Helmuth Schönauer
Queeres braucht Polizeischutz
Stichpunkt
1.
Früher kamen die Trends meist aus Amerika, um nach einer gewissen Zeitspanne die österreichische Provinz aufzumischen. Diese verharrte verlässlich in einer permanenten Abwehrhaltung, bis der Spuk vorbei war.
Meist wurden die neuen Trends über Schleichpfade der Alternativkultur ins Land geschmuggelt und im Wiener 8. Bezirk in der Bobo-Arena ausprobiert. Von dort aus verbreiteten sie sich über die Railjet-User hinein in die Provinzen, wo sie dann dem jeweiligen Publikum vorgeführt wurden.
Eine Hauptvertriebsstelle konnten oft auch diverse Landes- und Stadttheater sein, über die Zyniker munkeln, dass die Schauspieltruppen dort oft nur für sich selbst spielen. So ist es ziemlich egal, wie das ortsfeste Publikum reagiert, das ohnehin am liebsten auf Ablehnung gebürstet ist.
In diesem Lichte muss man die Nachricht lesen, wonach es in Klagenfurt Polizeischutz für ein Theaterstück braucht.
2.
Wie viel Anderssein akzeptiert die Kärntner Gesellschaft? Das QUEERinthia thematisiert am Stadttheater Klagenfurt die feindselige Haltung gegenüber homosexuellen und queeren Menschen in einem fiktiven Dorf. Offensichtlich ist die Toleranz in Kärnten enden wollend.
Schon im Vorfeld gab es Drohungen gegen Theater und Darsteller, auch die Aufführungen finden nun unter Polizeischutz statt, um dem Publikum ein Gefühl der Sicherheit zu geben. Mehrere Beamte überwachen die Theaterabende über die LGBTQ-Gemeinschaft, nachdem es im Internet Hasskommentare dagegen gegeben hat. Es handle sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme, es gebe keine konkrete Bedrohung, sagte Werner Bucher von der Landespolizeidirektion Kärnten.
In dem Stück, das in einem fiktiven, queeren Dorf in den Karawanken spielt, geht es um die Lebensrealitäten seiner Bewohnerinnen und Bewohner. Thematisiert werden dabei auch die Opfer schwulenfeindlicher Politik und Gesellschaft. [red, kaernten.ORF.at 16.April 2025]
Liegt im Trend
3.
Die Nachricht bestätigt einmal mehr die These, dass sich das Theater der Gegenwart stets vor dem Theater und nicht im Theater abspielt.
Erster Akt ‒ die öffentliche Hand beschließt, das vorhandene Gebäude aufzufüllen. / Zweiter Akt – eine ausgewogen gegenderte Jury sucht auf Provinzebene nach passendem Personal für die Intendanz. / Dritter Akt – die siegreiche Intendanz fährt nach Wien und kauft Schauspielende und Stücke ein. / Vierter Akt – die eingekaufte Truppe versteht sich untereinander bestens und führt auf der Bühne Happenings auf, die dem Publikum, anonym im Dunkeln sitzend, am Arsch vorbei gehen. / Fünfter Akt – zuerst wird das Publikum ausgetauscht (Achtung, rechtsradikale Formulierung). Wenn das nicht funktioniert, die Intendanz.
Nach vier Jahren beginnt das neue Stück mit den gleichen Akt-Vorgaben.
4.
In den letzten Jahren war der Trend aus Amerika immer woke, queer und elitär. Bis er schließlich in der Provinz angelangt war, erzeugte er nur mehr Missverständnis, Argwohn und Ablehnung.
Jetzt kann man gespannt darauf warten, was als nächstes aus dem Trump-Land herüberschwappt, um die Österreichischen Provinzen zu düngen oder durchzupflügen. Zukunftsdramaturgen haben schon das ideale Trend-Stück ausgemacht. Es handelt sich um ein Wetterhäuschen, bei dem im Sonnenschein die Frau und bei Regen der Mann vor die Tür tritt, um das Wetter auszurufen.
In ein paar Monaten wird dieses Stück dann auf der Klagenfurter Bühne ohne Polizeischutz zu sehen sein. Endlich ist das Queere beiseite geräumt und die originell-bodenständige Bevölkerung kann wieder aufatmen: Der neue Trend heißt bürgerliche Missionarsstellung!
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