Literarische Korrespondenz:
Elias Schneitter an Sepp Schellhorn
Betrifft:
Entbürokratisierung

Sehr geehrter Herr Schellhorn!

Die Wirtschaft, die ganze Gesellschaft, Bürger und Bürgerinnen – alle stöhnen über die überbordende Bürokratisierung. Daher wurde auch ein Staatssekretariat unter Ihrer Leitung eingerichtet, um hier die Verhältnisse positiv zu verändern.

Sehr gut erinnere ich mich noch an das Fernsehinterview, in dem Sie als neuer Staatssekretär für Entbürokratisierung vorgestellt wurden. Darin haben Sie die Zuseher aufgefordert, Vorschläge und Ideen zur Verbesserung der Situation vorzubringen.

Nun möchte ich diese Möglichkeit nützen.

Kürzlich hatten wir einen Termin bei einer Bank. Es ging um nichts anderes als um Eröffnung eines Bankkontos für einen kleinen Verein, um den üblichen Zahlungsverkehr wie Mitgliedsbeiträge und Ähnliches abwickeln zu können.

Ich besorgte mir einen Termin und war ein wenig verwundert, als mir die sehr freundliche Bedienstete mitteilte, dass wir vom Vereinsvorstand zu dritt mit gültigen Ausweisen und Handy zu erscheinen hätten. Obmann, Kassier und die zweite Zeichnungsberechtigte also. Auch sagte sie mir gleich, dass wir ca. zwei Stunden für diesen Termin einplanen sollten.

Wir befolgten natürlich den Hinweis und staunten nicht schlecht, welche Formalitäten da notwendig waren. Wir hatten jede Menge Unterschriften auf Papieren zu leisten, wobei wir sicher einen ganzen Tag benötigt hätten, wenn wir das alles auch noch genau durchgelesen und studiert hätten.

Auch waren sämtliche Ausweise des restlichen Vorstandes beizubringen (6 Stück), mit genauen Daten, Wohnsitz etc. Diese sollten möglichst rasch digital nachgereicht werden.

Was ich ursprünglich nicht glauben wollte: die ganze Angelegenheit dauerte wirklich etwas mehr als zwei Stunden. Und es hatte absolut nichts damit zu tun, dass vielleicht die beiden involvierten Bediensteten nicht kompetent gewesen wären oder nicht zügig gearbeitet hätten. Nein, es handelte sich um die ganz „normalen“ vorgeschriebenen Schritte, die so viel Zeit in Anspruch nahmen.

Und noch einmal zur Erinnerung: Es ging um nichts weiter, als um die Eröffnung eines hundsgewöhnlichen Vereinskontos eines kleinen Vereins. Da geht es um keine großen Beträge und auch um keinen Überziehungsrahmen, lediglich um die jährlich laufenden Zahlungen, wie bei zehntausenden anderen Vereinen auch.

Und da fragt man sich schon als einigermaßen noch normal Gebliebener: Was soll das? Was gehen da sinnlos Zeit und Ressourcen verloren?

Darum, lieber Herr Staatssekretär, veranlassen Sie dringend und sofort Schritte, dass derlei Unsinn abgeschafft wird.

Mit freundlichen Grüßen
Elias Schneitter

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Elias Schneitter

Elias Schneitter lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Civetta“ (baes) und der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Zirler Blues“ (baes). Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), in der ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) bis 2023 in Hall, seit 2024 in Kufstein.

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