Janus Zeitstein
Über die wahre Natur der Eisheiligen
Polemisieren à la Thomas Bernhard
Die Eisheiligen, diese sogenannten Eisheiligen, Mamertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius und die kalte Sophie, sind nichts anderes als eine perfide Erfindung der Kirche, um den Menschen, diesen erbärmlichen Kreaturen, einzureden, es gäbe eine Ordnung in der Natur, eine göttliche Ordnung, wo es doch keine Ordnung gibt, nirgends, am allerwenigsten in der Natur, die absolute Unordnung ist und nichts sonst.
Die Eisheiligen, dieser klimatologische Aberglaube, werden heute von den Menschen, denselben Menschen, die sich für aufgeklärt halten, für intelligent halten, für wissenschaftlich halten, als Störenfriede bezeichnet, als lästige Störenfriede ihres lächerlichen Frühlingsgefühls, ihrer beschämenden Gartenarbeit und ihrer vollkommen absurden Balkonbepflanzung.
Diese heutigen Menschen, die sich als Hobbygärtner bezeichnen, die jeden, aber wirklich jeden Quadratzentimeter mit ihrer gärtnerischen Besessenheit terrorisieren, erdreisten sich, über die Eisheiligen zu schimpfen, die ihnen, wie sie glauben, ihre bedeutsame Arbeit mit den Geranien und Petunien und was weiß Gott noch für entsetzlichen Blumen verderben, die absolute Geschmacklosigkeit auf ihren sogenannten Balkonen, diesen architektonischen Auswüchsen, die nichts anderes sind als der äußere Prunk ihrer inneren Verkommenheit.
Diese Menschen, die von der Natur längst nichts mehr verstehen, die überhaupt nichts mehr verstehen, regen sich auf über die Eisheiligen, über diese Kälteeinbrüche im Mai, als wäre die Natur verpflichtet, sich an ihren lächerlichen Terminkalender zu halten, an ihre absurde Vorstellung von Frühling, Sommer, Herbst und Winter.
In Wahrheit waren die Eisheiligen, also die Gletscher, denn nichts anderes sind die wahren Eisheiligen, einmal Gottheiten, vor denen die Menschen, die damaligen Menschen, noch Angst hatten, vor denen sie zitterten, die sie fürchteten, und zwar zu Recht fürchteten. Der Gletscher war keine Touristenattraktion, keine Postkartenidylle, kein Fotomotiv für die Smartphones dieser vollkommen degenerierten Menschenmasse, die sich heute Touristen nennen und die ganze Welt verseuchen mit ihrer Anwesenheit, der Gletscher war ein heiliges Wesen, eine Macht, die über Leben und Tod entschied, die das Schicksal ganzer Täler bestimmte, ganzer Dörfer, ganzer Generationen.
Aber diese heutige Menschheit, diese Ansammlung von Hohlköpfen und Ignoranten, diese wissenschaftsgläubigen Idioten, was machen sie? Sie messen die Gletscher, sie berechnen ihr Schmelzen, sie prognostizieren ihr Verschwinden, und sie tun das mit einer Präzision, die so absurd ist wie ihre ganze Existenz. Sie berechnen den Untergang, den sie selbst verursachen, und sie nennen das Wissenschaft, sie nennen das Fortschritt, sie nennen das Erkenntnis. In Wahrheit ist es nichts als die vollkommene Geistlosigkeit, die vollkommene Dummheit, die vollkommene Verzweiflung.
Die echten Eisheiligen, die Gletscher, sterben weg, sie verschwinden, sie vergehen, sie schmelzen zu Tränen, sauren Tränen, wie einer sie nennt, und niemand trauert darum, niemand empfindet Scham, niemand empfindet Schuld. Stattdessen genießt man Smoothies, Smoothies! Diese furchtbare amerikanische Erfindung, diese flüssige Idiotie, und man redet von Solarpanels und Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein, während man gleichzeitig in Flugzeuge steigt, um die letzten Gletscher zu fotografieren, bevor sie verschwinden, ein Wahnsinn, ein absoluter Wahnsinn, den niemand mehr erkennt, niemand mehr benennt, niemand mehr bekämpft.
Der moderne Mensch, dieser sogenannte moderne Mensch, ist nicht einmal mehr fähig, den Verlust eines Heiligen zu betrauern, nicht einmal mehr fähig, den Untergang der Eisheiligen zu beweinen, nicht einmal mehr fähig, die eigene Schuld zu erkennen, die eigene Verantwortung, die eigene Erbärmlichkeit.
Er hat sich warmgelogen, warmgedacht, warmgeredet, während die Gletscher sterben, während die Natur stirbt, während alles stirbt, was einmal heilig war, was einmal Bedeutung hatte, was einmal Wahrheit war. Die Wahrheit ist heute nichts mehr wert, die Wahrheit interessiert niemanden mehr, die Wahrheit ist längst ersetzt worden durch Bequemlichkeit, durch Konsum, durch Dummheit.
Die Eisheiligen sind tot, und mit ihnen starb die letzte Möglichkeit der Erlösung, die letzte Möglichkeit der Erkenntnis, die letzte Möglichkeit der Wahrheit.
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Ach, Sie meinen mich grau, weil ich diese geranienroten Freudigkeitsbeweise, diese mit Primeln zugeschütteten Spießergräber vor dem Reihenhaus anprangere! Nein, ich bin nicht grau – ich bin von Farben gestochen, gestochen von diesen gewaltsamen Farbattacken auf die letzte Möglichkeit eines gedankenklaren Morgens.
Sie sprechen von „Farbe im Leben“, als wäre Farbe eine Religion, dabei ist gerade die überdosierte Farbe das Erträglichkeitsproblem unserer Zeit. Diese grelle Farbe schreit: Hier wohnt ein lebensbejahender Mensch, der seine Geranien wie Kinder aufzieht, nur disziplinierter, zuverlässiger, besser gedüngt.
Sogenanntes Wissen über Wetterphänomene ist nichts anderes als verkleidete Angst vor Kontrollverlust. Die Hohepriesterinnen des Thermometers wissen alles über das Pflanzen – und doch können sie nicht verhindern, dass alles verblüht, verwelkt, vergeht.
Ich sehe die stillschweigend erteilten Befehle der Gartenordnung: Blühe, Bürger, blühe! Das tapfere Spiel, dem Verfall mit Vergissmeinnicht zu trotzen. Ein schöner Versuch. Glauben Sie mir, ich schätze (a Weng‘erl) auch Frost.
zugeschütteten Spießergräber vor dem Reihenhaus…
Da sieht man, wie die vom Kommentator Haselberger erkannte Herabwürdigung anderer, induziert und etabliert durch Herbert Kickl, schon in die Breite gestreut hat.
ich frage mich, ob sie ein trauriger, grauer mensch sind, weil sie den blumenschmuck der häuser und gärten derart herabwürdigen. logo, das sollte ein bernhardscher rundumschlag sein, schätze ich diesen autor doch sehr, doch ich plädiere auf möglichst viel farbe im leben und, wie sie, auf altes wissen über die natur, das sich auch in der beachtung von wetterphänomenen zeigen sollte. erfahrene gärtnerInnen wissen, empfindliche pflanzen kommen erst danach ins freie, dann gibts keine enttäuschungen.