Literarische Korrespondenz:
Alois Schöpf an die hochmögenden Koalitions-Verhandler zu Wien
Betrifft:
Die Österreichische Medienpolitik und
die geschützte Werkstätte ORF
unter besonderer Berücksichtigung
des Falls Wolf/ Filzmaier
Sehr geehrte Damen und Herren!
Sicherlich werden Sie die Berichterstattung zur Steiermark-Wahl mitverfolgt haben. Vielleicht haben Sie auch die Gelegenheit genützt, zwischen den Angeboten der Sender ORF, oe24tv und Servus-TV hin und her zu wechseln. Und vielleicht haben Sie dabei ähnliche Beobachtungen gemacht wie ich.
Das demokratische Hochamt
Das Ritual der ORF-Wahlberichterstattung ist seit Jahren eingespielt. Den Hochrechnungen folgen Statements der immer gleichen Hofsoziologen, danach Interviews mit Parteienvertretern in der Hierarchie aufsteigend, unterbrochen von Statements von Frauen und Männern auf der Straße, wobei diese so ausgewählt werden, dass die intellektuelle Gemengelage der Befragten auf die dringende Notwendigkeit einer gouvernantenhaften Überwachung durch den ORF abzielt. Abgeschlossen wird das demokratische Hochamt sodann durch eine Diskussion.
In Erinnerung zu rufen ist dabei, dass dieser Ablauf mit den Haushaltsabgaben der Bürger finanziert wird, wohingegen die privaten TV-Anstalten, die hier zum Vergleich herangezogen werden, von der Werbung, geringen staatlichen Medienförderungen, also mit einem Bruchteil dessen auskommen müssen, was dem ORF zur Verfügung steht.
Angesichts dieser budgetären Schräglage ist es geradezu skandalös, wenn festgestellt werden muss, dass die Leistungen der Privaten sich durchaus mit jenen des ORF vergleichen lassen und diese in entscheidenden Punkten sogar übertreffen.
oe24tv
So konterkariert etwa das Schlachtross Wolfgang Fellner in oe24tv die geglättete Performance des ORF durch eine offenkundige Lust am Journalismus, wenn er, auch nicht mehr der Jüngste, stundenlang durchmoderiert, eine kleine Neuigkeit nach der anderen zur Sensation hochplaudert und so genau jene Unseriosität einer Branche offenlegt, deren Bedienstete von der Bevölkerung auf die untersten Ränge des Ansehens verwiesen werden. Das ändert nichts daran, dass die Medien als mächtig eingeschätzt und ihre Mitarbeiter bei aller Verachtung zugleich hofiert werden.
Interessant ist es auch, etwa eine Isabell Daniel von oe24tv dabei zu beobachten, mit welcher Ruhe und mit welchem Respekt sie ihre Gäste interviewt, während die meisten Politiker inzwischen darauf verzichten, sich an einen Tisch mit dem vorurteilsbeladenen Kleinbürger Armin Wolf und seinen Nachahmern zu setzen, um nicht zum Gaudium eines Publikums, das früher zu Hinrichtungen gegangen wäre, mithilfe des öden Aufkochens von Zitaten von Vorvorgestern fertig gemacht zu werden. In ihrer Absagenot sind die Sendeverantwortlichen der ZIB2 inzwischen dazu übergegangen, ihre KollegenInnen aus dem eigenen Haus, von Zeitungen und die immer gleichen PolitologenInnen und Meinungsforscher einzuladen.
Der Fall Wolf/Filzmeier
Eine solche Dauereinladung hat etwa im Fall Armin Wolf dazu geführt, dass ein durch die Monopolstellung des ORF berühmter und zugleich in seiner Arbeit von Empathie und Menschlichkeit befreiter, daher grottenschlechter Journalist mit seinem schwätzenden Dauergast Peter Filzmaier zur weiteren kommerziellen Verwertung ihrer Ich-AGs ein Buch herausgegeben hat und zur Bewerbung desselben vor dem Weihnachtsgeschäft durch die Veranstaltungszentren von Graz, Innsbruck, Salzburg, Linz und Wien tingelt, um im Fall Wolf bei Eintrittspreisen von 30 Euro den Moderatorengehalt von ca. 150.000 Euro im Jahr durch die Kleinigkeit von schätzungsweise 70.00 Euro pro Person (Vortrags- plus Buchhonorare) aufzubessern.
