Helmuth Schönauer
Fritz Zelle und die Entnazifizierung
in der Provinz
Nebst Vorschlag zur Neubenennung
von Straßennamen
Stichpunkt
Wer in Landeck schwimmen geht, muss an einem Nazi vorbei. (TT, 16.3.25) Diese Schlagzeile ist der Inbegriff einer Kulturnachricht aus der Provinz und entsteht, wenn im Rahmen eines Projekts Heimatkunde geübt wird.
Zum Landecker Freischwimmbad führt ein unscheinbarer Weg, der mit dem nichtssagenden Namen Fritz Zelle geschmückt ist.
Dieser war im Stadtbauamt tätig und hat nebenher gedichtet. Die Lebensdaten 1898–1980 lassen erahnen, dass er die Nazizeit intensiv miterlebt und mitgestaltet hat. Und da er vorher wie nachher ziemlich ungeniert in seinem Beruf als öffentlicher Baumeister tätig war, liegt es nahe, dass er wahrscheinlich ein unscheinbarer Nazi war, wie man das im Volksmund nennt.
Irgendwann zur Pensionierung hin ist er dann noch Ehrenbürger der Stadt geworden und man hat ihm einen kleinen Weg gespendet, der eben ins Freischwimmbad führt. Jetzt ist er offensichtlich wieder einmal in den Fokus einer heimatkundlichen Aufarbeitung geraten, die ihm die Nazizeit unter die Nase reibt. In der Folge wird von mancher Seite gefordert, den Weg umzubenennen und das Gedächtnis an Fritz Zelle zu löschen.
Seit an diversen Unis der zeitgenössische Stoff zum Forschen auszugehen droht, sind angehende Bachelors zunehmend angehalten, in ihrem Heimatort die Straßenschilder umzukrempeln, um zu erforschen, ob nicht ein Nazi darunter ist, den man dann mit Pomp entfernen sollte.
Den Betreibern dieses seltsamen Aufarbeitungskults sei wieder einmal die Größenordnung des Problems Nazi auf Straßenschildern vor Augen geführt. Solange nämlich ein NSDAP-Mitglied Namensspender des Landhausplatzes ist, wirkt jede Diskussion über Provinz-Nazis in der Peripherie ziemlich deplatziert. Es sei denn, man sieht die Sache als das, was sie ist: Als Thema einer Bachelorarbeit.
Was die Aufarbeitungskultur angeht, sollte man in Form einer Art kultureller Transformation darüber gehen. Da alle paar Jahrzehnte die Vorgänger öffentlicher Funktionen im falschen Regime gewesen sind, sollte man überhaupt keine Personen mehr als Namensspender für Straßen und Plätze verwenden.
Denn gerade jene Dichter, die jetzt oft so heftig beim Entnazifizieren auf google maps unterwegs sind, müssen damit rechnen, dass sie die nächsten sind, die man aus den Preislisten streichen wird. Der Personenkult im Literaturbetrieb macht es sehr wahrscheinlich, dass die diversen Namensspender von Zeit zu Zeit ausgetauscht und verhängt werden müssen.
Man kann es mit dem Problem Klimaziel vergleichen. Namen auf Straßenschildern sind quasi der Verbrennermotor, der bis 2045 durch kulturneutrale Namen ersetzt werden soll.
Käsepionier
Was spricht dagegen, in Zukunft nur mehr Mineralien, Pflanzen oder Tiere als Namensspender zu verwenden? Die Bewohner der Innsbrucker Rehgasse oder des Steinbockwegs können ein positives Lied davon singen. Aber auch der Ausdruck Mitterweg hat hoffentlich eine Chance, diversen Säuberungen durch Bachelorarbeiten zu entgehen.
Was den armen Fritz Zelle betrifft, so hat die gegenwärtige Diskussion das Zeug dazu, alle in eine Nazi-Nähe zu rücken, die seinen Namen aussprechen. Ich muss also unter vorgehaltener Hand meine Bewunderung für Fritz Zelle vortragen. Im Jahr, als ich geboren wurde, publizierte er den Lyrikband Ein Lied kommt leise über Nacht. (1953) Anlässlich der Andreas-Hofer-Umzüge 1957 hat er das patriotische Theaterstück Pontlatz auf die Bühne gebracht. Dabei wurde er stark gefeiert, während ich mit meiner Satire über die Pontlatz-Kaserne und den Militarismus dreißig Jahre später vor Gericht gestellt wurde.
Bei einem persönlichen Treffen in den 1970ern habe ich ihn als selbstironischen Dichter erlebt, der schon damals den Vorschlag gemacht hat, lieber das Schwimmbad abzureißen, als den Weg nach ihm umzubenennen. Das wäre auf Dauer billiger, hat er, wissend um die Erhaltungskosten von Schwimmbädern, als Oberbaurat gemeint.
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