupassen. 

Also Gewichtsreduktion der LKW, und nicht Hochrüsten der Brückenkonstruktionen!

b) Für das Zillertal könnte eine erste Empfehlung lauten: Legt doch einmal über den vorhandenen Grundstückskataster eine Matrix, auf der die Verkehrserregung der einzelnen Grundstücke angeführt ist. Ihr werdet sehen, dass diese Grundstücke auch in Zukunft Verkehrszuwachs generieren werden.

Soviel kann man an Straßen gar nicht bauen, wie in den einzelnen Gemeinden Verkehr entsteht.

3.
Abschließend noch ein Hinweis zum Nobelpreis, den du mir zubilligen würdest: Österreich besitzt mit Elfriede Jelinek und Peter Handke zwei lebende Nobelpreiträger. Was die einen für ein großes Geschenk Österreichs an die Welt halten, schätzen andere als Marketing-Gag ohne schlüssige Argumentationen ein. Der Literaturnobelpreis ist nämlich der einzige, der auf Fiktion, Gerücht und Geschwurbel beruht. Nicht umsonst gilt auf Wikipedia die Literatur als Schwurbelei, der nur schwer mit Fakten beizukommen ist.

Wenn jemand also den Nobelpreis für Literatur bekommt, hat er im Prinzip bloß gut geschwafelt. So gesehen wäre der Nobelpreis für Literatur das schlimmste, was meinen seriösen und fundierten Verkehrsvorschlägen passieren könnte.

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Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. c. h. huber

    lieber helmuth, ich bin begeistert, dass du meinem kurzkommentar so viel aufmerksamkeit und gehirnschmalz gewidmet hast! allerdings bin ich bei der tonnagebeschränkung für lkws nicht deiner meinung – die güter würden dann auf noch mehr autos verteilt, was, logo, noch mehr verkehr bedeuten würde. und natürlich ist der nobelpreis, den ich dir ob deiner vorschläge grundsätzlich dennoch gönnte, auch stets anfechtbar. die literaturkritik ist keine allzu konkrete wissenschaft, sage ich, und geschmäcker und ohrfeigen sind eben verschieden, aber die anregung zum lesen würde mir fehlen, gäbs ihn nicht. genauso gerne lese ich deine kolumnen, selbst wenn ich ihnen nicht immer in allem zustimmen kann. mit deinen worten sage ich hier: bitte halte durch!

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