Dass ein offensichtlich intellektuell überforderter ORF-Generaldirektor dem Angestellten Wolf zu solchem Nebenerwerb seine Erlaubnis erteilt, dem sollten Sie, geschätzte Koalitionsverhandler, doch einige Minuten ihrer Aufmerksamkeit widmen, wenn es um die Fragen von Compliance auch im staatlichen Medium geht. Denn der Aufbau einer Ich-AG bei gleichzeitiger Verpflichtung zu objektivem Journalismus ist genauso unmöglich, wie er der journalistischen Korruption, Themen und Kontakte der eigenen Karriere anzupassen, Tür und Tor öffnet.
Haushaltsabgabe nur für gute Programme
Aber nicht nur Frau Daniel von oe24tv ist besser als viele VorzugsschülerInnen des ORF, auch die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen bei oe24tv sind es, wie etwa eine Katrin Prähauser von Servus TV, die nicht nur die Nachrichten, sondern auch die innenpolitische Sendung Blickwechsel moderiert und abwechselnd mit Michael Fleischhacker die Diskussionssendung Links. Rechts. Mitte – Duell der Meinungsmacher leitet.
Gerade diese Diskussionssendung ist durch ihre originelle Gästeliste in den letzten Monaten der gleichzeitig ablaufenden Diskussionssendung im ORF Im Zentrum weit überlegen. So lud Frau Reiterer, deren oberstes Ziel es zu sein scheint, bis zum St. Nimmerleinstag schön zu sein, nach der Steiermarkwahl den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer ein, der in seinem Leben außer vorgestanzten Sätzen, die wir schon längst auswendig kennen, noch nie etwas Authentisches, also Selbstgedachtes, von sich gegeben hat. Oder den ehemaligen SPÖ Parteisekretär und späteren Generalintendanten des ORF Gerhard Zeiler, der in seinem sozialdemokratischen Ansinnen, Programme für die Mehrheit der Gebührenzahler zu machen, im ORF den Kampf um das niedrigst mögliche Niveau und damit den Abstieg des Staatsmediums zum Privatsender initiierte.
Aus dieser Aufzählung der Leistungen der österreichischen Privatsender erfolgt jedoch mitnichten eine unkritische Bewunderung derselben. So sollten die Unsäglichkeiten des vorurteilsbeladenen Herrn Wegscheider, dem gegenüber sich Armin Wolf tatsächlich noch wie eine Lichtgestalt ausnimmt, nicht vergessen werden. Ebenso ist mit einem gewissen Amüsement zu beobachten, wie Michael Fleischhacker jenen ethischen Schuldenberg abzutragen versucht, den er durch seine prostitutive Einladung von Obskuranten und Verschwörungstheoretikern zu Diskussionen während der Coronapandemie angehäuft hat.
In gleicher Weise wie beim staatlichen Rundfunk ORF ist also auch bei den Privaten mitnichten alles eitel Wonne. Dennoch haben sie bewiesen, dass sie journalistisch einwandfreie und spannende Sendeinhalte produzieren können, wie sie eine deliberative Demokratie dringend benötigt. Daher sollten sie auch, um noch besser und mehr davon produzieren zu können, aus dem Budget der Haushaltsabgabe von Seiten des Staates bedient werden. Nicht jedoch für Sendungen, deren Kosten durch Werbeeinnahmen abgedeckt sind. Dies sollte ebenso für den ORF gelten, wodurch sich dessen überbordende und lediglich aus Gründen des Verdrängungswettbewerbs hergestelltes Programmangebot wesentlich verkürzen und damit auch verbilligen würde.
Sehr geehrte Damen und Herren!
Sorgen Sie endlich für mediale Gerechtigkeit in Österreich und damit für einen Meinungspluralismus vor allem im nach wie vor mächtigsten Medium, dem Fernsehen.
Alois Schöpf
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Hallo Herr Alois,
genau das ist der Grund, warum ich seit nun mehr 10 Jahren keine ORF-Nachrichten (ZEIT IM BILD) und seit ca. 6 Jahren kein TIROL HEUTE mehr anschaue – mir gehen diese Hofberichterstattungen überhaupt nicht ab!
Mir genügt um 19:20 das arte-Journal – übrigens ein guter Ersatz für diese Kindergarten-Geschichten unserer österreichischen Sender….!
Was Gehalt + Nebeneinnahmen betrifft, müssen diese voll versteuert werden.
Außerdem darf bei Nebenbeschäftigungen die Hauptbeschäftigung nicht darunter leiden.